Review Mayhem – De Mysteriis Dom Sathanas

  • Label: Deathlike Silence
  • Veröffentlicht: 1993
  • Spielart: Black Metal

Wenn es um die zweite Black-Metal-Welle Anfang der Neunziger des letzten Jahrhunderts geht, führt kein Weg an MAYHEM vorbei. Wie hinlänglich bekannt ist, machte die Gruppe allerdings keineswegs nur auf musikalischer Ebene Schlagzeilen. Im Jahr, in dem das Debütalbum erschienen ist, stand Interims-Bassist Varg Vikernes bereits vor Gericht – diverse Kirchenbrände und der Mord an seinem ehemaligen Freund und MAYHEM-Gitarrist Euronymous gingen auf sein Konto. Attila Csihar fungierte ohnehin nur als Gastsänger, MAYHEM war sozusagen schon auseinandergebrochen, bevor es im großen Stil losgegangen ist.

Nichts desto weniger ist „De Mysteriis Dom Sathanas“ mittlerweile ein Standardwerk für schwarzen Metal und ein beeindruckendes Zeitdokument: Aufgeteilt ist die acht Songs umfassende Scheibe quasi in zwei Parts. Die ersten vier Stücke sind von Euronymous, die anderen vier von Hellhammer geschrieben worden. Los geht es mit „Funeral Fog“, welches ohne Umschweife nach vorne treibt und zeigt, worum es eigentlich geht: Es tönt dermaßen fies und missmutig aus den Boxen, dass die Produktion nicht einmal mies sein muss, um es „böse“ wirken zu lassen – die Riffs und Hellhammers unglaubliches Drumming reichen da bereits aus. Die Krone wird dem Ganzen aber durch Attila Csihar aufgesetzt: Dessen Stimme ist dermaßen krank und unmenschlich, dass man es beim ersten Hördurchgang wahrlich mit der Angst zu tun bekommen kann. Wenn der Gastsänger aus Ungarn, damals bei der Band Tormentor und heute bei Keep Of Kalessin tätig, auf gewisse Weise flüstert und gleichzeitig schreit, hat man es mit der Essenz der Finsternis zu tun. Auch darüber hinaus allerdings ist „Funeral Fog“ ein Meilenstein und ein Song, den jeder Schwarzmetaller gehört haben muss.

Etwas langsamer beginnt „Freezing Moon“ und besticht in den ersten anderthalb Minuten beinahe durch einen gewissen Groove, dann wird auch hier ordentlich geknüppelt. Im Verlauf wird ein weiterer langsamer Teil durch einen kurzen, allein gestellten Bass von Varg eingeleitet. Auch hier kommt erneut Attila zur Geltung, Euronymous streut ein überzeugendes Solo ein, danach wird es wieder heftig – auch wenn sich die unterschiedlichen Riffs in diesem Song beinahe an einer Hand abzählen lassen, kommt während den über sechs Minuten Spielzeit zu keiner Sekunde Langeweile auf, dafür sind die einzelnen Passagen viel zu überzeugend und stimmig. Perfekt!
Auch „Cursed in Eternity“ kennt keine Gnade und knüppelt wie sonst nix Gutes drauf los. Hier fällt mir persönlich zum wiederholten Male Hellhammer auf, der zum einen dermaßen schnell und zum anderen dermaßen individuell trommelt, dass es anderen Schlagzeugern eigentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben sollte. Rifftechnisch und irgendwie auch im Gesamtbild verliert das Stück aber leider ein wenig gegen die grandiosen, vorhergehenden Meisterwerke. Im Endeffekt aber halb so wild, denn mit „Pagan Fears“ gibt es wieder Klangkunst par excellance zu hören: Riffs, die ohrenscheinlich direkt der Hölle entsprungen sind, werden durch alle weiteren Faktoren der Gruppe ergänzt und verstärkt, ohne dass hier irgendein Wunsch offen bleibt. Was an Stimmung und Emotion trotz kompromissloser Härte hängen bleibt, ist schier unglaublich – allein die sich vollkommen von den Gitarren abgrenzende Basslinie von Grishnackh sorgt für ständiges Zurückspulen. Ich bin es mittlerweile außerdem fast schon leid, Hellhammer und Attila Csihar immer wieder für ihre Ausnahmeleistungen zu loben – berechtigt wäre es aber auch hier.

