Interview mit Maurizio Iacono von Kataklysm

Read the English version

Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende entgegen, doch ein Jubiläum ist noch zu feiern: Die kanadische Death-Metal-Instanz KATAKLYSM ist 30 Jahre alt geworden! Zum Geburtstag alles Gute – und 30 Fragen an Sänger Mauricio Iacono zu drei Dekaden Northern Hyperblast!

Danke, dass du dir Zeit genommen hast! 30 Jahre, 30 Fragen. Los geht’s!
1. Wie geht es dir?
Sehr gut!

2. Wie würdest du diese unglaubliche Zeitspanne von 30 Jahren KATAKLYSM zusammenfassen?
Es war eine unglaubliche Reise!

Kataklysm - Vortex3. Lass uns an den Anfang gehen: 1992 bis 1994 habt ihr mehrere Demos und EPs veröffentlicht – welche Erinnerungen verbindest du mit dieser Zeit?
Alles war neu in der extremen Welt. KATAKLYSM war extrem hungrig und wollte seine Zähne zeigen. Wir beschlossen, eine verrückte Band auf die Beine zu stellen, die für Aufsehen sorgen würde. Es gab kein Internet – es gab Läden, Tonträgerhandel, Papiermagazine. Die Welt war anders!

4. Wie seid ihr auf das KATAKLYSM-Logo mit dem Pentagramm und den Blitzen gekommen, das ihr heute noch verwendet?
Unser damaliger Schlagzeuger hat das ursprüngliche Design entworfen und Sylvain Houde, unser damaliger Sänger, hat es modifiziert. Da steht ja KATAKLYSM drum herum, was ziemlich cool und einzigartig ist. Der ursprüngliche Bandname, den Sylvain für die Band vorschlug, war CATACLYSMOS, was lateinisch für Cataklysm ist … ich mochte den Klang nicht … es klang wie Cosmos. Also schlug ich KATAKLYSM vor, die englische Version, mit K statt C. Das sieht besser aus … und es schwingt ein kleiner Kreator-Einfluss mit.

Kataklysm - The Mystical Gate of Reincarnation5. Eure EP „The Mystical Gate Of Reincarnation“ von 1993 wurde auf Nuclear Blast veröffentlicht – wie kam es damals zu dem Deal mit dem deutschen Label?
Sie hatten unser Demo erhalten, und Markus Staiger, der Besitzer, war begeistert davon – er hat es sofort als EP veröffentlicht! Wir haben „The Orb Of Uncreation“ als Bonustrack dafür aufgenommen. Die EP war für viele Jahre ein Bestseller bei Nuclear Blast.

6. Euer Debütalbum „Sorcery“ und das darauf folgende „Temple Of Knowledge (Kataklysm Part III)“ bilden zusammen mit der EP eine Trilogie. Für den Anfang ist das ziemlich ambitioniert, oder?
Wir haben einfach versucht, wir selbst zu sein und uns selbst zu finden. Das waren die primitiven Zeiten der Band, sie haben klassische Vibes in sich und es waren revolutionäre Platten für diese Zeit. Das Chaos und die verschiedenen Elemente, die zusammenkamen … aber wir hatten noch keine Erfahrung, also steckt da noch Unschuld drin.

7. Wie erklärst du dir, dass so viele junge Bands – so auch ihr – gleich auf ihren ersten Alben komplexe Konzepte umsetzen wollen – und wie, dass die meisten Bands das später nicht mehr tun?
Nun, sich ewig zu wiederholen ist keine gute Idee, wir sind auch als Musiker gereift und wollten mehr einprägsame Songs machen, anstatt nur extrem zu sein. Das ist der Schlüssel für Langlebigkeit!

Kataklysm - The Temple Of Knowledge8. Wessen Gesicht sehen wir auf dem Cover von „Temple of Knowledge“ – und warum?
Es ist Sylvain Houde … er dachte wohl, er sei der „Tempel des Wissens“. (lacht)

9. Mit eurem Live-Album von 1998 wurde der Begriff „Northern Hyperblast“ geprägt. Stimmt es, dass dies eine Anspielung auf Fear Factory ist?
Nein, Hyper steht für Geschwindigkeit, Blast für Kraft. Es war ein Begriff, der von Fans geprägt wurde. Zu dieser Zeit war KATAKLYSM wahrscheinlich die härteste/chaotischste Band der Welt!

