Konzertbericht: Spock’s Beard w/ Kino

2005-03-17 N8, Osnabrück

Als ich eine halbe Stunde vor Einlass vorm Eingang des N8 erschien, waren dort so ca. 15 Leute versammelt. Es waren sogar Besucher aus Holland angereist. Kurz nach 19 Uhr wurden wir dann auch reingelassen und konnten dem Soundcheck der neuen „Prog-Supergroup“ KINO lauschen, die an diesem Abend die Rolle des Openers übernahm. Insgesamt füllte sich die kleine, aber vom Ambiete her sehr feine „Halle“ dann mit ca. 350 Leuten.

Um 20:15 Uhr fingen KINO dann mit ihrem ca. 45-minüten Set an, welches logischerweise „nur“ Songs aus ihrem vor kurzem erschienen Debütalbum „Picture“ enthielt. Neben Highlights wie „Loser’s Day Parade“ und „Leave A Light On“ fehlten mir hier aber vorallem die zwei Hammersongs „Holding On“ und „All You See“. Die Band wirkte zumindest musikalisch sichtbar bemüht, hatte allerdings mit ein paar technischen Probleme im Keyboarddepartment zu kämpfen; der Sound war etwas undifferenziert, vorallem der Bass von Marillions Pete Trewavas war viel zu laut. Darunter litt ein wenig der Gesang von John Mitchell, seines Zeichens Gitarrist bei Arena, der auch bei KINO die Klampfe bedient. It Bites-Keyboarder John Beck sah, wie auch John Mitchell, etwas lustlos aus und spielte seine Passagen mehr oder weniger motiviert runter. Insgesamt haben nur Pete Trewavas und der Aushilfsdrummer, dessen Namen ich leider vergessen habe, das Geschehen interessant,lebhaft und vorallem attraktiv gemacht. Die Songs gefallen mir auf Platte dann doch deutlich besser.

Um 21:30 Uhr war es nach einer halbstündigen Umbauphase dann soweit: Spock’s Beard enterten mit ihrem neuen Longtrack „A Flash Before My Eyes“ die Bühne. Im Vorfeld war ich mir reichlich unsicher, was ich denn nun zu erwarten hatte. Auf der letzten Tour, der ersten ohne Ex-Mastermind Neal Morse, präsentierte sich die Band nicht sonderlich tight oder gut eingespielt, mit vielen Spielfehlern und wenig Konzentration. Vorallem Gitarrist Alan Morse und Keyboarder Ryo Okumoto schienen damals mit ihren Parts überfordert zu sein. Insgesamt war der Sound gleich eine ganze Klasse besser, als bei KINO, allerdings immer noch weit davon entfernt, die Songs in all ihren Feinheiten zu offenbaren. Leider bestätigte sich auch das Problem der letzten Tour an diesem Abend wieder: Die Jungs hatten allem Anschein nach zu wenig geprobt, neuere Songs wie „A Flash Before My Eyes“ oder „A Bottom Line“ ließen kein Bandfeeling aufkommen und wirkten sehr gestückelt. So hatte Ryo für den ersten Übergang bei „A Flash Before My Eyes“ anscheinend komplett falsche Keysounds angewählt, was zu einer zehnsekündigen Verwirrungsphase mit fragenden bis erschrockenen Blicken der anderen Bandmitglieder in seine Richtung führte und eine anschließende kurze Unterbrechung des Epos forderte. Auch Alan Morse hat wieder einmal bewiesen, dass er live zwar unglaublich cool drauf ist, aber leider viele seiner Einsätze und Töne mal mehr oder weniger verhaut; das hat aber wohl auch mit seinem Konsum von bewusstseinserweiternden Mitteln vor Konzerten zu tun.

