Konzertbericht: Leprous w/ Wheel, Aiming For Enrike

18.08.2022 Aschaffenburg, Colos-Saal

Tatsächlich hat es zehn Jahre gedauert, bis LEPROUS erneut ihren Weg nach Aschaffenburg gefunden haben. Die Location ist die gleiche wie damals, der rund 400 Leute fassende Colos-Saal. Das hat natürlich einen bitteren Beigeschmack, denn in anderen Ländern verkaufen LEPROUS inzwischen weitaus größere Hallen aus. Da dies ein zweimal verschobener Nachholtermin für ihre „20th Anniversary Tour“ ist, haben LEPROUS für einige wenige Gigs in Deutschland noch einmal die gleichen Support-Acts aktiviert wie vor zwei Jahren, nämlich WHEEL und AIMING FOR ENRIKE.

Bei AIMING FOR ENRIKE spielt der ehemalige Leprous-Schlagzeuger Tobias Ørnes Andersen, der die Band 2013 wegen anderweitiger privater Verpflichtungen verlassen hatte. Einigen dürfte er auch als Live-Drummer von Ihsahn bekannt sein. Bei dieser Tour darf Tobias nun nicht nur mit seiner Band AIMING FOR ENRIKE den Abend eröffnen, sondern später auch bei Leprous für die älteren Songs auf die Bühne kommen. Die Musikstile beider Bands könnten jedoch nicht unterschiedlicher sein. AIMING FOR ENRIKE spielen eine Art Elektronica mit Drum-Support. Sie selbst nennen sich „Maverick Ambient Electro Duo“.

Der Kopf der Band ist Gitarrist Simen Følstad Nilsen. Diesen sieht man allerdings die meiste Zeit am Boden kauern, denn dort stehen inmitten eines enormen Kabelsalats die Geräte, mit denen er die spacigen Beats abmischt. Man kann es sich wie einen DJ vorstellen, der aber ab und an auch die Gitarre in die Hand nimmt. Dazu zaubert Tobias avantgardistische Schlagzeug-Gebilde. Alles zusammen ergibt einen tanzbaren Elektro-Sound, der beinahe Disco-Stimmung aufkommen lässt. AIMING FOR ENRIKE spielen einige Tracks von ihrem neuen Album „Music For Working Out“. Die halbe Stunde, die sie zum Eröffnen haben, nutzen sie gut: Während einigen Besuchern das Erstaunen ins Gesicht geschrieben steht, tanzen andere verzückt vor sich hin.

  1. Moustache
  2. Don’t Hassle The Hoff
  3. Steam Yoga City
  4. Hard Dance Brainia
  5. Front Runner

Mit WHEEL aus Finnland wissen dennoch mehr Zuschauer etwas anzufangen. Obwohl die Prog-Metaller erst 2019 Ihr Debüt-Album „Moving Backwards“ herausgebracht haben, haben sie es geschafft, sich mit gezielten Festivalauftritten und Tour-Support bei namhaften Bands schnell einen Namen zu machen. Ihr 2021 erschienenes Album „Resident Human“ wurde in fast allen Prog-Metal-Magazinen extrem gehypt. Die große Stärke von WHEEL sind die eingängigen Melodien, die sich mit intensiven Gitarren-Passagen abwechseln. Auch die glasklare Stimme von Sänger James Lascelles bringt viele Besucher zum Schwärmen. Natürlich gibt es mit nur zwei Alben noch nicht so viele Songs zur Auswahl und auch showtechnisch gibt es auf der Bühne keine nennenswerten Highlights, aber zumindest glänzen WHEEL durch viel Hingabe und Inbrunst, während sie ihre verträumten, sphärischen Klangwelten darbieten.

  1. Hyperion
  2. Movement
  3. Dissipating
  4. Wheel

Glücklicherweise muss man nicht mehr erklären, wer hinter LEPROUS aus Norwegen steckt. Während andere Bands in den vergangenen Corona-Jahren in Sachen Touren eher vorsichtig waren, sind LEPROUS einfach losgezogen und haben es drauf ankommen lassen, ob sie durch Restriktionen gestoppt werden oder nicht. In Deutschland wurde dem natürlich ein Riegel vorgeschoben, sodass sie Teile ihrer „20th Anniversary Show“ von 2021 auf den Spätsommer 2022 verschieben mussten. Diese Gigs werden nun in Wien, München, Berlin und Aschaffenburg nachgeholt, obwohl in anderen Ländern bereits die Tour zu ihrem neuen Album „Aphelion“ angelaufen ist. Logistisch ist dies natürlich eine Herausforderung, denn die damaligen Support-Acts wurden wieder reaktiviert und die Setliste zum 20. Jubiläum musste auch wieder geprobt werden.


LEPROUS beginnen die Show mit einem Medley aus ganz alten Songs von Alben, die längst ausverkauft sind und den meisten Besuchern auch nicht bekannt sind. Nachdem bereits in Wien und München das beim eigentlich geplanten Song „Painful Detour“ benötigte Keyboard ausgefallen war (da es tatsächlich das originale, alte Keyboard ist, mit dem das Album „Bilateral“ aufgenommen wurde), hat die Band nun umgeplant und lässt den Song in Aschaffenburg sicherheitshalber aus. Dafür rutscht „Restless“ ins Set, ein furioses Stück vom „Bilateral“-Album (2011). Anders als in den anderen Städten kann in Aschaffenburg aufgrund von Platzmangel auch keine Leinwand aufgehängt werden, auf der normalerweise die ganze Show über alte Aufnahmen der Band zu sehen sind, um die 20-jährige Band-Geschichte zu feiern und zu dokumentieren. Im Gegenzug fühlt sich dieser Gig dafür etwas intimer an. Die Band spielt rund zwei Stunden lang von jedem ihrer acht Alben mindestens zwei Stücke. Für die alten Songs kommt Ex-LEPROUS-Schlagzeuger Tobias Andersen (jetzt bei AIMING FOR ENRIKE) erneut auf die Bühne und löst Baard Kolstad ab. Beim letzten Track „The Sky Is Red“ gibt es sogar doppelte Drums und beide Trommler spielen synchron, was ein viel Beifall erntendes Highlight der Show ist. Wie immer versucht Frontmann Einar Solberg die Stimmung aufzulockern, indem er kurze Anekdoten zu Songs oder der Band-Vergangenheit erzählt. Aber auch ernsthafte Worte über die Situation in der Ukraine fehlen nicht. Mit dem rasanten „The Sky Is Red“ endet die Show. Weitere Zugaben sind nicht geplant, aber das Publikum ist an diesem Punkt auch vollkommen zufrieden und stürmt den Merchandise-Stand.

  1. Medley (Nameless / An Outsiders Tale / Silent Waters / Eye Of The Storm / Disclosure)
  2. Passing
  3. Dare You
  4. Restless
  5. Forced Entry
  6. Foe
  7. The Valley
  8. The Price
  9. Slave
  10. Bonneville
  11. From the Flame
  12. Below
  13. Distant Bells
  14. Out of Here
  15. Nighttime Disguise
  16. The Sky Is Red


LEPROUS touren weiterhin unaufhörlich. Für die laufende Welt-Tour zum Album „Aphelion“, die im Frühjahr 2023 auch nach Europa und Deutschland kommen wird, wurden KALANDRA (deren Sängerin Katrine Stenbekk von Wardruna her bekannt sein könnte) sowie MONUMENTS  als Support gebucht. Die deutschen Tourdaten sind:

03.02.2023 Hamburg ,Gruenspan
04.02.2023 Köln, Essigfabrik
06.03.2023 München, Backstage Werk

Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin)

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