Konzertbericht: Kataklysm w/ Whitechapel, Fleshgod Apocalypse, Dyscarnate

01.12.2019 München, Backstage (Werk)

Seit 2016 ist die MTV Headbangers Ball Tour ein Fixtermin im Konzertkalender für Dezember. Dass KATAKLYSM Europa – nicht zuletzt ihrer Liebe zum deutschen Brauchtum des Weihnachtsmarkts wegen – ebenfalls am liebsten im Winter heimsuchen, dürfte den Veranstaltern in die Hände gespielt haben. So sind die Kanadier nach 2016 in diesem Jahr erneut mit von der Partie. Diesmal allerdings als Headliner, begleitet von WHITECHAPEL, FLESHGOD APOCALYSE und DYSCARNATE.

Als jährlicher Gast in Europa und ohne neues Album im Gepäck sind KATAKLYSM allerdings nicht unbedingt der zugkräftigste Headliner – und rund 45 € für das Ticket sind auch nicht gerade wenig. So hält sich das Publikumsinteresse an dem eigentlich illustren Billing in Grenzen: Das Backstage Werk in München muss mit Vorhängen und dem geschickt platzierten Merchandise-Stand merklich in seiner Größe reduziert werden, um den Eindruck einer gut besuchten Show zu erwecken.

Das gelingt jedoch erfreulich gut – und das schon zu früher Stunde: Bereits um 18:30 Uhr dürfen sich DYSCARNATE über eine ordentliche Fanschar im Bereich vor der Bühne freuen. Der wird von dem Trio aus Horsham südlich von London 40 Minuten lang technisch astreiner Death Metal geboten – mit viel Druck, allerdings wenig Abwechslungsreichtum. So braucht es schon einen sehr feinen Sinn für brutalen Sound, um sich von DYSCARNATE über die volle Spielzeit hinweg fesseln zu lassen. Für die ersten Moshpit-Versuche reicht es aber allemal, ehe der Gitarrenverstärker die Show nach 40 Minuten durch einen Defekt im letzten Riff-Duchgang beendet.

Bereits um 19:30 Uhr geht es mit den Exoten im heutigen Billing weiter: Um sich aus dem engen Korsett dreier Death-Metal-Bands zu befreien, lassen FLESHGOD APOCALYPSE bereits in der Umbaupause klassische Musik spielen. Der Versuch, das Publikum auf das, was kommt, einzustimmen, hat Erfolg: Obgleich nicht eben erwartbar, stoßen die Italiener beim Publikum auf offene Ohren. Wenngleich der Mix aus Black Metal, Dark Metal und Klassik – inklusive Operngesang – sicher nichts ist, was der durchschnittliche Konzertbesucher täglich hört, können FLESHGOD APOCALYPSE das Publikum schnell für sich begeistern. Der fast schon grenzwertig laute, aber dabei extrem klare Sound hilft hier sicher ebenso wie das rundum stimmige optische Konzept der Band und die Souveränität, mit der FLESHGOD APOCALYPSE die Bühne in der ihnen vergönnten Dreiviertelstunde in Beschlag nehmen.

In mehrfacher Hinsicht düster wird es im Folgenden bei WHITECHAPEL: Statt auf eine fulminante Lichtshow setzt die Band aus  Knoxville, Tennessee auf eine aufs Minimum reduzierte Ausleuchtung. Doch auch musikalisch gelingt es der 2006 gegründeten Truppe, eine extrem düstere Atmosphäre zu kreieren: Mit der Leichtigkeit eines Profiturners absolvieren WHITECHAPEL auch live den Spagat zwischen technischem Deathcore und fast melancholischem Post-Rock, der ihr aktuelles Album „The Valey“ ausmacht. So findet das gefühlvolle „Hickory Creek“ genauso seinen Platz im Set wie das brachiale „Black Bear“, um nur zwei der sechs Songs zu nennen, die es von der CD ins Liveset geschafft haben. Dass WHITECHAPEL mit knapp 40 Minuten kürzer auf der Bühne stehen als Fleshgod Apocalypse, erscheint da wie ein Statement: Nicht die Spielzeit ist entscheidend, sondern die Intensität, mit der man sie füllt. Und was das angeht, macht WHITECHAPEL heute keiner etwas vor.

  1. Forgiveness Is Weakness
  2. Brimstone
  3. Black Bear
  4. Third Depth
  5. When A Demon Defiles A Witch
  6. This Is Exile
  7. Hickory Creek
  8. Our Endless War
  9. The Saw Is The Law

Auch nicht – so ehrlich muss man sein – der Headliner KATAKLYSM, als diese nach unnötig langen 40 Minuten Umbaupause um 22:00 Uhr die Bühne entern. Konträrer könnten zwei Showkonzepte aber auch kaum sein: Statt wie Whitechapel auf Ansagen komplett zu verzichten und ausschließlich die Musik sprechen zu lassen, macht Maurizio Iacono zwischendurch den Eindruck als würde er am liebsten nur sprechen: Über seine Liebe zu Weihnachtsmärkten, der er auf der Tour bislang leider nicht nachgehen konnte, über die Dankbarkeit den Fans gegenüber, die viel Geld zahlen, um KATAKLYSM zu sehen, über (und mit) anwesende(n) Freunde(n), die extra aus Schweden angereist sind, und last but not least über das neue KATAKLSYM-Album, das bereits im Kasten ist und im August 2020 erscheinen wird.

Sympathisch macht das den Italo-Kanadier ohne Frage – allein die Musik kommt dabei fast etwas kurz: 14 Songs werden am Ende des nur gut 60-minütigen Auftritts zu Buche stehen – für eine Headlinershow ist das etwas mager. Wenn KATAKLYSM aber mal in Fahrt gekommen sind, ist die kanadische Death-Metal-Dampfwalze auch heute kaum aufzuhalten: Bislang ungespielte Songs von „Meditations“ („The Last Breath I’ll Take Is Yours“) oder „Of Ghosts And Gods“ („Marching Through Graveyards“) prügeln ebenso erbarmungslos auf die Trommelfelle ein wie die altbekannten Hits „Crippled & Broken“, „Let Them Burn“, „Prevail“ oder „In Shadows & Dust“. Und das – wie schon bei den vorangegangenen Bands – in ohrenbetäubender Lautstärke.

  1. Soul Destroyer
  2. The Ambassador Of Pain
  3. Thy Serpents Tongue
  4. The Black Sheep
  5. Guillotine
  6. As I Slither
  7. Narcissist
  8. The Last Breath I’ll Take Is Yours
  9. Marching Through Graveyards
  10. Prevail
  11. Crippled & Broken
  12. Let Them Burn
  13. In Shadows & Dust
  14. Elevate

Dass KATAKLYSM so gerne in Deutschland spielen, hat schon seine Gründe: Auch heute werden die Kanadier herzlich empfangen und noch herzlicher verabschiedet. Von einer Headliner-Show hätte man objektiv gesehen trotzdem etwas mehr erwarten dürfen – zumal WHITECHAPEL dem Quartett in nur 40 Minuten, aber mit deutlich mehr musikalischer Ausdruckskraft zumindest einen ordentlichen Schwung Butter vom Brot genommen haben. Schlussendlich zeigt das jedoch nur, dass das Tour-Package gut geschnürt ist – stilistisch abwechslungsreich und mit einem aufstrebenden Main-Support, der am Thron des altgedienten Headliners sägt. Der heimliche Gewinner solcher Duelle ist immer der Zuschauer.

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