Review Crown – Psychurgy

Wenn der erste Gedanke nach einem CD-Durchlauf der Frage gilt, wie viele andere Alben eine Band wohl schon gemacht hat, die man sich unbedingt zulegen muss, scheint das Album wohl gut gewesen zu sein. Beziehungsweise sehr gut. Umso überraschender ist es, dass es sich bei „Psychurgy“ von CROWN um deren erstes Full-Length handelt – klingt das Werk doch eher nach der Krönung einer langjährigen Bandgeschichte. Denn was das französische Duo hier abliefert, ist schlichtweg eine grandiose Symbiose aus Stilmitteln, die wie füreinander gemacht scheinen und dennoch viel zu selten vereint werden: Der alles verschlingende Strudel düster Sludge-Riffs und die der Welt entrückte Atmosphäre des Post-Punk.

Bereits der auf das zweiminütige Intro folgende Opener, „Abyss“, ist hierfür ein Paradebeispiel – und setzt die Filmrollen des Kopfkinos in Bewegung: Atmosphärische Klänge – die Kamera schwenkt über eine Berglandschaft. Abrupt setzt ein schroffes Riff mit aggressivem Drumming ein – ein Bergsteiger kämpft sich erschöpft die letzten Meter der zerklüfteten Felswand hinauf; ein letzter Klimmzug und mit einem Mal – unerwarteter Umstieg auf eine langsame Melodie von epischer Breite – bietet sich ihm der Blick auf das scheinbar endlose Land unter ihm. Doch die Freude währt nur kurz: Am Horizont, und doch viel zu nah, türmen sich bedrohlich Kilometer hohe Gewitterwolken auf. Alle Hoffnung, das Basislager sicher zu erreichen, wird von einem düsteren Sludge-Riff verschlungen. Höhenkrank und erschöpft sinkt der Bergsteiger nieder, Stimmen in seinem Kopf – Post-Punk! Das Gewitter zieht bedrohlich schnell heran: der Sludge-Metal bahnt sich erneut an, übernimmt langsam aber sicher die Regie, verzweifelter Gesang, Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung, Entrückung, Faszination – Cut! Der Abspann läuft, Musik: CROWN, Dank und Grüße an: Neurosis, Killing Joke, Godflesh und Celtic Frost. Und schon beginnt der nächste Film …

An dieser Stelle verlassen wir das Kopfkino – zum einen, weil es natürlich zu weit führen würde, hier zu jedem Song eine Geschichte zu schreiben, vor allem aber, weil ich niemandem die Möglichkeit nehmen möchte, sich seine eigenen Visualisierungen zu „Psychurgy“ auszumalen. Denn genau dazu laden CROWN mit ihrem Debüt förmlich ein. Die Musik ist intensiv, zieht den Hörer in ihren Bann und holt sich so die Aufmerksamkeit, die sie verdient: Weghören ist hier ebenso undenkbar wie sich der Faszination der meist recht langen Songkonstrukte zu entziehen… zu eindringlich dröhnen die doomigen Sludge-Riffs aus den Boxen, zu fordernd setzt S.A. seine Stimme ein, zu fremdartig klingen die stets wie aus einer anderen, verklärten Welt herüber dringenden Post-Punk-Passagen.

So vergehen knapp 50 Minuten wie im Flug – wenn es sich dabei auch zugegebenermaßen nicht um einen Linienflug in der Businessclass mit Schokohörnchen, Kaffee und Wochenzeitung handelt: CROWN sind süffig und liegen doch schwer im Magen, betörend und klären dennoch die Gedanken – indem sie dem Hörer das Gehirn abwechselnd mit zerstörerischen Sludge-Doom-Riff-Monstern heraus blasen, um es in den Post-Punk-Passagen in liebevoller, detailverliebter Kleinstarbeit wieder zusammenflicken. Für Fans von Neurosis, Triptykon, Celtic Frost und Killing Joke ein Pflichtkauf – wie eigentlich für alle, die sich von den eingangs genannten Genres angesprochen fühlen.

Wertung: 9.5 / 10

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