Konzertbericht: Laibach

06.02.2023 München, Muffathalle

Es gibt vielseitige Bands und es gibt LAIBACH, bei denen überhaupt nicht mehr vorhersehbar ist, wie das nächste Projekt klingen wird. Haben die Slowenen in ihren Anfangsjahren mit martialischen Sounds die Industrial/Noise-Szene geprägt, widmete sich das Projekt später vermehrt Soundtracks, Theaterproduktionen und Musical-Adaptationen. Mit einem bunten Potpourri aus ihren alten und neuen Werken reisen LAIBACH 2023 durch Deutschland.

LAIBACH im Februar 2023 in MünchenLove Is Still Alive“ ist der irgendwie optimistisch stimmende Titel der Tour, bezugnehmend auf eine im Januar erschienene EP. Auf dieser covern sich LAIBACH munter selbst und unterbreiten dem Hörer eine achtteilige Neuinterpretation des gleichnamigen Songs aus ihrem Soundtrack zu „Iron Sky – The Coming Race“. Das launige Cover im Atari-Game-Look kommt dabei nicht von ungefähr, präsentieren LAIBACH sich hier doch so elektronisch-verspielt wie noch nie.

LAIBACH im Februar 2023 in MünchenUnd so ist auch der erste, dieser EP gewidmete Teil der Show vergleichweise untypisch: Wo sonst bedeutungsschwere Videosequenzen monumentale Soundkulissen untermalen, reisen Milan Fras und Marina Mårtensson als Konzertauftakt zu heiterem Western-Sound als Pixelfiguren auf einer roten Rakete durchs All. Auch der reale Milan gibt mit Cowboyhut und silbernem Jackett eine reichlich skurrile Figur ab – vor dem kleinsten Anflug von Lächerlichkeit bewahrt ihn jedoch schon sein graviätisches Auftreten: Dieser Mann kann nicht nur alles singen, sondern auch alles tragen.

LAIBACH im Februar 2023 in MünchenAllerdings ist sein Anteil – wie auch der von Marina Mårtensson – an diesem ersten Set überschaubar: Je weiter sich der 40-Minuten-Song nämlich entwickelt, desto größer ist der instrumental-elektronische Anteil. So agieren LAIBACH auch live schon bald in reduzierter Besetzung als Quartett, bestehend aus Bojan Krhlanko (Schlagzeug), Vitja Balžalorsky (Gitarre) sowie Luka Jamnik und Rok Lopatič am Synthesizer. Als „Gesang“ spricht Luka Jamnik gelegentlich „Surfing Through The Galaxy“ in einen Stimmverzerrer – während die immer minimalistischer arrangierten Songs nur durch gelegentliche, eruptive Einwürfe der Gitarre oder des Schlagzeug aufgebrochen werden. Mit LAIBACH, wie man sie ansonsten kennt, hat das wenig bis nichts gemein – mit anderen Worten: Weil es nicht ist, was man von LAIBACH erwartet, ist es genau, was man von LAIBACH erwarten muss.

  1. Love Is Still Alive I (Moon, Euphoria)
  2. Love Is Still Alive II (Venus, Libidine)
  3. Love Is Still Alive III (Mercury, Dopamine)
  4. Love Is Still Alive IV (Neptune, Oxytocin)
  5. Love Is Still Alive V (Uranus, Prolactin)
  6. Love Is Still Alive VI (Saturn, Insomnia)
  7. Love Is Still Alive VII (Jupiter, Tristitia)
  8. Love Is Still Alive VIII (Mars, Dysphoria)

Nach 20-minütiger „Intermission“, in der – wie auch später vor den Zugaben – humorige „Winnetou“-Szenen über die Leinwand flimmern, geht es im zweiten Showteil mit einer umfassenden Werkschau „erwartbarer“, zugleich aber auch vielseitiger zu.

LAIBACH im Februar 2023 in MünchenNun wieder in Vollbesetzung stellen LAIBACH hier Stücke ihres Soundtracks zum Theaterstück „Also sprach Zarathustra“, ihres aktuellen Albums „Sketches Of The Red Districts“ und der Musical-Adaptation „Wir sind das Volk“ in eine Reihe mit alten („Smrt Za Smrt“) und neuen Hits („The Coming Race“) sowie Cover-Songs. Zusammengehalten durch die düstere Videoshow und Milans ernster Mine wirkt das Set dennoch überraschend konsistent. Dass Marina Mårtensson ihre großartige Stimme auch in diesem Set-Teil nur in ausgewählten Songs einbringen kann, während in vielen Passagen – etwa in „Smrt Za Smrt“ – die (ehemalige?) LAIBACH-Sängerin Mina Špiler in Bild und Tonspur eingespielt wird, ist etwas schade. Umso mehr begeistert dann Mårtenssons hinreißender Auftritt im finalen „Engine Of Survival“.

LAIBACH im Februar 2023 in MünchenBezeichnend ist auch, was dazwischen passiert: Dass LAIBACH bei ihrem Cover des Rolling-Stones-Klassikers „Sympathy For The Devil“ bei jedem „Devil“ Wladimir Putin einblenden, ist das wohl unmissverständlichste politische Statement, das man von der sonst stets mit Doppeldeutigkeiten spielenden Band seit langem zu sehen bekommen hat. Gerade in diesem Kontext wirken die letzten Worte von Milan Fras an diesem Abend wie eine sehr verbindliche Aufforderung: „Make Earth Great Again!“

  1. Ordnung und Disziplin (Müller versus Brecht)
  2. Ich bin der Engel der Verzweiflung
  3. Das Nachtlied I
  4. Als Geist
  5. Glück Auf!
  6. Lepo – Krasno
  7. Smrt Za Smrt
  8. Krvava Gruda – Plodna Zemlja
  9. Ti, Ki Izzivaš
  10. The Future (Leonard-Cohen-Cover)
  11. Sympathy For The Devil (The-Rolling-Stones-Cover)
  12. The Coming Race
  13. Engine Of Survival

Mag es auch nicht vorherzusehen sein, wie LAIBACH als nächstes klingen werden – eines kann man mit Gewissheit sagen: Unabhängig davon, welches Programm im Mittelpunkt steht, sind LAIBACH-Shows weit mehr als bloße Konzerte. Die eindrückliche Mixtur aus Satire, Politik und Apokalypse, aus bildgewaltigen Visualisierungen und Sounds zwischen feinsinnigem Minimalismus und brachialer Opulenz hinterlassen in ihrer Gesamtheit eine solche Vielzahl an Eindrücken, dass das Konzerterlebnis weit über das Ende des Auftritts hinausreicht.

LAIBACH im Februar 2023 in München

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Ein Kommentar zu “Laibach

  1. Mina Špiler ist Mutter geworden widmet sich erst einmal dem Nachwuchs.

    Marina Mårtensson war dann schon beim Sound of Music Konzert auf dem ich war der „Ersatz“ auf der Bühne. Was ich anfangs etwas schade fand, weil ich ein kleiner Mina-Fan bin, aber Frau Mårtensson hat eine tolle Stimme! :)

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