10. Und wer hat das Drum-Pattern erfunden, das zu dem Namen führte?
Ariel Martinez hat diesen Blast Beat zufällig erfunden, weil er die Kick als Metronom benutzt hat, um den Takt der Songs zu halten. Das gab Max die Möglichkeit, später auch schneller zu werden und die Grenzen auszuloten … es war eine neue Sache und wir haben sie beibehalten.

11. Nach diesem Album verließ Sylvain Houde die Band. Was war der Grund dafür – und wie kam es dazu, dass du den Gesang übernommen hast?
Wie bei einer Ehe entwickeln sich auch Bands manchmal einfach auseinander. Die Visionen waren nicht dieselben, Sylvain kämpfte mit psychischen Problemen, die letztendlich das gemeinsame Arbeiten und die sozialen Aspekte der Band ruinierten. Wir haben die Band für ein Jahr aufgelöst und als vierköpfige Gruppe neu gestartet, und da ich bereits Backing Vocals gemacht habe, ergab es für mich mehr Sinn, den Gesang zu übernehmen.

Kataklysm - Victims Of This Fallen World12. „Victims Of This Fallen World“ war dann völlig anders: Sowohl optisch als auch vom Songwriting her wirkt alles viel moderner – und es war eben auch das erste Album, auf dem du gesungen hast. Bitte beschreibe diese Zeit, offensichtlich gab es ja große Veränderungen?
Wir befanden uns in einer neuen Phase der Selbstfindung, des Wiederaufbaus der Band, und wir wollten etwas, das die Band von der Vergangenheit und Sylvain abgrenzt. Es war fast ein Album „Death Metal trifft Melodic Hardcore“-Album. Unsere Einflüsse änderten sich, aber es wurde langsam Teil des neuen Konzepts, für zukünftige Veröffentlichungen diesen kommerziellen Sound mit dem früheren, aggressiven Stil der Band zu kombinieren.

13. Was für eine Botschaft wolltet ihr der Welt mit dem fast punkigen Cover und dem Albumtitel vermitteln?
Dass wir uns verändern und dass wir uns einen Dreck um alles andere scheren. Wir hatten nichts zu verlieren und alles zu gewinnen!

14. Es ist euer einziges Studioalbum, das nicht bei Nuclear Blast erschienen ist. Wie kam es dazu? Warum seid ihr damals von dort weggegangen – und so schnell wieder zurückgekommen?
Wir hatten uns als Band wie gesagt kurzzeitig aufgelöst, Nuclear Blast machte ebenfalls Veränderungen durch, wir waren während der „Temple Of Knowledge“-Kampagne nicht einer Meinung. Also beschlossen wir, bei einem kanadischen Label zu unterschreiben und uns eine gewisse Freiheit in der Art und Weise zu bewahren, wie wir das Geschäft angehen. Es war eine gute Erfahrung, aus der wir lernen konnten und die die Voraussetzungen für die Rückkehr zu Nuclear Blast schuf.

kataklysm - The Prophecy (Stigmata of the Immaculate)15. „The Prophecy (Stigmata Of The Immaculate)“ war das erste Album, das mit einem Filmsample anfängt – der Beginn einer langjährigen Tradition. Wie kam das damals zustande – und wie ist das eigentlich rechtlich, darf man das einfach so machen?
Samples können, wenn sie unter einem bestimmten Zeitlimit liegen, frei verwendet werden. Mit „Prophecy“ haben wir angefangen, wieder mehr von dem alten Vibe einzubauen und das Groove-Element von „Vicims“ beizubehalten. Außerdem haben wir angefangen, die Songstrukturen zu vereinfachen und weniger chaotisch zu gestalten.

16. Im Jahr 2001 wurde „Epic (The Poetry Of War)“ veröffentlicht – viele Fans sehen darin den Auftakt zu eurer karrierebestimmenden Phase. Stimmt das? Was verbindest du heute mit diesem Album?
Mit diesem Album kamen mehr melodische Einflüsse hinzu und es war der Beginn der neuen Richtung der Band. „Manipulator Of Souls“ war sofort ein Hit und wurde schnell zu einem Favoriten der Fans.

17. Warum lieben die Fans das folgende „Shadows & Dust“ so sehr – wie erklärst du dir diesen Erfolg?
Das ist das Durchbruchsalbum, das nächstes Jahr 20 Jahre alt wird! Dieses Album kam zu einer Zeit, als sich die Szene vom brutalen Death Metal zum melodischen Death Metal verschob, und wir waren zur richtigen Zeit da … alles fügte sich perfekt zusammen!

