Konzertbericht: Sunn o))) w/ Eagle Twin

19.10.2009 München, H39 (Feierwerk)

Ab und an muss man ja auch mal etwas ausprobieren – das war das Motto, unter dem ich ein Ticket für SUNN O))) erwarb – weiß mich die aktuelle CD zwar zu faszinieren, jedoch nicht so vom Hocker zu reißen (besser: dröhnen), als dass ein Konzert Pflichttermin in meinem Kalender wäre. Und so stehe ich kurz nach acht ohne große Erwartungen, jedoch mit großer Spannung, was da wohl auf mich zukommt, vor dem H39 des Münchner Feierwerks.

Um kurz nach neun stehe ich immernoch ohne große Erwartungen, jedoch etwas verfroren vor dem H39 des Münchner Feierwerks, da sich der Einlass deutlich verzögert und das Warten in der überfüllten Vorhalle noch unerträglicher ist. Überfüllt, allein diese Tatsache verwundert mich, hätte ich die Zahl derer, die knapp 20€ dafür zahlen, die Ohren mit undifferenzierten Gitarren-Lauten ausgeblasen zu bekommen, doch deutlich kleiner geschätzt – bedenkt man allerdings, dass sogar die Süddeutsche Zeitung voll des Lobes über die Drone-Metaller berichtet hatte, wandelt sich die Verwunderung in Faszination.
In der Halle angekommen schindet sofort der Bühnenaufbau Eindruck und bringt mich des Rätsels Lösung, warum am Einlass Schilder mit der Aufschrift „Achtung: Extreme Lautstärke, schützen sie ihre Ohren“ aufgehängt und der dazugehörige Ohrenschutz bereits am Einlass ausgeteilt wurde, ein Stück näher: Elf Verstärker (natürlich größtenteils der Marke Sunn o))) – wer hätte es anders erwartet) sowie zehn teils mannshohe Boxen bilden am hinteren Bühnenrand eine imposante Wand, die erahnen lässt, was da dreut und dass die Warnschilder vielleicht doch nicht nur wegen der aufgeschlossenen Süddeutsche Zeitung-Leser, die ansonsten mit Metal nichts am Hut haben, aufgehängt wurden.

Um 21.30 geht es dann endlich los, zwei Musiker stehen unter dem Namen EAGLE TWINS auf der Bühne. Ein Schlagzeug, eine Gitarre, mehrere Verstärker und massenhaft Boden-Effektgeräte sind die dazugehörige Ausrüstung, mit der die beiden Amerikaner ihre Musik erzeugen. Ihre Musik, darunter ist zu Verstehen eine Kombination aus Drone-Sound, zähen Riffs, rabiat gedroschenem Schlagzeug und Gesang, der stark an Neurosis erinnert.
Wie stark das Schlagzeug gedroschen wird, offenbart sich bereits nach einigen Minuten (Songs zu definieren ist bei dem für mich gänzlich unbekannten Material schwierig, zieht sich jeder Spielabschnitt doch über mindestens 15 Minuten hin) sehr eindrucksvoll: Schlagzeuger Tyler Smith zerdrischt in Minutenabstand sowohl Snair- als auch Basedrum-Fell, was die Band in arge Bedrängnis bringt – gerettet wird die Situation von einem Zuschauer, der dem ungläubig dreinblickenden Schlagwerker anbietet, seine Basedrum zur Verfügung zu stellen und dies dann auch realisiert: Nachdem das gute Stück aus dem Auto geholt und anstelle der unbrauchbar gemachten installiert ist, wird der Gig fortgeführt. Nach einer guten Stunde verlässt das Duo unter wohlwollendem Applaus und einigen Zugaberufen die Bühne, um das Feld für die Drone-Meister SUNN O))) zu räumen.

Bereits in der Umbaupause wird mir mit einem Schlag aller Zweifel, ob Geld und Zeit in diesen Abend sinnvoll investiert wären, genommen: Niemand geringeres als Attila Csihar (Mayhem) betritt für den Mikro-Check die Bühne. Dass er auf dem Album zu vernehmen ist, war mir bekannt, dass er jedoch auch live mit von der Partie sein könnte, wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Die Bedeutung seines Erscheinens für den Verlauf des Abends kann zu diesem Zeitpunkt nur abschätzen, wer ihn schon einmal mit Mayhem live erlebt hat: Man weiß zwar nicht, was passieren wird, jedoch ist er ein Garant für skurrile Momente.
Bevor das Münchner Publikum allerdings in den Genuss dieses Erlebnisses kommen kann, heißt es ein weiteres Mal: Warten. Eine geschlagene Stunde lassen die Herren auf sich warten, während eine Nebelmaschine den Raum in immer dichteres Weiß hüllt, bis man schließlich aus der ersten Reihe die Bühne nicht mehr sieht (ein Aspekt, der während des Konzertes zwar teilweise nachlässt, Photos aber leider dennoch nahezu unmöglich macht).

