Interview mit Jørn Necrobutcher Stubberud von Mayhem

Sie sind die vielleicht letzte Band, die den Geist des wahren Black Metal noch in sich trägt: MAYHEM. So unberechenbar, eigensinnig und launisch wie die Musik der Szenelegende gibt sich auch Bassist und Gründungsmitglied Necrobutcher im Gespräch über die Tour, den Ausstieg von Songwriter Blasphemer und das 30jährige Bandbestehen.

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Wie geht’s, wie stehts? Alles gut bei dir?
Mehr oder weniger … (lacht) Es ist eine Tour. Das ist nicht wie daheim auf der Couch sitzen.

Aber immerhin geht sie langsam ihrem Ende entgegen. Seid ihr zufrieden?
Wir haben diese Tour in drei Teile geteilt. Damit es mehr Spaß macht, aber auch, damit wir bessere Shows abliefern können. Wir wollten nicht wieder neun Wochen am Stück auf Tour sein. Stattdessen machen wir drei Quickies von jeweils zwei Wochen. Und ja, richtig, wir befinden uns jetzt am Ende dieses Abschnitts der Tour. Wir sind seit 2008 nicht mehr durch Europa getourt, insofern ist das eine sehr schöne Sache und wir freuen uns, wieder on the road zu sein. Wir haben viele Festivals gespielt, aber eine Club-Tour mit Tourbus und allem hatten wir lange nicht.

MayhemSpielst du lieber Klubshows als Festivals?
Ich ziehe es vor, vor meinen eigenen Fans zu spielen. Aber auch Festivals haben natürlich ihre Vorzüge.

Ist die Tour generell gut besucht? Heute beginnt das Konzert erst um 21:30, recht sehr spät für einen Dienstag?
So läuft das halt. Auf einer solchen Tour muss es eben auch Shows unter der Woche geben – du kannst ja nicht nur am Wochenende auftreten. So etwas wie Einlass und Showbeginn hängt dann von euch, den Leuten, ab … wie christlich oder abgefuckt euer Land ist. Idealerweise läuft es so, dass das Publikum sich so verhalten kann, wie es gewohnt ist, dass es beispielsweise nach der Show noch die letzte U-Bahn erwischt oder so. Uns ist das jedenfalls egal.

Mayhem SunvemetalIhr spielt mit „Psywar“ nur einen Song von eurem neuen Album. Warum?
Das Album ist noch nicht draußen, das ist der einzige Grund. Das Label musste das Album verschieben – eigentlich wollten wir die CDs schon zum Verkaufen dabei haben. Aber unabhängig davon haben wir diese Welt-Tournee schon vor längerer Zeit zur Feier des 30-jährigen Bestehens von MAYHEM geplant. Dass wir auch einen neuen Song spielen, ist also eher als Bonus zu betrachten. Beim nächsten Tourabschnitt im Herbst werden wir dann auch ein paar mehr Songs von dem Album spielen. Und vielleicht noch mehr, wenn wir dann im Februar nächsten Jahres den dritten Tourabschnitt spielen.

Die Songs eurer Alben unterscheiden sich musikalisch ja sehr stark. Macht es das schwieriger, ein funktionierendes Live-Set zusammenzustellen, und spielst du lieber die älteren oder die neueren Songs?
Zunächst einmal: Ja, unsere Alben sind sehr unterschiedlich … zum einen, weil wir uns nie wiederholen wollten, zum anderen, weil zwischen den Aufnahmen immer viele Jahre liegen. Wir haben an verschiedenen Orten aufgenommen und natürlich hat man in sechs Jahren auch unterschiedliche Inspirationen und verschiedene Dinge im Kopf. Bisher lagen ja immer fünf bis sieben Jahre zwischen den Alben.
Das andere ist natürlich, dass wir, seit Blasphemer die Band verlassen hat, einen neuen Songwriter haben. Auch das ist neu und „anders“. Genau wie damals, als Blasphemer nach Euronymous‘ Tod übernommen hat … da hat es dann auch anders geklungen.
Was die Setlist angeht, spielen wir einfach die Songs, die wir selbst am liebsten spielen. Immer. Wenn uns ein Song langweilt, nehmen wir ihn aus dem Set. Manchmal gibt es wiederum Gründe, einen Song ins Set aufzunehmen, den wir normalerweise nicht spielen, wenn es auf dem entsprechenden Konzert irgendeinen speziellen Anlass dazu gibt. Die Setlist jetzt repräsentiert aber einfach den musikalischen Werdegang von MAYHEM.

