Konzertbericht: Slipknot w/ Disturbed, I Prevail

24.06.2023 München, Königsplatz

Als SLIPKNOT für 2022 ihr erstes Knotfest Germany ankündigten, war die größte Überraschung der Termin, wenige Monate vor dem Release ihres Albums „The End, So Far“. Knapp ein Jahr später sind die Maskenmänner nun zurück in Deutschland – mit neuen Songs und einem mysteriösen neuen Bandmitglied – aber ohne Mastermind Shawn „Clown“ Crahan, der aus familiären Gründen aussetzen muss.

Ein kurzfristiger Besetzungswechsel und die temporäre Unpässlichkeit eines weiteren Musikers würden die meisten anderen Bands vor ernstliche Probleme stellen – nicht so SLIPKNOT. Mit packenden Shows in Hamburg und Berlin haben die nurmehr acht Maskenmänner unmissverständlich klar gemacht: Diese Band lässt sich allenfalls aufhalten, indem man ein ganzes Festival absagt (wie im Falle des Download Germany).

Da kommt es gerade recht, dass im März noch ein zusätzliches Deutschland-Konzert bestätigt wurde: Als einzige Open-Air-Einzelshow, und dann auch noch auf dem altehrwürdigen Königsplatz in München, steht wohl auch für die Musiker ein Tour-Highlight bevor. Trotzdem wird man vor Ort das Gefühl nicht los, das Interesse an der Show könnte hinter den Erwartungen zurückbleiben: An den Eingängen wie auch auf dem Gelände ist kurz vor Veranstaltungsbeginn nur wenig los und an der Abendkasse gibt es noch Tickets – Pech für all jene, die sich im Vorverkauf verzockt haben und nun in großer Zahl versuchen, überzählig erworbene Karten loszuwerden.

Am Ende ist es aber wohl vor allem einem Kommunikationsdebakel zuzuschreiben, dass sich das Gelände nur schleppend füllt: In diversen lokalen Zeitungen (etwa dem Münchner Merkur) war „Einlass 18:30 Uhr/Beginn 19:00 Uhr“ zu lesen – tatsächlich öffnet das Gelände bereits um 16:30 Uhr.

Die Leidtragende sind – neben den Bierverkäufern – vor allem I PREVAIL, deren 30-Minuten-Set nämlich um 18:30 Uhr endet: In der Hitze des ausklingenden Tages legen die Amerikaner zwar einen engagierten Auftritt hin, Stimmung will zumindest im höchstens halbvollen FOS-Bereich trotzdem nicht so recht aufkommen. Allerdings wirken I PREVAIL (wie schon Sleep Token in Berlin/Hamburg) auch etwas deplatziert: Mögen SLIPKNOT zuletzt auch viele melodische Songs geschrieben und sich ein sehr junges Publikum erarbeitet haben – der poppige Ansatz der Metalcore-Boyband geht stellenweise arg am Thema des heutigen Abends vorbei. Dass I PREVAIL für ein nur kurz angespieltes „Reign in Blood“ den meisten Zuspruch erhalten, bestätigt diesen Verdacht. Hier hätte es definitiv passendere Vorbands gegeben. Immerhin: Eine halbe Stunde lang lässt sich der wenig einfallsreiche, aber zumindest solide Metalcore der Band gut aushalten.

