Review I Am Heresy – O Day Star, Son Of Dawn (EP)

Nein, ihr habt kein Déja-Vu: Vor Kurzem wurde hier schon einmal eine Platte von I AM HERESY besprochen. Während das Cover dort allerdings schwarz war, ist es dieses Mal weiß, während es sich dort um das selbstbetitelte Debütalbum handelte, geht es hier um die Tour-EP „O Day Star, Son Of Dawn“. Was ist der Grund dafür, so schnell eine EP nachzulegen? Das Eisen schmieden, solang das Feuer heiß ist? Falsch geraten: Die Band um Boysetsfire-Sänger Nathan Gray und dessen Sohnemann Simon geht zum ersten Mal auf Europatournee und veröffentlicht die vier Songs auf dieser EP als eine auf 500 Stück limitierte, handnummerierte, einseitig bespielte 12“-LP auf weißem Vinyl, welche zusätzlich mit einer aufwendigen Einritzung auf der B-Seite aufwartet. Statt Abzocke kann hier demnach viel mehr von einem Geschenk der Band an ihre Fans sowie an sich selbst gesprochen werden, führt man sich die Leidenschaft vor Augen, die I AM HERESY aus ihrer Musik sprechen lassen.

Nach einem kurzen Radiorauschen geht es in „The Dawn Of Errant Light“ mit einer schwermütigen Akustikgitarre los, bevor ein langsamer, düsterer Midtempo-Hardcore-Part beginnt, der von Nathan wütend nach vorne gebrüllt wird, nur um schließlich den Weg für ein energisches Schlagzeug freizumachen und den Song, von Breakdowns unterbrochen, in einen wütenden, treibenden Hardcoresong zu verwandeln. Der Metalcore-Einfluss, der auf dem Debütalbum stets bemerkbar war, ist hier kaum noch wahrzunehmen, vielmehr erinnert der Song an eine etwas gemäßigtere Version neuerer Converge-Songs, der allerdings auch von extrem wütenden Boysetsfire stammen könnte. Auffällig ist erneut das Spiel mit Dynamiken und Rhythmen. „Torch“ poltert als fieses Hardcoregeballer aus den Boxen, das in seinen vertrackten Rhythmen stark an The Dillinger Escape Plan erinnert, dabei allerdings nicht in derart mathematische Passagen abdriftet. Im Gegensatz zu den Vocals bei seiner Hauptband klingt Nathan Gray hier wesentlich angepisster und wütender, indem er sowohl in tieferen als auch in nahezu keifenden Tonlagen schreit. Auf Cleangesang verzichtet er in diesen ersten beiden Songs vollständig.
„Tree Of Knowledge“ zeigt I AM HERESY von einer gänzlich anderen Seite. Akustikgitarren treffen auf wabernde Synthies, Nathan spricht seinen Text zunächst über eine Klangfläche, bis er weit entfernt mit Hall auf der Stimme zu schreien beginnt. Erinnerungen an die experimentellen Neurosis-Songs sind sicherlich nicht von der Hand zu weisen, auch wenn der Begriff „Ballade“ hier nicht so ganz passen mag. Der Abschlusstrack „Hive Mind“ ist ein straighter Rocksong, der in dieser Form ohne Problem auch von Boysetsfire stammen könnte und nach einer temporeichen Strophe in einen nahezu epischen Half-Time-Refrain übergeht, um nach einigen Tempowechseln am Schluss nahezu melodramatische Gefilde zu erklimmen. Zum ersten Mal werden hier auch richtig melodiöse Leads und sehnsüchtiger Cleangesang eingesetzt, was dem Song im Vergleich zu den anderen, zumeist düsteren Songs von I AM HERESY eine angenehme Frische verleiht – von Leichtigkeit zu sprechen, wäre angesichts der Aggression, die hier immer noch mitschwingt, allerdings maßlos übertrieben.

Wären diese vier Songs auch auf dem selbstbetitelten Debüt gewesen, wäre vor allem durch die zweite Hälfte der EP noch ein wenig mehr Abwechslung in das bereits überzeugende Album gekommen. Durch die Veröffentlichung in dieser fannahen Form besitzt „O Day Star, Son Of Dawn“ allerdings auch für sich eine klare Berechtigung und macht Lust auf die anstehenden Livetermine.

Keine Wertung

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