Konzertbericht: Slipknot w/ Behemoth

09.02.2020 München, Olympiahalle

Eigentlich wollten SLIPKNOT schon mit ihrer Tour im Juni 2019 ihr neues Album bewerben. Der Plan ging nicht auf, „We Are Not Your Kind“ kam erst im August in die Läden. Für die Fans in Europa ein Segen – kommen die Maskenmänner nun doch schon früher als erwartet zu weiteren Shows nach Deutschland zurück. Diesmal mit mehr Songs von „We Are Not Your Kind“ im Set und den polnischen Black-Deathern BEHEMOTH als Support.

Black Metal im Vorprogramm einer Nu-Metal-Band klingt zunächst nach einem ziemlich schrägen Genre-Mix. Auf den zweiten Blick passen BEHEMOTH, die seit Jahren mit großer Show und extremer medialer Präsenz auf das große Publikum abzielen, perfekt zu den Superstars aus Amerika. In der Theorie wie auch in der Praxis: Mit einer wahren Materialschlacht aus LED-Leinwänden, Masken, Feuer, Nebel, Kunstblut und aufwendigen Kostümen gelingt es BEHEMOTH, in den ihnen zuerkannten 45 Minuten schon rein optisch ein Spektakel abzufeuern, wie man es von einer Vorband selten erlebt hat.

Wer BEHEMOTH kennt, dürfte sich darüber nicht weiter wundern: Zum einen sind aufwendig inszenierte Shows hier schon lange der Schlüssel zum Erfolg, zum anderen ist Fronter Nergal gnadenloser Pragmatiker. Und als solcher dürfte er schnell erkannt haben, dass man große Geschütze auffahren muss, wenn man vor Slipknot spielt und den Zuschauern trotzdem im Gedächtnis bleiben will. Ob sich die Tour für BEHEMOTH bei diesem Aufwand finanziell noch rentiert, ist fraglich. Für ihren Bekanntheitsgrad aber definitiv: Mit dieser eindrucksvollen Inszenierung dürften die Polen viele der Zuschauer als Fans für sich gewonnen haben.

  1. Wolves Ov Siberia
  2. Daimonos
  3. Ora Pro Nobis Lucifer
  4. Bartzabel
  5. Rom 5:8
  6. Blow Your Trumpets Gabriel
  7. Ov Fire And The Void
  8. Chant For Eschaton 2000
  9. Coagvla

Doch wie erwartet sind Behemoth heute nicht die einzigen, die auf die große Show setzen. Das wird schnell klar, als um kurz nach 21:00 Uhr der Vorhang herabgelassen wird und SLIPKNOT nach dem „We Are Not Your Kind“-Intro „Insert Coin“ mit „Unsainted“ loslegen: Riesige LED-Leinwände, ein modern-industrielles Stage-Design mit verschiedenen Ebenen und die eindrucksvoll auf Plexiglassäulen montierten Percussion-Sets – schon die Bühne von SLIPKNOT macht einiges her. Dazu setzen SLIPKNOT auf den gewohnten und erprobt effektvollen Mix aus Pyrotechnik und der optischen Wirkung ihrer Outfits: Mal prügelt der Clown mit brennendem Baseballschläger auf ein Blechfass, mal schießt Alex Venturella alias V-man mit einem an seinen Bass montierten Rammstein-Gedächtnis-Flammenwerfer meterlange Stichflammen über die Bühne. Und zwischen den anderen Musikern wuseln Sid und der Tortilla Man über die Bühne und sorgen mit ihrem creepy Look für Horrorfilm-Atmosphäre.

Die Atmosphäre der Show im Ganzen leidet allerdings etwas darunter, dass SLIPKNOT alle paar Songs komplett von der Bühne verschwinden und bestenfalls Sid an den Turntables zurücklassen. Doch mit dieser Unsitte der mutwilligen Showunterbrechung sind SLIPKNOT ja längst nicht alleine. Auch sonst ist die Überbrückung der Zeit zwischen den Songs nicht unbedingt die Paradedisziplin von SLIPKNOT. So sind auch Coreys Ansagen häufig generisch und einfallslos: Weit über „Wie geht es euch“ (in Deutsch und Englisch) oder das obligatorische „Ohne euch wären wir nichts“ geht es nicht hinaus. Aber was soll’s – am Ende geht es um die Musik – und musikalisch wissen die neun Amerikaner auch heute wieder zu begeistern: tight, brachial und offensichtlich mit viel Spaß an ihrem Job. Etwa wenn Corey eine auf die Bühne geworfene Alter-Mann-Maske aufzieht und etwas schauspielert oder wenn V-man dem Tortilla Man die Drumsticks entgegenbringt, sie dann aber nicht loslassen will.

Vor allem aber ist es die Setlist, die heute restlos zu begeistern weiß: Fünf neue Songs stehen fünf Songs des selbstbetitelten Debüts gegenüber, dazu kommen je drei Stücke von „Iowa“ und „Vol. 3: (The Subliminal Verses)“ sowie der früh zum Klassiker avancierte Brecher „Psychosocial“ von „All Hope Is Gone“. Dass neues und 20 Jahre altes Material so gut zusammenpasst, ist keine Selbstverständlichkeit – und zeigt einmal mehr, wie sehr sich die Band auf „We Are Not Your Kind“ ihrer frühen Stärken besonnen hat. So fügen sich Stücke wie „Nero Forte“ oder der Non-Album-Track „All Out Life“ perfekt zwischen die frühen Hits. Dass „Wait & Bleed“ wieder in die Setlist gerutscht ist und mit „New Abortion“ und „Eeyore“ zwei seltener gespielte Songs Erwähnung finden, scheint allerdings vornehmlich die älteren Fans zu freuen: Beim Großteil des Publikums sorgen „Unsainted“ oder besagtes „Psychosocial“ für deutlich lautere Begeisterungsstürme.

  1. Unsainted
  2. Disasterpiece
  3. Eeyore
  4. Nero Forte
  5. Before I Forget
  6. New Abortion
  7. Psychosocial
  8. Solway Firth
  9. Vermilion
  10. Birth Of The Cruel
  11. Wait And Bleed
  12. Eyeless
  13. All Out Life
  14. Duality
  15. (sic)
  16. People = Shit
  17. Surfacing

Dass SLIPKNOT auf dieser Tour erstmalig seit langem auf „Spit It Out“ und damit das „Jump the fuck up“-Ritual verzichten, überrascht – in Anbetracht der vielen neu ins Set gerutschten Höhepunkte ist das aber leicht zu verkraften. Zumal das Publikum heute – anders als beim letzten Gastspiel der Band in München 2016 – die ganze Show über alles gibt und den Moshpit fast durchgängig am Leben erhält. Die knapp 100 Minuten vergehen so wie im Flug. Und schon während der obligatorisch finalen new international fucking anthem „Surfacing“ dürfte sich so mancher Fan überlegen, wann und wo er SLIPKNOT das nächste Mal erleben kann.

Abseits der Tour bestätigte Deutschland-Termine:

31.07.2020 – Köln, RheinEnergieStadion (nur wenige Restkarten verfügar)
01.08.2020 – Berlin, Waldbühne (nur wenige Restkarten verfügar)

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