18. „Shadows & Dust“ kam 2002 heraus, „Serenity In Fire“ folgte 2004 … die Geschwindigkeit, mit der ihr damals Alben veröffentlicht habt, ist enorm. Wie war das möglich, wie konntet ihr das kreativ, aber auch mit den Aufnahmen und Tourneen bewältigen?
Das Album war der Anfang von dem, was wir „die Trifecta“ nennen: „Shadows & Dust“, „Serenity In Fire“ und „In The Arms Of Devastation“ – ein Triumphzug nach dem anderen, der KATAKLYSM explodieren ließ. Wir waren viel für „Epic“ auf Tour und das Feuer und die Einflüsse begannen stark zu brennen. Wir gingen aufs Ganze und beschlossen, dass wir, so lange wir nur genug Ideen haben, Platten herausbringen und pushen werden.

19. Wann habt ihr beschlossen, nicht mehr „normalen“ Jobs nachzugehen, sondern alles auf eine Karte zu setzen und euer Glück auch finanziell mit der Band zu versuchen?
Wir haben bei „Epic“ beschlossen, dass wir alles geben müssen, wenn wir das hauptberuflich machen wollen. Deshalb kam diese Lawine von Platten und alles kam so richtig ins Rollen.

Kataklysm - In The Arms Of Devastation Cover20. „In The Arms Of Devastation“ war das erste Album, das ihr nicht alleine produziert habt. Was hat zu dieser Entscheidung geführt – und seid ihr aus heutiger Sicht damit zufrieden?
Wir wiederholen uns nicht gerne und wir brauchten jemand Neues. JF [Jean-François Dagenais, A. d. Red.] war erschöpft davon, 150 bis 200 Shows im Jahr zu spielen und dazu noch unsere Alben zu produzieren. Und das war ein guter Schritt: Tue Madsen hob unsere Produktion auf ein neues Level und öffnete uns mehr Türen – „In The Arms Of Devastation“ war zusammen mit „Prevail“ unser meistverkauftes Album … und das direkt nacheinander!

21. Das Album war auch euer erster Chart-Erfolg – Platz 76 in Deutschland. Wie erklärst du dir das?
Damals war 76 so etwas wie jetzt die Top 10! Ich denke, wir hatten eine starke Live-Show und wir hatten eine lyrische und musikalische Verbindung zu unseren Fans: Wenn du zu einem KATAKLYSM-Konzert kamst, spürtest du Energie, du fühltest dich glücklich und es war eine coole Nacht mit einer Band, die es liebte, mit dir dort zu sein. Das war wichtig – das war uns wichtig und kam ganz natürlich. Wir sind heute immer noch dieselbe Band, die das alles aus denselben Gründen tut: Wir lieben die Bühne und die Fans wissen das.

22. Das Album war auch die Geburt des „Heartbeast“. Ich habe mal gelesen, dass der Originalzeichner nicht so glücklich darüber war, dass die Kreatur auf „Prevail“ von jemand anderem gezeichnet wurde. Stimmt das?
Nein, wir fanden nur, dass das ursprüngliche Biest am besten gezeichnet war. Aber sie haben alle ihre eigene Persönlichkeit, und das letzte Exemplar für „Unconquered“ ist echt der Hammer, finde ich.

23. „Heaven’s Venom“ hat ein ziemlich kitschiges Cover. Was denkst du: War das ein Grund dafür, dass das Album nicht wirklich eingeschlagen hat?
Ich weiß nicht, ob es kitschig ist … aber „Push The Venom“ und „Ath The Edge Of The World“ von diesem Album sind zwei von KATAKLYSMs größten Songs überhaupt. Und es war ein Erfolg … aber ich stimme zu, dass das Cover besser hätte sein können.

24. Ihr wart damals auch ständig auf Tour – habt ihr es vielleicht ein bisschen übertrieben, den Markt sozusagen übersättigt?
Vielleicht haben wir das. Ich denke, manchmal brauchen die Fans auch eine Pause – selbst wenn sie die Band lieben. Das ist wichtig. Wir lernen mit jedem Schritt dazu.