  1. Bow Down
  2. Body Bag
  3. Self-Destruction
  4. Bad Things
  5. Come And Get It
  6. Raining Blood (Slayer-Cover, nur Intro)
  7. Judgement Day
  8. Choke
  9. Gasoline

DISTURBED 2023 auf dem Königsplatz in MünchenDarüber, wie gut der nächste Programmpunkt auszuhalten ist, lässt sich hingegen trefflich streiten. Mit DISTURBED wurde München-exklusiv ein Nu-Metal-Urgestein dazugebucht. Leider zeigt der rund 70-minütigen Auftritt sehr deutlich, warum die Band aus Chicago – verglichen mit ehemaligen Weggefährten wie Korn oder eben SLIPKNOT – mittlerweile weitestgehend in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist. Schon das Setting wirkt lieblos: Im Gegensatz zu I PREVAIL haben DISTURBED nicht einmal ein eigenes Backdrop dabei, die schlichten Outfits der vier Musiker wirken völlig generisch. Und die Fans bei strahlendem Sonnenschein um ein Lichtermeer aus Handys und Feuerzeugen zu bitten, zeigt vor allem eines: Hier spult eine Band stumpf ihr Programm ab – und mag das im heutigen Setting auch noch so unpassend sein.

DISTURBED 2023 auf dem Königsplatz in MünchenDas gilt auch für die Musik: Mit wenigen Ausnahmen plätschert der (zudem sehr leise abgemischte) Hard Rock, dem sich die Truppe mittlerweile zugewendet hat, aus den Boxen – vom Publikum wie in der stillen Übereinkuft ertragen, dass am Ende des quälend lang(weilig)en Sets mit „Down With The Sickness“ der eine Hit kommt, von dem DISTURBED bis heute zehren.

DISTURBED 2023 auf dem Königsplatz in MünchenUnd tatsächlich: Als es endlich soweit ist, ist auf dem Königsplatz doch noch für knapp drei Minuten kollektives Ausrasten angesagt. Davor gilt es jedoch, 13 belanglose Eigenkompositionen und zähe Cover auszuhalten: Die DISTURBED-Version von „Land Of Confusion“ (Genesis) ginge als Bewerbung für „Rock Meets Classic“ durch. Die Mental-Health-Ansage nach „A Reason To Fight“ mag noch so wichtig sein – die Ergriffenheitstränchen nimmt man David Draiman nach unzähligen vergleichbaren Performances aber dann doch nicht mehr so ganz ab. Und spätestens bei der mit Pauken, Piano und Streichern vorgetragenen Radioschnulze „The Sound Of Silence“ von Simon & Garfunkel muss die Frage erlaubt sein, ob DISTURBED 2023 wirklich noch die richtige Band sind, um SLIPKNOT-Fans einzuheizen.

  1. Hey You
  2. Stupify
  3. Ten Thousand Fists
  4. Prayer
  5. Are You Ready
  6. A Reason To Fight
  7. Land Of Confusion (Genesis-Cover)
  8. The Game
  9. The Sound Of Silence (Simon-&-Garfunkel-Cover)
  10. Indestructible
  11. The Light
  12. Stricken
  13. Down With The Sickness

Nach dieser Enttäuschung geht es um kurz vor 21:00 Uhr direkt mit einer Panne weiter: Der Vorhang mit dem SLIPKNOT-Logo lässt sich erst nur zur Hälfte hochziehen – ist er dann aber erst einmal oben, fällt er nicht wie geplant mit einem Knall, sondern muss von den Bühnenhelfern rabiat heruntergerissen werden, um den Blick auf die Bühne mit ihren imposanten Percussion-Aufbauten und der gigantischen LED-Leinwand freizugeben.

Immerhin: Das Intro „Prelude 3.0“ dauert lang genug, dass der eigentliche Showbeginn nicht gestört wird – und spätestens, als SLIPKNOT – angeführt von Drummer Jay Weinberg – unter ohrenbetäubendem Jubel die Bühne betreten und mit „The Blister Exists“ loslegen, ist sowieso alles, was zuvor geschehen war, vergessen.

SLIPKNOT 2023 auf dem Königsplatz in München
Jay Weinberg mit SLIPKNOT 2023 auf dem Königsplatz in München

Mit „The Dying Song (Time To Sing)“ gibt es anschließend auch gleich den ersten „neuen“ Song zu hören – allerdings wurde dieser bereits 2022 als Vorgeschmack auf das Album live gespielt.