Die zweite Hälfte von „De Mysteriis Dom Sathanas“ wird von „Life Eternal“ eröffnet. Jenes Lied geht prompt in die Vollen, gewinnt dann aber an Ruhe und verläuft ansonsten primär im Midtempo-Bereich. Gewissermaßen ist das Stück sogar richtig melodisch. Der „böse“ Grundtenor bleibt aber selbstredend der gleiche. Attila thront über allem, man kann ihn aufgrund des langsamen Textes sogar recht gut verstehen. Nach einem von Euroynmous‘ irgendwie eigenwilligen Soli wird eine Zeit lang auch nochmal ordentlich gebrettert. Absolut herrlich und ein Beweis dafür, dass weder Dauer-Blastbeat noch Klohäuschen-Produktion zwingend nötig sind, um Black Metal zu erfassen.
„From The Dark Past“ lässt sich durch ein wenig Vorgeplänkel zumindest noch Zeit, bevor es losknüppelt. Rifftechnisch zeigt sich der Song besonders zu Beginn etwas differenziert, fügt sich letztendlich aber schon dem Gesamtbild. „Buried By Time And Dust“ ist ein vergleichsweise kurzer Song (dreieinhalb Minuten) und kommt dementsprechend zügig auf den Punkt. Dieser siebte Track gilt bei vielen als wirklicher MAYHEM-Meilenstein, rundum überzeugend finde ich ihn allerdings nicht. Erst nach etwa anderthalb Minuten kann ich mit den Riffs wirklich etwas anfangen, zudem wird ab und zu wohl etwas Pauken-ähnliches verwendet, was das Ganze stimmiger werden lässt.
Zu guter Letzt erwartet den Hörer dann das titelgebende Stück, das mit tiefschwarzer Gitarrenkunst aufwartet und zudem gesangstechnisch eine herbe Überraschung aufweist: Attila…singt! Er wechselt textabhängig (englisch / lateinisch) gekonnt zwischen seiner gewohnten Stimme und nahezu Opern-ähnlichem Gesang. Der absolute Hammer setzt meiner Meinung nach aber nach etwas mehr als drei Minuten ein. Der Song verstummt kurz und kommt mit einem totalen Überriff zurück, Hellhammer hat seinen großen Auftritt: Er begleitet dieses Riff mit drei verschiedenen Takten; einmal langsam, einmal mit Double Bass und einmal im „Das ist kein Drumcomputer?!“-Modus, gepaart mit einigen seiner typischen individuellen Spielereien. Diesen Part habe ich unzählige Male immer wieder zurückgespult, einfach zu genial. Kaum schwächer findet „De Mysteriis Dom Sathanas“ mit dem alles beherrschenden Attila Csihar dann aber langsam gewiss sein Ende.

MAYHEM ist mit ihrem Debütalbum bereits der wirklich große Wurf gelungen. Es gibt eigentlich keinen Song, den man als ständigen Kandidaten für die Skip-Taste ausmachen kann. Vielmehr bekommt man einen schwarzen Klassiker nach dem anderen geboten. Alleine „Funeral Fog“, „Freezing Moon“, „Pagan Fears“, der Titeltrack oder „Life Eternal“ würden den Kauf rechtfertigen – und schau an, da das Album nur acht Lieder umfasst, konnte ich einen überwiegenden Teil schonmal mit bestem Gewissen empfehlen. Angesichts der Klasse von „De Mysteriis Dom Sathanas“ – was sich übrigens in etwa mit „Satans geheime Riten“ übersetzen lässt – ist es eigentlich nur allzu schade, dass sich alles dermaßen in Scherben schlagen musste und Mayhem schon im Jahr der Veröffentlichung so nicht mehr weiterexistieren konnten. Euronymous hat seinen ganz eigenen Stil an der Gitarre, Vikernes‘ Basslinien sind stellenweise wirklich sehr atmosphärisch und erinnern sogar ein wenig an Burzum, von Hellhammer und Attila Csihar habe ich schon mehr als genug geschwärmt – hier hatte es einfach jeder unglaublich drauf und Mayhem erreichten eine Klasse, zu der sie später leider nie mehr ganz aufschließen konnten. Wer sich auch nur geringfügig mit Black Metal befassen möchte, der kommt ohne diesen Tonträger nicht aus!

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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