25. Mit „Waiting For The End To Come“ gingen die Verkaufszahlen deutlich zurück, bei „Of Ghosts And Gods“ habt ihr ein paar neue Dinge ausprobiert und es ging wieder aufwärts. Aus heutiger Sicht: Seid ihr damals zu selbstgefällig geworden?
Ich denke, der Wechsel des Schlagzeugers hatte in gewissem Maße Einfluss darauf, da er die Band ein wenig verändert hat. Und ich denke, „Waiting For The End To Come“ ist eher ein obskures Album, obwohl „If I Was God I’d Burn It All“ und „Elevate“ starke Songs von diesem Album sind. Ich halte es nicht für unser bislang bestes, aber es ist trotzdem ein wichtiges Album. „Of Ghosts And Gods“ war eine schwierige Zeit in meinem Leben, in der sich vieles verändert hat. Als ich mich daran machte, das Album zu schreiben, hatte ich einiges zu sagen, und wir kamen mit einem starken Konzept ins Studio. „The Black Sheep“ ist mittlerweile der größte Hit der Band. Der Song fand bei den Metallern enormen Anklang. Das Album war Album des Monats im Hammer, erreichte hohe Chartplatzierungen und war sofort ein Klassiker. Und obendrein haben wir in Kanada damit den JUNO Award, vergleichbar mit dem Grammy, für das beste Heavy Metal Album gewonnen!

26. Ich empfand „Medidations“ dann als eine Art Befreiungsschlag – war es das auch aus Sicht der Band?
Mit „Meditiations“ kehrten wir zu einem melodischeren Songwriting zurück, ließen einige moderne Elemente einfließen und wählten eine andere, leichtere Art der Produktion, die mehr von den Gitarren geprägt ist. Das Album lief sehr gut für uns und brachte uns einige der besten Zahlen – besonders beim Streaming.

27. Euer aktuelles Album „Unconquered“ konnte da nicht mithalten, zumindest was die Verkaufszahlen angeht. Was war der Grund dafür?
Nun, ein Album mitten in einer Pandemie zu veröffentlichen ist nicht der beste Plan, aber wir fanden, die Band sollte auch die Fans unterstützen. Corona war brutal und wir wollten das Album unbedingt veröffentlichen. Es gab natürlich einige Probleme mit geschlossenen Läden und Verzögerungen bei der Auslieferung, aber der Song „Underneath The Scars“ ist jetzt der am meisten gestreamte Song in der Karriere der Band und hat kürzlich „The Black Sheep“ auf Spotify überholt! Die Band ist in guter Verfassung und wir haben uns mit „Unconquered“ modernisiert. Es gibt sehr große Songs auf diesem Album, die, sobald wir sie live richtig promoten können, explodieren werden – „The Killshot“, „Focused To Destroy You“, „The Way Back Home“ und „Icarus Falling“ etwa. Nicht vergessen: Wir sind eine Live-Band, also richten wir unser Material darauf aus!

28. Das Heartbeast ist zurück, dafür ist euer bisheriger Drummer Olivier Beaudoin gegangen. Wie kam es zu dieser Trennung?
Wir haben uns während der Pandemie zerstritten und hatten schon vorher einige Kommunikationsprobleme und Richtungsstreitigkeiten. Daher hielten wir es für das Beste, dass wir auf freundschaftliche Art und Weise auseinander gehen.

29. Ihr habt nur einen Ex-Sänger und einen Ex-Gitarristen … aber sieben ehemalige Schlagzeuger – das ist ja fast wie in „Spinal Tap“! Wie erklärt ihr euch das?
Manche haben Probleme auf dem Sängerposten, wir hatten Probleme auf der Position des Schlagzeugers. So ist das Leben. (lacht) Jetzt haben wir einen fantastischen Schlagzeuger, James Payne, der auf der Bühne und auch von seiner Persönlichkeit her perfekt zu uns passt.

30. Drei Dekaden KATAKLYSM sind Geschichte – was ist euer Plan für die nächsten 20 Jahre?
Ich weiß es nicht – aber die Band wird weniger unterwegs sein. Wir werden uns in Zukunft mehr auf Festivals und kleinere Touren konzentrieren. Das ist der Plan. Man wird KATAKLYSM also nicht mehr so oft in Europa touren sehen wie früher. Und es wird mehr Musik von EX DEO geben, bevor es wieder neues Material von KATAKLYSM geben wird.

Vielen Dank für das Interview. Lass uns mit unserem traditionellen Brainstorming schließen:
Kanada: Kanadischer Speck
Dein Lieblings-Death-Metal-Album: Deicide – „Once Upon The Cross“
Deutschland: Bier
Dein liebstes Nicht-Metal-Album: Das schwarze Album von Metallica (lacht)
Corona:  Dieses verdammte Wort!
Das beste KATAKLYSM-Album: „Of Ghosts And Gods“ und „In The Arms Of Devastation“, gleichauf.

Hat du noch eine abschließende Botschaft an unsere Leser?
Danke! Verliere nie den Glauben an das, was du bist – besonders wenn du das schwarze Schaf in deinem Umfeld bist. Und schütze deine Freiheiten. Darum geht es im Metal!

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert