Review Metallica – S&M 2

Es begab sich also zu der Zeit, dass die größte Metalband der Welt auszog, um etwas Neues zu versuchen. Mit einem Orchester wollte man spielen, rund 100 großartige Instrumentalisten und eine Band, die in ihren jungen Jahren als „Alcoholica“ berühmt-berüchtigt waren. Das in Zusammenarbeit mit Komponist Michael Kamen erarbeitete Werk „S&M“ – Abkürzung für „Symphony & Metallica“ – paarte einige der größten METALLICA-Hits mit orchestralen Arrangements und begeisterte nicht nur die eingefleischten Jünger der Band.

20 Jahre später schickte sich die Geschichte nun an, sich zu wiederholen. Als feierliche Eröffnung des Chase Centers in San Francisco kamen das San Francisco Symphony Orchestra und METALLICA erneut zusammen, um die Lieder der Band darzubieten. Quasi ein Best-of mit Orchesterbegleitung zum Geburtstag des Originals – sinnvollerweise „S&M 2“ betitelt.

Doch in den zwei Dekaden zwischen den beiden Megaevents hat sich einiges verändert. Der Vater der Idee, Michael Kamen, erlag bereits 2003 einem Herzinfarkt und konnte somit leider nicht mehr Teil des Ganzen sein. Ebenso wenig konnte dies Jason Newsted, der METALLICA 2001 verließ und 2003 durch Robert Trujillo ersetzt wurde.
Zudem veröffentlichten METALLICA in der Zeit seit „S&M“ mit „St. Anger“, „Death Magnetic“ und „Hardwired…To Self-Destruct“ drei Alben, die bei der Neuauflage der Verschmelzung von Klassik und (Thrash) Metal berücksichtigt werden mussten.
Die daraus resultierende Setlist enthält neben den beiden als Intro fungierenden Instrumentals „The Ecstasy Of Gold“ sowie „The Call Of Ktulu“ und dem sogleich folgenden epischen Klassiker „For Whom The Bell Tolls“ noch acht weitere der ursprünglich auf „S&M“ enthaltenen Tracks. Fünf davon stehen – gemäß dem weit verbreiteten Konzert-Motto „Das Beste kommt zum Schluss“ – ganz am Ende der Setlist. Kein Wunder, denn „Wherever I May Roam“, „One“, „Master Of Puppets“, „Nothing Else Matters“ und „Enter Sandman“ gehören schlicht zu den größten Tracks, die METALLICA je geschrieben haben. Mitten im Set berücksichtigt das Quartett mit „The Memory Remains“ und „The Outlaw Torn“ auch ihre „Load“/“ReLoad“-Schaffensphase und führt mit „No Leaf Clover“ zudem ein Stück auf, das für das erste Orchesteralbum geschrieben wurde.

Letzten Endes wartet „S&M 2“ (abzüglich der beiden Intros auf den Positionen 13 und 15 und der dazwischen liegenden, nur vom Orchester gespielten Skythischen Suite) mit acht Tracks auf, bei denen das Zusammenspiel zwischen METALLICA und dem Symphonieorchester neu ist und auch dementsprechend neu geschaffen bzw. geschrieben werden musste. Und hier zeigt sich auch der größte Unterschied von „S&M 2“ zu seinem Vorgänger. Denn wo bei der ersten Auflage das Orchester primär unterstützend und um die Band herum agierte, sind die beiden Parteien hier vielmehr ein großes Ganzes und agieren miteinander, ergänzen sich und geben sich gegenseitig Raum. Zudem wurden diesmal Songs ausgewählt, die sich für eine Ergänzung bzw. Erweiterung durch das Orchester organisch anbieten – etwas, wofür „S&M“ zu Recht kritisiert worden war.