Mayhem_-_Deathcrush-LPAlso sind euch die eher primitiven Nummern aus den Anfangstagen wie „Deathcrush“ noch nicht langweilig geworden?
Im Gegenteil: Ich mag sie sogar lieber als die neueren Songs. Selbstverständlich … ich meine, überleg doch mal: Ein Song, den du mit 16, 17 geschrieben hast, funktioniert immer noch und alle gehen ab. Nach all den Jahren. Das ist doch das beste Maß für den Erfolg eines Songs, oder? Ich liebe „Carnage“, „Deathcrush“ und all die guten alten Dinger.

Du hast den Ausstieg von Blasphemer bereits angesprochen. Was waren deine ersten Gedanken, als du von seiner Entscheidung erfahren hast?
Na ja, das ging ja schon über Jahre hinweg … das war ein langer Prozess. Ich glaube, er hat schon 2004 darüber nachgedacht, die Band zu verlassen und 2008 ist er dann eben ausgestiegen. Es war aber 2007 schon klar, dass er nach dem Album aussteigen würde und dass es seine letzte Tour sein würde.

Was waren eure Kriterien bei der Suche nach einem Ersatzmann?
Wir haben einige Leute im Umfeld der Band, auf die man sich verlassen kann. Nicht nur Musiker, sondern auch Künstler, mit denen wir zusammenarbeiten, oder auch Leute in der Musikindustrie …
[Pause]
Aber was war noch einmal die Frage?

Wie es schlussendlich dazu kam, dass Teloch euch ein ganzes Album geschrieben hat.
Ah, ja. OK, das ist eine wirklich lange Geschichte … nicht einfach, das in Worte zu fassen. Der erste, den wir gefragt haben, war Snorre W. Ruch von Thorns. Er hat damals ja schon zu „De Mysteriis“ beigetragen und hat für das Album auch die zweite Gitarre eingespielt. Er war auch bereit, etwas zu einem neuen Album beizutragen, wollte aber nicht auf Tour gehen. Ich habe dann auch Samoth von Emperor gefragt, wir sind ja lange befreundet. Auch er wollte ein paar Songs für uns schreiben und hat das auch getan. Ich habe dann noch ein paar alte Riffs zusammengeklaubt, die ich in meinem Kopf herumschwirren hatte, Charles Hedger (ehem. Cradle Of Filth, derzeit Live-Gitarrist bei MAYHEM; A.d.Red.) hat vier Stücke geschrieben und wir haben drei Amerikaner, zwei Franzosen und zwei Kroaten als Gitarristen ausprobiert, um dorthin zu kommen, wo wir jetzt sind. Wir haben auch ein paar verschiedene Musiker mit auf Tour genommen, wie Silmaeth oder Morfeus. Dann hat Teloch ein paar Songs geschrieben und wir haben das Material aufgenommen. Aber das war einfach nicht gut genug. Das hat ihn dann inspiriert und motiviert, neue Songs zu schreiben, und auf einmal waren wir bereit, ins Studio zu gehen, weil er zehn Songs fertig hatte, die in sich schlüssig klangen. Das war für das Album einfach besser, als mit all den verschiedenen Songwritern. Deshalb hat Teloch am Ende das ganze Album allein geschrieben … weil es so einfach eine runde Sache war.

Mayhem-Esoteric-WarfareDas ist insofern beeindruckend, als „Esoteric Warfare“ in vielen Punkten sehr MAYHEM-typisch klingt …
Ja. Wie gesagt: Wir haben viele Leute ausprobiert und eben den mit den richtigen Ideen genommen. Wir heuern nur Leute für die Band an, von denen wir glauben, dass sie auch liefern können … insofern waren wir davon nicht überrascht. Wir haben ihn schließlich genommen, damit er genau das tut. Und er war schließlich schon drei Jahre in der Band, bis er dann mit dem Album fertig war. Er ist aber auch ein großer MAYHEM-Fan: Wenn du dir seine alte Band anhörst, Nidingr, wirst du merken, dass das auch sehr nach MAYHEM klingt. Ich habe ihn auch quasi direkt kontaktiert, als Blasphemer ausgestiegen ist. Aber damals hat er noch in dieser anderen Gay-Band gespielt, Gorgoroth. Das musste er erst einmal beenden. Als er dann bei Gorgoroth ausgestiegen ist und bereit für die Herausforderung war, haben wir einfach einen der Gitarristen, mit denen wir zu der Zeit gearbeitet haben, rausgeschmissen und er ist eingestiegen.

