Konzertbericht: Sunn O))) w/ Caspar Brötzmann

07.10.2019 München, Backstage Werk

SUNN O))) sind ein Phänomen: Mit Wänden aus Lautstärke und Verzerrung in Superzeitlupe spalten sie Musikfans weltweit. Nach ihrem im Frühjahr veröffentlichten – und von Steve Albini aufgenommenen und gemischten – Album „Life Metal“ legen die Musiker Ende des Jahres mit „Pyroclasts“ aus der gleichen Aufnahmesession direkt ein weiteres Album nach. Einige Wochen vorher kommen die Meister des Drone zurück nach München. Nach dem Hansa 39 vor einigen Jahren wird dieses Mal das deutlich größere Backstage Werk in Nebel gehüllt. Wie nicht anders zu erwarten, ist die Bühne randvoll mit Amps – was in Anbetracht der Anzahl der heute auftretenden Musiker bizarr wirkt, aber selbstverständlich seine Richtigkeit hat.

Zum pünktlichen Konzertbeginn um 20 Uhr betritt CASPAR BRÖTZMANN die Bühne vor einem gut zu einem Drittel gefüllten Backstage Werk. Der Künstler wartet lediglich mit einem Bass und zwei Verstärkern auf – und auch wenn dieser Abend ganz im Sinne experimenteller Musik steht, hinterlässt sein 40-minütiger Auftritt den Großteil der Anwesenden ratlos. Zu Beginn in rotes, später in blendend weißes Licht getaucht, wirkt der Auftritt mehr wie ein sehr langer Soundcheck, bei dem alle ruhig sind.

Das würde vielleicht im Jazzclub funktionieren – auf der großen Bühne wirkt es irgendwie verloren. Für Energie sorgt der große,  schwarzgekleidete CASPAR BRÖTZMANN indem er immer wieder den Bass schwingt und in die Knie geht. Das aufgestellte Mikrophon kommt über den Verlauf seines Sets nur für ein kurzes Pfeifen und kurz vor Schluss für pathetischen Gesang zum Einsatz. Auch wenn nicht zuletzt dadurch zum Ende mehr Struktur in den Sound kommt, bleibt ein verwirrender Eindruck zurück. Dennoch oder gerade eben deshalb wird der Künstler nach seinem – für einen Support-Act vor einer nicht für Easy Listening bekannten Band deutlich zu langem – Set mit lautem Applaus bedacht.

Der daran anschließende Umbau – untermalt von Free-Jazz- und Sitar-Klängen aus den Boxen – ist zunächst schnell erledigt. Als das Licht um kurz nach 21 Uhr erlischt, blasen einige Nebelmaschinen allerdings erstmal auf Vollgas, bis man im vorderen Bereich des Backstage Werks kaum die Hand vor Augen erkennen kann. Nach einigem Knarren auf der Bühne beginnt es schließlich: SUNN O))) greifen in die Saiten und lassen das Backstage Werk bei ohrenbetäubender Lautstärke erbeben. Das zu Beginn rot und blau gehaltene Licht erzeugt mit der dichten Nebelwand eine fast schon gespenstische Stimmung. Gut 15 Minuten dauert es, bis man erste Umrisse der in Kapuzenmäntel gewandeten Künstler erahnen kann.

Klanglich passiert wenig bis Nichts, und es sind die Nuancen, die dieses Konzert besonders machen. Sei es das immer wieder in den Vordergrund drängende Rhodes-Spiel oder der stetige Wechsel der Lichtstimmung, bis hin zu einer fast Kathedralen-gleichen Beleuchtung: SUNN O))) fesseln das Publikum auf eine unnachahmliche Weise. Als der Nebel sich fast gelichtet hat, greift eines der Bandmitglieder zur Posaune, die Gitarren werden leiser und für fast 10 Minuten herrscht fast klare Sicht und eine befreiende Stimmung. Diese zermalmen SUNN O))) allerdings unerbärmlich mit erneutem Nebel und einer kaum enden wollenden Drone-Wand. Nach 90 Minuten ist es kurz still, ehe tosender Applaus ertönt – was schließlich dazu führt, dass die fünf Musiker für eine zehnminütige Zugabe zurück auf die rot und blau erleuchtete Bühne kommen.

Es gibt wohl kaum jemanden, der oder die nach dieser Show nicht physisch wie psychisch ausgelaugt ist. Der Support von Caspar Brötzmann konnte nur die Hardcore-Experimental-Fans mitreißen, und war an diesem Abend aufgrund der Urgewalt des Headliners beinahe unnötig. Sunn O))) sind ein kompromissloser Brocken musikgeworderner Gewalt – und wissen gerade live ein ums andere Mal mit einer einzigartigen Atmosphäre zu begeistern.

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Fotos von: Bernhard Landkammer

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