Konzertbericht: Mayhem w/ Gaahls Wyrd, Gost, Morast

16.11.2019 Berlin, Astra Kulturzentrum

Erst das Jubiläum von „De Mysteriis Dom Satanas“, das so ausgiebig wie gelungen live gefeiert wurde, dann die zusätzliche Aufmerksamkeit durch Jonas Åkerlunds viel diskutierten Spielfilm „Lords Of Chaos“: Für MAYHEM lief es in den letzten Jahren bestens – und dann legten die Norweger mit „Daemon“ auch noch ein starkes Album nach. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Shows der aktuellen Tour schon im Vorhinein nahezu ohne Ausnahme restlos ausverkauft sind – zumal mit GAAHLS WYRD einer der aktuell spannendsten Acts der Szene mit von der Partie ist.

Auch beim Tourstop im Astra Kulturhaus Berlin sind die letzten Restkarten noch vor dem frühen Showbeginn um 18:00 Uhr vergriffen.

Nicht nur draußen ist es zu diesem Zeitpunkt bereits dunkel: Auch in der gut gefüllten Halle verbreiten die nordrhein-westfälischen MORAST als Opener mit ihrem Material, das sich stilistisch irgendwo zwischen Sludge und Post-Metal, Doom und Death einordnen lässt, erfolgreich düstere Atmosphäre. Das gelingt den amerikanischen GOST im Folgenden nur begrenzt: In der Besetzung Bass und Gesang widmet sich das Duo einem kruden Mix aus Industrial Black Metal und dem derzeit so angesagten Retro-/Synthwave-Sound. Grob umrissen liegt der vom US-Amerikaner Baalberith geschaffene Sound damit zwischen Mystikum und Perturbator, wobei die melodischen Wave-Passagen deutlich besser funktionieren als die Black-Metal-Karaoke-Show, die so skurril wie unfreiwillig komisch anmutet. Die Reaktionen auf die halbstündige Darbietung fallen entsprechend verhalten aus.

Dem straffen Zeitplan des Abends ist zu verdanken, dass das eben Gesehene nur 20 Minuten später bereits durch eine deutlich sehenswertere Darbietung vergessen gemacht wird: Den Auftritt von GAAHLS WYRD. Waren die Norweger bislang ja eher als Reminiszenz an Gaahls bisherige Bands Gorgoroth, God Seed und Trelldom aufgetreten, haben sie mit „GastiR – Ghosts Invited“ nun endlich auch „frisches“ Material im Programm. Da sich dieses durch die oft ruhigere Musik und die vielen Klargesangs-Passagen deutlich von Gaahls früheren Werken unterscheidet, fällt das Set heute musikalisch noch vielseitiger aus als bei den ersten Shows: Zu den klassischen Black-Metal-Songs wie „Carving A Giant“ (Gorgoroth) oder „Alt Liv“ vom God-Seed-Album „I Begin“ gesellen sich nun auch ruhigere Stücke wie „Carving The Voices“ oder „Ghosts Invited“. Dass die Songs etwas leise aus den Boxen kommen, ist in Anbetracht des dafür glasklaren Sounds verschmerzbar – zumal Gaahl das Publikum schon allein durch jene einzigartige Aura innerer Ruhe im Trubel der um ihn herum abrockenden Band in seinen Bann zieht.

  1. Ghosts Invited
  2. Carving A Giant (Gorgoroth-Cover)
  3. Slave Til En Kommende Natt (Trelldom-Cover)
  4. Ek Erilar
  5. Carving The Voices
  6. Høyt Opp I Dypet (Trelldom-Cover)
  7. From The Spear
  8. Alt Liv (God-Seed-Cover)
  9. Through And Past And Past
  10. Exit – Through Carved Stones (Gorgoroth-Cover)

War das Astra Kulturhaus bei Gaahls Wyrd schon bis hinten gefüllt, schiebt sich nun alles noch etwas weiter zusammen. Die Spannung, mit der die Fans dem Auftritt von MAYHEM entgegensehen, ist jetzt fast greifbar.

Tatsächlich haben sich die Norweger für ihre Show einige Überraschungen einfallen lassen: So spielt die Band heute eine Stunde und 40 Minuten lang – eingeteilt in drei Akte: Los geht es mit einem vornehmlich dem neuen Album gewidmeten Set, das optisch durch eindrucksvolle Stoffbanner im „Daemon“-Look und ein entsprechend dämonisches Outfit von Fronter Attila untermalt ist. Dass MAYHEM hier zwei Songs von „Grand Declaration Of War“ einstreuen, zeigt die Größe dieser Band: Denn naturgemäß stoßen die Norweger damit nicht bei jedem Fan auf Gegenliebe. Und egal, wie unsympathisch Bassist Necrobutcher auch in seiner ganzen Art sein mag – dass er Attila nach mehreren Becherwürfen aus dem Publikum während „A Bloodsword And A Colder Sun, Part II“ das Mikrofon entreißt und zornentbrannt „Kill that motherfucker! Kill him!“ schreit, ist in diesem Kontext fast nachvollziehbar.

Im zweiten Akt spielen MAYHEM in Kutten gehüllt eine von allen Fans entsprechend gefeierte Kurz-Version ihrer „De Mysteriis Dom Sathanas“-Jubiläumsshow, ehe es zum Abschluss dann für die Puristen unter de Fans musikalisch und optisch absolut „old school“ wird: Im verwaschenen Sodom-Shirt (Attila) oder gleich ganz ohne Shirt (Necrobutcher) dargeboten, steht hier die „Deathcrush“-EP im Mittelpunkt. Das Material aus 35 Jahren Bandgeschichte gewissermaßen zu sortieren und es in unterschiedlichen Outfits zu performen erweist sich somit als genialer Schachzug, bleibt die Show doch abwechslungsreich und zugleich jeder Akt in sich stimmig. Dass auch hier in Sachen Lautstärke noch etwas mehr gegangen wäre, bleibt somit tatsächlich das einzige kleine Manko einer ansonsten rundum gelungenen Show.

  1. Falsified And Hated
  2. To Daimonion
  3. My Death
  4. Malum
  5. Bad Blood
  6. Symbols Of Bloodswords
  7. A Bloodsword And A Colder Sun, Part II
  8. Invoke The Oath
  9. Freezing Moon
  10. Pagan Fears
  11. Life Eternal
  12. Buried By Time And Dust

    Intro: Silvester Anfang
  13. Deathcrush
  14. Chainsaw Gutsfuck
  15. Ancient Skin
  16. Carnage / Pure Fucking Armageddon

Die Zeiten, in denen MAYHEM-Shows oft eher skurril als gut waren, scheinen endgültig vorbei. Auch heute zeigen sich MAYHEM, unverkennbar dirigiert von den beiden Gitarristen Teloch und Guhl, diszipliniert und technisch versiert wie nie zuvor: Das spiegelt sich nicht nur in der Spielzeit von stolzen 100 Minuten, sondern auch in der durchaus anspruchsvollen Songauswahl. So brauchen sich die Norweger auch nicht vor ihren Landsmännern von GAAHLS WYRD verstecken, die mit ihrer starken Show viele andere Headliner an die Wand gespielt hätten. Ein stärkeres Zweigespann als dieses war im Black Metal definitiv lange nicht auf Tour.

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