SLIPKNOT 2023 auf dem Königsplatz in MünchenDass es „The End, So Far“ ansonsten nur „Yen“ gespielt wird, ist überraschend, bedeutet aber nicht, dass SLIPKNOT sich auf ein Standard-Set verlassen – im Gegenteil: Verglichen mit der letzten Tour sind acht Stücke (also die Hälfte des Sets) neu; darunter lange nicht gehörtes Material wie „Liberate“, „The Blister Exists“ und „Purity“ (allesamt zuletzt 2015 live gespielt), die Ballade „Snuff“ oder das eigentlich obligatorische „Wait And Bleed“, das SLIPKNOT auf dem Knotfest 2022 unerklärlicher Weise gestrichen hatten.

SLIPKNOT 2023 auf dem Königsplatz in MünchenZusammen mit weiteren Klassikern wie „The Heretic Anthem“, „Psychosocial“, „People = Shit“ oder „Surfacing“ ergibt das eine Setlist, wie sie sich gerade langjährige Fans nur wünschen können. Dass der Sound zunächst ziemlich matschig ist und generell (dem Setting einer Open-Air-Show in der Innenstadt entsprechend) eher leise bleibt, ist etwas schade, aber keine Erklärung für die einmal mehr eher verhaltenen Reaktionen des Münchner Publikums. Denn SLIPKNOT feuern im wortwörtlichen wie auch übertragenen Sinne aus allen Rohren.

SLIPKNOT 2023 auf dem Königsplatz in MünchenOptisch mit Pyrotechnik und spannenden Visualisierungen aufgewertet, geben insbesondere DJ Sid und der nunmehr gar nicht mehr neueste „New Guy“ aka. Tortilla Man Pfaff alles, um das Publikum zu unterhalten: Während ersterer, seinen eigenen Kopf am Schopf herumwirbelnd Stargast jeder Geisterbahn wäre, begeistert der quirlige Pfaff durch allerlei halsbrecherische Einlagen. So schade auch ist, dass Chris Fehn nicht mehr dabei ist, so interessant ist, dass ausgerechnet der „New Guy“ den chaotischen Spirit der Band verkörpert wie niemand anderes. Der neueste „New Guy“ hingegen fügt sich auch in Sachen Performance in die Rolle seines Vorgängers: Ein paar Mal zeigt er den Metal-Gruß, ansonsten bleibt der mysteriöse Mann mit der Bondage-Maske so unscheinbar wie sein Vorgänger Craig.

  1. The Blister Exists
  2. The Dying Song (Time To Sing)
  3. Liberate
  4. Yen
  5. Psychosocial
  6. The Devil In I
  7. The Heretic Anthem
  8. Eyeless
  9. Wait And Bleed
  10. Unsainted
  11. Snuff
  12. Purity
  13. People = Shit
  14. Surfacing
  15. Duality
  16. Spit It Out

SLIPKNOT 2023 auf dem Königsplatz in München
Sid Wilson mit SLIPKNOT 2023 auf dem Königsplatz in München

Um halb elf setzen SLIPKNOT schließlich zum großen Finale an, auf „Surfacing“ folgen als Zugaben die Über-Hits „Duality“ und „Spit It Out“ – letzterer selbstverständlich inklusive des „Jump the fuck up“-Rituals. Nach rund 100 Minuten und 16 Songs ist dann auch wirklich alles gesagt: Ein letztes Mal vereinen sich Bühnennebel und der im Pit aufgewirbelte Staub, dann verabschieden sich Corey Taylor und seine Mitstreiter, um, wie „echte Münchner“, für einen Kurztrip gen Italien aufzubrechen: Dort warten die „Maggots“ schon sehnlich auf das erste Knotfest Italy.

SLIPKNOT 2023 auf dem Königsplatz in München
Mick Thomson mit SLIPKNOT 2023 auf dem Königsplatz in München

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