Review Lords Of Acid – Pretty In Kink

30 Lenze haben die LORDS OF ACID jetzt schon auf dem Buckel und zurückblickend sind sie sich dabei stilistisch immer treu geblieben. Obwohl Acid House in der Liste der modernen elektronischen Musikvarianten eine gewisse musikhistorische Bedeutung hat (immerhin war die Acid-House-Welle Ende der achtziger Jahre der Grundstein für einen funktionierenden britischen Underground), stellt sich die Frage, wie zeitgemäß eine von dieser Ära massiv geprägte Band heutzutage noch klingen kann. „Pretty In Kink“ soll die Antwort darauf liefern.

Was die LORDS OF ACID auf ihrem aktuellen Longplayer präsentieren, ist im Wesentlichen ein Querschnitt ihres bisherigen Schaffens: So finden sich auf dem Album neben oldschool anmutenden Industrial-Tracks à la KMFDM oder Front Line Assembly auch klassische Dance-Floor-kompatible Four-To-The-Floor-Songs, die sich auch schon vor 30 Jahren im legendären House-Club „Hacienda“ in Manchester gut gemacht hätten. Dabei verschließen sich Bandleader, Keyboarder und Sänger Praga Khan und sein langjähriger Mitstreiter, der Saitenhexer Erhan Kurkun, nicht vor modernen Einflüssen: So weckt „We Are The Freaks“ durch seinen schleppenden Beat und die Programmierung der Hi-Hat durchaus Trap-Assoziationen. Weitere Highlights auf „Pretty In Kink“ sind sicherlich das atmosphärische „Androgyny“ und der Ohrwurm „Goldfinger“, der wider Erwarten ohne James-Bond-Samples auskommt, aber mit seinem Dreivierteltakt-Chorus an das eine oder andere Main Theme der Agentenfilmreihe erinnert – auch wenn es inhaltlich sicherlich um andere Dinge geht als in Shirley Basseys gleichnamigen Song. Gelungen ist auch der Breakbeatpart, der, alten The Prodigy-Nummern wie „Out Of Space“ nicht ganz unähnlich, durchaus zum Herumspringen animiert.

Neu im Boot ist übrigens Sängerin Marieke Bresseleers, die die äußerst sex-lastigen und pornösen Lyrics auf „Pretty In Kink“ ziemlich gut rüberbringt. Ihre stimmliche Bandbreite reicht dabei von lasziven, verführerisch geflüsterten Sprechgesang bis hin zu gebelteten, lauten Passagen. Dabei ist Bresseleers die keine Ahnung wievielte Frontfrau der belgischen Truppe, denn neben mindestens drei Damen, die für Studioaufnahmen eingesungen haben, gab es in all den Jahren noch unzählige weitere, die die LORDS OF ACID live unterstützt haben. Ohne jegliche Häme: Wer da letztendlich am Mikro steht, ist fast ein bisschen zweitrangig, denn die gesanglichen Performances waren immer ziemlich cool, aber stilistisch sehr ähnlich und damit auch bedingt austauschbar.

Die Neunziger sind vorbei: Zeitgemäß ist das via Kickstarter finanzierte Album „Pretty In Kink“ sicher nicht, denn das Programming ist durch die Bank oldschool und eben Acid-lastig, aber dieser Umstand wird durch eine große Portion Selbstironie und Humor weitestgehend wettgemacht. Zumal die feucht-fröhliche Fuck-Me-Attitüde durchaus eine willkommene Abwechslung zur bierernsten Fuck-You-Attitüde anderer Industrial-Bands darstellt. Obwohl die Platte überraschend abwechslungsreich ist, kommt sie nicht an das legendäre „Our Little Secret“-Album von 1997 heran und leider wirkt die Produktion (für elektronische Verhältnisse) ein wenig dünn – das geht heutzutage auf jeden Fall fetter. Trotzdem haben die LORDS OF ACID den optimalen Soundtrack für den dynamischen Endvierziger geschaffen, der sich Freitagnachmittag noch eine halbe Mickey Mouse einbauen und anschließend beim Afterwork-Rave ein bisschen abgehen möchte. Rave On!

Wertung: 7 / 10

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