Wie viel macht es für das Bandgefüge aus, dass er und nicht mehr Blasphemer an der Gitarre steht?
Natürlich ist es anders, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Alle Menschen sind unterschiedlich. Andererseits ist es für mich persönlich kein so großer Unterschied, ob da jetzt dieser oder jener Kerl die Gitarre bedient. Sie müssen ja trotzdem meine Songs spielen. (lacht) Auch Teloch muss das.

Hat Teloch dann mit Attila zusammengearbeitet, was die Texte angeht?
Das musst du die beiden fragen … ich habe weder die Texte noch die Musik geschrieben. Ich könnte dir jetzt erzählen, was ich so gehört habe. Aber stell mir doch keine Fragen, bei denen offensichtlich ist, dass ich sie nicht beantworten kann.

Interessieren dich die Texte denn nicht?
[Pause]
Das ist eine sehr sonderbare Frage. Ich habe es doch gerade schon gesagt: Wir haben Leute unter Vertrag genommen, an die wir glauben, ok? Also? Damit beantwortet sich die Frage doch von selbst!

mayhem oldDie Tour feiert das 30-jährige Bestehen von MAYHEM. Wie würdest du als letztes verbliebenes Gründungsmitglied diese 30 Jahre zusammenfassen?
[Pause]
Es ist mein Leben. Wie soll ich das also zusammenfassen? Das kann ich nicht. Ich kann mein Leben und die Band nicht getrennt betrachten. Ich blicke da ja nicht von außen drauf. Ich spiele in dieser Band, seit ich 16 bin. Jetzt bin ich 46. Ich lebe das einfach …

Gab es in all den Jahren einen Moment, an dem ihr überlegt hattet, MAYHEM aufzulösen?
Nein. Es gab eine Zeit … als unser Sänger sich gerade erschossen hatte, und mein anderer guter Freund (Euronymous, A.d.Red.) Fotos von seiner Leiche gemacht hat. Ich habe ihm damals gesagt, er soll die Fotos verbrennen und mich nicht anrufen, bevor er das nicht gemacht hat. Also hat er Varg Vikernes angerufen, damit der heimlich meine Bassspuren einspielt, hinter meinem Rücken, als wäre er der Boss. Er war nie der Boss, und plötzlich hat er so getan als ob und hat sein Foto gefeiert und fand alles cool. Aber schau, was für ein schlechtes Karma ihm das gebracht hat … 17 Monate nach Deads Selbstmord war er auch tot. Also haben Hellhammer und ich weitergemacht. Ich war damals schon mit Maniac in einer Band, also haben wir ihn mit ins Boot geholt. Ein Jahr später ist dann Blasphemer dazu gekommen. Eigentlich ging es sogar noch schneller: Ich habe Hellhammer schon auf Euronymous‘ Beerdigung auf Blasphemer angesprochen. Ich hab ihm damals gesagt, dass ich einen Kerl kenne, der komplett verrückt ist und gerade unseren Proberaum verwüstet hat. Das hat uns natürlich schon zu Denken gegeben. (lacht) Deshalb hat es dann ein Jahr gedauert, bis wir uns für ihn entschieden haben. Die richtige Entscheidung, wie sich gezeigt hat.

Hättest du dir das je träumen lassen, dass MAYHEM dereinst ihr 30jähriges Bestehen feiern würden?
Ja. Ich hatte andere Bands davor, aber die haben es alle nicht gebracht. Als ich Euronymous getroffen hatte, wussten wir nach der ersten Probe: Das ist es! Und seitdem haben wir nie mehr zurückgeblickt.

Ester Segarra

Live-Photo mit freundlicher Genehmigung von Sunvemetal.

Publiziert am von und Marius Mutz

Dieses Interview wurde persönlich geführt.

Ein Kommentar zu “Mayhem

  1. Schon ein Witz. Tut so, als wäre er die Seele von Mayhem gewesen und nicht etwa Euronymous. Wie viele Songs von Mayhem hat er denn tatsächlich geschrieben? Auf den letzten Alben ja wohl keinen, auf den ersten wahrscheinlich auch nur sporadisch.

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