Review Bruce Dickinson – Soloworks 1990 – 2005

  • Label: BMG
  • Veröffentlicht: 2017
  • Spielart: Heavy Metal

Ozzy, Rob Halford, James Hetfield oder Dio – sobald man die Stimme eines dieser Herren vernimmt, sind sie sofort und eindeutig identifiziert. Sie sind sowohl Markenzeichen als auch wesentlicher Teil des Wiedererkennungswertes ihrer jeweiligen Bands. In dieser erlesenen Auswahl darf einer selbstverständlich nicht fehlen – BRUCE DICKINSON. Seit der Mann 1982 erstmal auf einer Platte von Iron Maiden – der legendären “Number Of The Beast” – zu hören war, ging es mit seiner Karriere ebenso rasant voran, wie mit der der NWOBHM-Legende. Zwischen 1993 und 1999 jedoch, war der auch unter seinem Spitznamen “air raid siren” bekannte DICKINSON Solo unterwegs und veröffentlichte in dieser Zeit schier unglaubliche fünf Alben. Diese, zusammen mit seinem letzten Soloalbum aus dem Jahr 2005, erscheinen nun, von Andy Pearce remastert und auf 180g-Vinyl gepresst, als großartige Box mit dem Titel “Soloworks 1990 – 2005”.

Tattooed Millionaire (1990)

Das erste Solowerk von BRUCE DICKINSON dürfte für viele Maiden-Fans eine überraschende Angelegenheit gewesen sein. Anders als erwartet, war „Tattooed Millionaire“ stark reduziert und deutlich Hard-Rock-Schlagseite versehen. Auch das Songwriting präsentiere sich viel lockerer und freier, als man es bisher von Dickinson gewohnt war. Dies dürfte zu nicht geringem Maß an Janick Gers liegen, der hier erstmals mit Bruce zusammenarbeitete. Dass sich diese Partnerschaft auch erhalten sollte, nachdem der Maestro wieder zu Iron Maiden gefunden hatte, spricht für das starke Band zwischen den beiden Musikern. Neben dem unheimlich ansteckenden Refrain des Titeltracks und der schillernden Radio-Rock-Nummer „Born In ‘58“ bis zu den dreckig-rockigen Nummern „Dive! Dive! Dive!“ und „Lickin‘ The Gun“ drängt sich dem Hörer der Eindurck auf, dass Bruce hier einfach loslassen, simpler Songs schreiben und seinen musikalischen Interessen nachgehen konnte. „So Of A Gun“ und „No Lies“ hingegen deuten hingegen bereits an, dass in Zukunft noch mit deutlich abenteuerlicher und herausfordernderer Musik von BRUCE DICKINSON zu rechnen sein würde.

Balls To Picasso (1994)

Der vielleicht entscheidende Schlüsselmoment in. Solokarriere des BRUCE DICKINSON ereignete sich nach dessen Ausstieg bei Iron Maiden im Jahre 1993. Denn für sein zweites Soloalbum tat er sich mit dem Gitarristen und Produzenten Roy Z zusammen, um „Balls To Picasso“ aufzunehmen. Roy Z brachte zudem seine Latino-Rock-Crew Tribe Of Gypsies mit, die auf dieser Platte als Backingband agierten. Mit deutlich ausgefeilteren Kompositionen ausgestattet und einen härteren Sound versehen, näherte sich Dickinson wieder spürbar dem Metal an (auch wenn die anlegende besagt, dass das Label auf einen radiotauglicheren Sound drängte). Bester Beleg dafür ist starken  „Cyclops“, „1000 Points Of Light“ und das begeisternde „Laughing In The Hiding Bush“. Highlight des Albums ist jedoch unzweifelhaft „Tears Of The Dragon“, ein mächtiger und prog-angehauchter, irgendwie schräger aber unbestreitbar berührender Tribut an Bruce’s Gefühlswelt, nachdem er Maiden verlassen hatte, um allein einen neuen Weg einzuschlagen.

Skunkworks (1996)

Mittlerweile als Solomusiker etabliert, hätte es sich BRUCE DICKINSON bequem machen und alle paar Jahre eine ordentliche Hard-Rock-Platte veröffentlichen können. Stattdessen wandte er sich auf seinem dritten Album dem Alt-Rock-Sound zu, Mitte der 90er unheimlich edgy war, was in dem düsteren und draufgängerischen Album „Skunkworks“ resultierte. Dies sollte eigentlich der Name seiner neuen Band werden, doch das Label befürchtete eine deutlich eingeschränkte Reichweite und Möglichkeiten für das neue Projekt, ob der Abwesenheit des berühmten Namens. Von Jack Endino produziert, hat sich „Skunkworks“ über die Jahre als großartige Platte entpuppt, bei der die weniger üblichen Motive der Metal-Selt ebenso erfolgreiche genutzt Wurm, wie die unbändige Energie von Bruce’s jungen Mitstreitern. Diese wurde mit diversen Sci-Fi-Sprinklern kombiniert und resultierte in tollen Tracks wie „Space Race“, „Back From The Edge“ und „Inside The Machine“.