Der Rest der Truppe, allem voran Bassist Dave Meros, jetzt mit Kurzhaarfrisur, war wie immer top. Selbst Nick d’Virgilio, der nach eigenen Aussagen mit einer Erkältung zu kämpfen hatte, ließ sich davon stimmlich nichts anmerken und darf live auf jeden Fall als der bessere Sänger gegenüber Neal Morse damals bezeichnet werden. Unbedingt erwähnt werden muss aber auch der zweite Drummer Jimmy Keegan, der all die Stellen übernahm, bei denen Nick Singen und Rhytmusgitarre spielen musste. Ein unglaublich kleiner, sympathischer Kerl, aber mit verdammt viel Power hinterm Schlagzeug. Im „Drumbattle“ des Intrumentals „NWC“ auf zwei Drumsets ließ er Nick schon alt aussehen. Das war mit Sicherheit ein Höhepunkt des Abends. Im gleichen Song dufte dann Ryo, heute mit modischem Kopftuch, mal wieder sein Umhängekeyboard auspacken und bezog das Publikum in seine grimassenschneidene und posende Show mit ein. Auch ein japanischer Witz durfte zur Auflockerung des Abends nicht fehlen.

Die Setlist bestand neben ein paar neueren Songs aber auch aus etlichen älteren, epischen Gassenhauern der Neal-Ära. Gemeint sind damit vorallem die Longtracks „At The End Of The Day“ (welches um ein Basssolo von Dave Meros erweitert wurde) und „The Light“, aber auch nicht zu verachtende Kleinode wie „Gibberish“. Komischerweise präsentierte man diese Songs mit einer schon fast beängstigenden spieltechnischen Sicherheit, die wohl noch aus alten Zeiten übrig geblieben ist. So waren die wirklichen „Bringer“ an diesem Abend seltsamerweise diejenigen, die nicht unter der neuen Bandkonstellation entstanden sind. Das ansonsten eher distanziert kühle Publikum weicht plötzlich auf, wenn Nick Songs wie „Harm’s Way“ oder obengenanntes Encore „The Light“ ansagt. Das sollte der Band zu denken geben. Andererseits ist es sicher schön, dass sie dieses alte Material überhaupt noch spielen – sie wissen um die Wünsche ihrer Fans! Es bleibt somit nur zu hoffen, dass auf der nächsten Tour Material von „Feel Euphoria“ und dem neuen „Octane“ ebenso fest sitzt und überzeugend rüberkommt. Ich bin nämlich überzeugt davon, dass die neuen Songs ebenso gut live funktionieren können. Trotz leichter Fehlgriffe und technischer Probleme ist Ryo Okumoto soetwas wie der Held des Abends. Er muss schließlich die Parts, die sich sonst zwei Keyboarder aufgeteilt haben, seit dem Weggang von Neal alleine bewältigen und schafft dies, unter großer Konzentration, in meiner Ansicht nach bestmöglicher Weise und streut dazu eine unnachahmliche Komik mit in die Show, die nach löblichen 2 ¼ Stunden vorbei war, ein.

Alles in allem ein gelungener Abend, auch wenn mir die Vorgruppe Enchant auf der letzten Tour zumindest bei der Livepräsentation deutlich mehr zugesagt hat und Spock’s Beard einen leicht ziehspältigen Eindruck hinterlassen haben. Viel wichtiger aber noch ist: Wo früher, unter Neal-Regie, musikalische Perfektion und Gänsehautfeeling pur geboten wurde, steht heute eindeutig eine ganze Menge Fun, Lässigkeit (auch in Hinsicht auf Spielfehler) und Rock’n’Roll. Dinge, die der Band früher fehlten. Jeder möge nun selbst entscheiden, was er im Bereich der anspruchsvollen Rockmusik bevorzugt. Ich werde auf der nächsten Tour jedenfalls wieder dabei sein. Und falls Neal Morse mal wieder nach Deutschland kommt, natürlich auch!

Setlist Kino (ohne Reihenfolge):
– Leave A Light
– Letting Go
– Swimming In Woman
– People
– Perfect Tense
– Loser’s Day Parade

Setlist Spock’s Beard (in Reihenfolge):
– Listening To The Sky (Intro)
– A Flash Before My Eyes
– Harm’s Way
– NWC (inkl. Drumbattle & Keyboardsolo)
– At The End Of The Day (inkl. Basssolo)
– The Bottom Line
– Gibberish
– Keyboardsolo + Ghosts Of Autumn
– Akustikgitarrenintro + As Long As We Ride

– Zugabe: The Light

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