Darüber hinaus gibt es einige Momente, die von wirklich erhabener Qualität sind und zeigen, dass METALLICA eben doch mehr sind als „nur“ eine Metalband – auch wenn sie gerade für diesen Anspruch von vielen Menschen aus der Metalszene verachtet werden. Doch wer „(Anesthesia) Pulling Teeth“ – das Tribut für Cliff Burton, das Scott Pingel (Bassist des Orchesters) mit elektrischem Bass und Effekten spielt – ohne Gefühlsregung übersteht, dem fehlt einfach ein Stück Menschlichkeit. Das gilt auch für „The Unforgiven III“, das James Hetfield nur mit Orchesterbegeleitung und allein auf der Bühne sitzend vortägt. Zudem ist das, was der gute Mann abliefert, nicht nur ein wundervolles Tribut, sondern auch große Kunst. Das gilt ebenso für die zwei klassischen Stücke, bei denen METALLICA diejenigen sind, die etwas zum Orchester beisteuern. „Scythian Suite, Opus 20 II: The Enemy God And The Dance Of The Dark Spirits“ und „Intro To The Iron Foundry“ sind fantastische Werke, die sich mit ihren Dissonanzen und vertrackten Arrangements hervorragend für eine Verbindung von Klassik und Metal anbieten.

Die Aufzeichnung des Konzerts besticht durch einen tollen Sound, bei dem vor allem der Bass immer wieder punktuell mit richtig viel Kraft pumpt. Zudem ist es gelungen, den Sound zwar kraftvoll zu gestalten, dabei aber nicht auf Differenziertheit zu verzichten, sodass sowohl Orchester als auch METALLICA sauber zu hören sind und auch die Feinheiten der Lieder zur Geltung kommen.

So ist „S&M 2“ letztlich genau das geworden, was es zu sein verspricht. Es ist eine organische Kollaboration zwischen der unbestreitbar größten Metalband aller Zeiten (egal, was man von ihrer Musik hält) und einem Symphonieorchester, die besser nicht hätte gestaltet und gespielt werden können. Bild und Ton sind bestechend, die Fans sind aufgepeitscht und das überträgt sich auf sämtliche Akteure auf der Bühne, wie das breite Grinsen auf den Gesichtern der Orchestermusiker unterstreicht. So ist METALLICA einmal mehr eine Veröffentlichung gelungen, die nicht nur Metalfans ansprechen dürfte und die erneut die Messlatte für die Kooperation mit einem Orchester ganz hoch legt. Großartig.

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Wertung: 10 / 10

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5 Kommentare zu “Metallica – S&M 2

  1. Hm hm hm. Ich habe die DVD jetzt noch nicht gesehen, aber der Audiomitschnitt haut mich irgendwie nicht vom Hocker. Am besten funktioniert die Sache irgendwie, wo das Orchester unauffällig ist (was ja nicht Sinn der Sache sein kann) oder bei den Hits, die auch schon auf dem ersten Teil drauf waren.

    Gerade bei den neuen Songs finde ich es wenig organisch – verglichen mit wirklich großen Symphonic-Metal-Produktionen wie zuletzt der Septicflesh-DVD – und die Nur-Orchester-Sachen oder das Burton-Gedenk-Gedüdel finde ich ziemlich furchtbar.

    Immerhin spielen Metallica tatsächlich nicht so nen Stuss zusammen wie in den letzten Jahren live gerne mal … aber ansonsten hätte mir ehrlich gesagt der erste Teil völlig gereicht.

  2. Eine kleine Anmerkung: Neben den genannten fünf Songs am Ende und den Introsongs „The Ecstasy of Gold“ und „Call of the Ktulu“ sind noch zwei weitere Songs der ersten S&M hier enthalten, nämlich „The Outlaw torn“ und „No Leaf clover“; letzterer war damals extra für das erste S&M-Album komponiert worden.

    1. Da hast du absolut Recht – ist mir beim Blick auf die Tracklist offensichtlich entfallen. Wurde entsprechend geändert – vielen Dank für dein aufmerksames Lesen!

      1. „For Whom The Bell Tolls“ und „The Memory Remains“ waren auch auf der ersten S&M ;)

        Ich kann mich der Bewertung aber leider nicht anschließen. Wie schon auf Teil 1 klingt das alles für mich stellenweise sehr gezwungen. Gerade bei den neueren Liedern wirkt es nicht mehr organisch sondern als würden Band und Orchester sich ein Duell leisten.
        Schade, denn das Konzept Orchester und Metal kann gut funktionieren. Legacy of the Dark Lands wären da sehr beispielhaft. Wobei da ja auch wieder die „Band“ fehlt.

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