Accident Of Birth (1997)

Kaum ein Jahr später erschien mit „Accident Of Birth“ bereits das vierte Soloalbum des Briten. Auf der Agenda stand diesmal wieder klassischer Heavy Metal und zwar in seiner bombastischsten Form. Erneut arbeitete Dickinson mit Roy Z zusammen und hat nur selten besser und kräftiger geklungen als auf dieser Platte, auch wenn dieses Juwel der 90er oft vergessen wird. Integraler Teil des Albums war zudem ein gewisser Adrian Smith, heute unersetzlicher Bestandteil von Iron Maiden. „Acciden Of Birth“ feiert den Heavy Metal mit einem Sound, der so hart und frisch war, dass viele junge Bands kaum mitzuhalten vermochten. Auch die einzelnen Songs versprühten wieder die majestätische Zeitlosigkeit, die seine Fans mit der Stimme von BRUDE DICKINSON assoziieren. Vom rifflastigen Opener „Freak“ über das melodramatische „Taking The Queen“ hin zu den irre eingängigen Twin-Lead-Gitarren auf „Road To Hell“ oder das vertrackte „Omega“, ebenso wie das geradlinige „Starchildren“ zeigt „Accident Of Birth“ sämtliche Facetten des Protagonisten, der sich mit dieser Scheibe seinen Thron zurückeroberte.

The Chemical Wedding (1998)

Erneut dauerte es kaum ein Jahr, ehe Dickinson mit einer neuen Scheibe beglückte, diesmal mit dem monumentalen „The Chemical Wedding“, mit welchem er erneut einen Gang hochschaltete. Auf dem Album ist mit den Gitarristen Adrian Smith und Roy Z sowie Eddie Casillas (Bass) und Dave Ingraham (Schlagzeug) das gleiche Line Up zu hören, wie auf dessen Vorgänger. Diese Kontinuität resultierte in noch besserem Songwriting, sodass jene Kritiker, die der Dickinson-Generation vorwarfen keine Ahnung von modernen harter Musik zu haben, sich beschämt zurückziehen mussten. Denn „The Chemical Wedding“ ist das wohl härteste Album, das BRUCE DICKINSON je aufgenommen hat und enthält zugleich einige der besten Songs seiner glänzenden Karriere.  Das Album erhielt großartige Kritiken und wurde praktischen von allen Fans geliebt, seien es Anhänger seiner Solokarriere oder auch Maiden-Fans. Der gebotene Heavy Metal ist modern und im Kern doch traditionell, zugleich aber härter, smarter und lebendiger, als man erwarten konnte. Zudem brachten Bruce’s Texte und das Konzept des Albums eine Tiefe mit, die die weit verbreitete Behauptung, dass Metal als Genre von eher überschaubarer Intelligenz beseelt ist, ad absurdum führte. Inspiriert vom Leben und Schaffen William Blake’s (dessen eigenen Worte Teile des epischen „Jerusalems“ bilden), den ruchlosen Zielen der Alchemisten des 19. Jahrhunderts und einer Menge persönlicher Emotionen, wurde „The Chemical Wedding“ als Meisterwerk gefeiert. Angesichts von Songs wie „The Tower“, „Book Of Thel“, „Killing Floor“ und dem Titeltrack sicher eine absolut zutreffende Würdigung.

A Tyranny Of Souls (2005)

Nachdem BRUCE DIKINSON am Ende des 20. Jahrhunderts zu Iron Maiden zurückgekehrt war und das gemeinsame Comeback eines der spektakulärsten der Heavy-Metal-Geschichte war, endetet die Pause im Solowerk des Künstlers 2005 mit dem sechsten Kapitel dieser Geschichte. Doch auch während Iron Maiden sich wieder auf den Thron ihres Genres setzten, war Dickinson’s eigene Muse so ruhelos wie ehedem. Sieben Jahre nachdem „The Chemical Wedding“ den Boden mit der Konkurrenz gewischt hatte, folgte der nächste Teil der Solokarriere des Mannes – „A Tyranny Of Souls“. Abwechslungsreicher und introspektiver als sein Vorgänger, enthält die Platte knallharte Hard-Rock-Nummern („Devil On A Hog“), state-of-the-art Heavy Metal („Abduction“)  und prog-getriebene psychedelic Songs, wie das exquisite „Navigate The Seas Of The Sun“. Letzterer wurde von der Theorie des Kultautors Erich von Däniken inspiriert, laut der es in der in ferner Vergangenheit extraterrestrisches Leben auf der Erde gab. Der Albumtitel und Titelsong wiederum beziehen sich auf Shakespeare’s „Macbeth“, mit all dem tiefschwarzen Melodrama, welche dieses Werk transportiert und „Kill Devil Hill“ huldigt den Luftfahrtpionieren der Gebüder Wright und deren triumphalen Flug 1903. Diese kaleidoskopischen Einflüsse resultierten in dem vielschichtigen Album der langen Solokarriere des BRUCE DICKINSON.

Sechs Alben unterschiedlichster Natur, im Kern jedoch immer unverkennbar zusammengehörig und verbunden durch das begnadete Organ eines der profilreichsten Sänger des Heavy Metal aller Zeiten – BRUCE DICKINSON. „Soloworks 1990 – 2005“ bietet diese Juwelen des Metal gebündelt, in höchster Tonqualität und endlich auch auf Vinyl – für Fans des Genres und des Protagonisten kann es hier eigentlich kein Zögern geben. Allerdings kommen die neuen Platten mit einem Preis nördlich der 100€-Grenze daher…

Wertung: 10 / 10

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