Und dann beginnt es. SUNN O))) betreten, gehüllt in schwarze Kapuzenstoffumhänge, die Bühne und in einer Lautstärke, die bisweilen am gesamten Körper zu spüren ist, wälzt sich die Klang-Lawine über die gebannte Zuhörerschaft. Attila tritt wenig später in gleichem Gewand in Erscheinung und beginnt, die Klangkulisse um psychedelisches Gurgeln, Röcheln und Schreien zu erweitern. Songs sind (zumindest für mich) nicht erkenntlich, zumal sich die Band mit so etwas wie Unterbrechungen garnicht erst aufhält: – am Ende werden 80 Minuten ohne eine Sekunde Stille vergangen sein; doch soweit sind wir noch lange nicht.
Gehüllt in die dichtesten Nebelschwaden, die mir je in einer Konzerthalle das Atmen schwer gemacht haben, vollzieht die Band ihre Gitarrenakkorde in Slow Motion, stellenweise gar begleitet von Synthie-Klängen und Posaune (!), beides von Live-Session-Musiker Steeve Moore performt. Spätestens als sich Attila, der einige Zeit mit dem Rücken zum Publikum im Nebel gekauert war, wieder erhebt und dem Publikum zuwendet, ist die Atmosphäre perfekt: Eine lochlose Sturmhaube bedeckt sein komplettes Gesicht und somit jegliche Haut, die unter der Kapuze eingangs noch zu sehen war. Es folgen langatmige (wörtlich zu verstehen) Klargesänge, die sich nach schamanistischem Beschwörungsritual anhören, stets untermalt von ohrenbetäubendem Gitarrensound, der denjenigen, die keine Ohrstöpsel mehr ergattern konnten, trotz vor die Ohren gehaltener Hände gequälte Gesichtsausdrücke entlockt.
Bereits zu diesem Zeitpunkt ist der Auftritt mehr oder minder eine One Man Show des Stimmgewaltigen Vokalisten, doch Attila wäre nicht Attila, hätte er nicht immer noch eine Steigerung auf Lager: Während SUNN O))) unverdrossen weiterdrönen, verlässt er kurz die Bühne, um wenig später gänzlich umgezogen zurückzukehren: Wer Mayhem auf ihrer letzten Tour besucht hat, dürfte schon mit einigen Utensilien aus Attilas Kostümskiste vertraut sein – so auch mit der zerfransten Silikonmaske sowie seinem Faible für Postsäcke als Oberbekleidung. Neu hingegen ist die Armschiene im Ast-Look aus Bau(m)schaum und Zweigen, garniert mit einer Krähenattrappe, welche offensichtlich in dem Kostüm fixiert ist, so dass der Ast ständig vor seinem Gesicht bleibt. Zumal der andere Arm gänzlich unter dem Sack steckt, ist die Bewegungsfreiheit des Künstlers darin auf ein Minimum reduziert.
Nebelschwaden, immer wieder Nebelschwaden, ein als Baum verkleideter, röchelnder Attila (inklusiv Vogelnest auf dem Kopf!) und über eine zweistellige Anzahl Verstärker dröhnende SUNN O))) – was will man bitte mehr?

SUNN O))) verstören und verzaubern zugleich, irritierend und beeindruckend auf eine ureigene Art. Nach den bereits überzeugenden EAGLE TWIN bieten SUNN O))) ein gänzlich anderes Erlebnis, als jedes normale Konzert dies vermag – und so ist der Applaus groß, als die Band nach 80 Minuten, die kurzweiliger als so manches 45 Minuten-Konzert erschienen, die Bühne verlässt – nicht, ohne vorher noch die Gitarre an der Decke aufgehängt zu haben. Scheinbar schwerelos schwebt das Instrument über den Nebelschwaden, als wieder Ruhe einkehrt ins Münchner H39 – zumindest bei all denen, die ihre Ohren mittels Ohrstöpsel vor weiterreichenden Folgen für das Gehör geschützt hatten.

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Fotos von: Moritz Grütz

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