Metallica - 72 Seasons Cover

Review Metallica – 72 Seasons

Wenn ein neues METALLICA-Album das Licht der Welt erblickt, lässt sich dies ohne Übertreibung als Großereignis für die Metal-Welt bezeichnen – wir sprechen hier immerhin von der größten Metal-Band überhaupt. Es ist jedoch auch eine Band, die sich immer wieder gewandelt hat, was beileibe nichts Schlechtes heißen muss. Auf „Hardwired… To Self-Destruct“ von 2016 war der Thrash Metal, den METALLICA in den 80er-Jahren mit ihren legendären Alben wie „Master Of Puppets“ und „…And Justice For All“ entscheidend mitgeprägt hatten, zwar nur spärlich vorhanden. Doch konnte das Album die unsägliche Ära von „Load“ bis einschließlich „St. Anger“ mühelos wettmachen und auch das musikalisch zwar oldschoolige, qualitativ jedoch durchwachsene „Death Magnetic“ übertrumpfen. Mit „72 Seasons“ holen METALLICA nun zu einem neuen Schlag aus.

„42 Years of Metallica in over 77 Minutes“, stellt der Aufkleber auf der CD-Folie in Aussicht. Ein vollmundiges Versprechen, doch wird schnell klar, dass es sich hierbei nicht bloß um eine leere Phrase handelt. Bereits der einleitende, fast acht Minuten anberaumende Titelsong weiß durch 80er-Thrash-Riffs und James Hetfields angenehm rauen Gesang zu gefallen, um dann in einen überraschenden, hymnischen Refrain zu münden, den man dem „Black Album“ zutrauen würde. Eine gelungene Symbiose! Und so ist das Ungleichzeitige auch weiterhin auf dem Album vereint: Während ein Song wie „Sleepwalk My Life Away“ durch einige lässig vorgetragene Gesangs-Parts und die rockige Gitarrenarbeit bisweilen an „Load“-Zeiten erinnert (allerdings an die besseren Elemente davon!), bieten beispielsweise „Shadows Follow“ oder das großartige „Chasing Light“ vor allem in Sachen Riffing jeweils mehr Old School Thrash als alle Songs auf „Hardwired… To Self-Destruct“ zusammen. Entscheidend ist dabei, dass es METALLICA gelingt, alle Fäden stets passend zusammenlaufen zu lassen und aus den Elementen aus verschiedenen Ären der Band ein nachvollziehbares und durchdachtes Album zusammenzustellen.

Schon alleine der Umstand, dass „72 Seasons“ dabei insgesamt wieder deutlich thrashiger ist als der Vorgänger, ist ein Grund zur Freude. Auf der Suche nach veritablen Schwachpunkten kann nur „You Must Burn!“ genannt werden – mit seinen stumpfen Riffs und sehr viel Repetition handelt es sich um eine schwächere Nummer, doch lässt sich ein einzelner Ausrutscher bei zwölf Songs absolut verzeihen. Das umso mehr, weil alle anderen Songs vollends gelungen sind, wenngleich nicht jeder auf Anhieb überwältigen mag („Shadows Follow“ oder „Room Of Mirrors“ etwa sind Kandidaten, denen man mehr als einen Anlauf zugestehen möge, um sich ein Urteil zu bilden). Mit dem Titelsong, dem unverschämt ohrwurmhaften „Crown Of Barbed Wire“, den Vorab-Songs wie „If Darkness Had A Son“ oder dem bereits erwähnten „Chasing Light“ als wohl deutlichste Reminiszenz an die 80er-METALLICA-Ära auf dem Album hat „72 Seasons“ zudem eine ganze Menge an klaren Highlights, die sich so schnell nicht abnutzen werden.

Eine gestandene Band wie METALLICA darf es sich ruhig erlauben, sieben oder acht Jahre zwischen neuen Alben vergehen zu lassen. Im Falle von „72 Seasons“ hat sich das Warten gelohnt. METALLICA machen auf dem Album fast alles richtig und nehmen sich erfreulich viel Zeit für ihre Old-School-Seite. Damit denkt „72 Seasons“ den ebenfalls starken Vorgänger gewissermaßen weiter und darf gerne als stilistischer Ausgangspunkt für ein weiteres Album dienen.

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Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

5 Kommentare zu “Metallica – 72 Seasons

  1. Seh es auch so. So sehr man sicherlich manches an den letzten Metallica-Alben kritisieren konnte, klang trotzdem alles irgendwo nach Metallica. Sowohl der Load/Reload-Ausflug, das St. Anger-Experiment als auch die Rückkehr zu Thrash & Heavy Metal auf Death Magnetic und Hardwired. Selbst der Lulu-Unfall. Aber das hier? Das Teil klingt wie jede durchschnittliche Thrash Band der letzten 15-20 Jahre. Wenn nicht Hetfields „Yeah“s dazwischen wären, dann hätte ich nie im Leben erkannt, dass das Metallica sind. Es ist ja gar nicht so, dass die Musik schlecht wäre. Es sind nur einfach völlig generische Riffs, charakterlose Produktion. Als hätte man eine AI gebeten, ein Thrash Album zu produzieren. So ein Album, das man 1 mal hört, sich denkt „ah… nett“ und wieder weglegt und 5 min später vergessen hat. Das mutloseste Metallica-Album bisher.

  2. Jetzt nach einiger Zeit bin ich ernüchtert. Natürlich war für mich alles seit St. Anger, wenn überhaupt gehobenes Mittelmaß, aber auch ein bisschen unter den wenigen guten Songs der Blues Ära (Mama Said irgendwer?), aber 72 Seasons… Ist einfach belanglos. Vollkommen belanglos. Irgendjemand auf einem der größeren Metaldiscords Deutschlands fasste es m. E. gut zusammen: „Diese Art von Riffing und treibender Songstruktur kriege ich irgendwie bei jeder Thrash Band mittlerweile. Das muss ich dann nicht auf Zwang mit Hetfields „Yeah“ haben.“ Ich würde vielleicht hinzufügen: Es wäre nicht einmal nötig, dermaßen generischen Thrash zu spielen, weil das große M ja durchaus beweisen konnte auf den letzten Scheiben, dass sie durchaus noch einige gute Songs zustande bringen (Lords of Summer, Atlas Rise, Spit out the bone, My Apocalypse, Suicide and Redemption, Broken, Beat and Scarred… Zum Beispiel). Eventuell wäre es einfach gesünder nur noch eine EP zu machen. Und sich selbst endlich mal wieder Freiheiten zu lassen: Kirk darf jetzt Soundtracks komponieren über die James „yeaht“, Lars schlägt einfach nur noch auf das Becken und streckt die Zunge raus und Rob komponiert die tightesten Songs. Ich glaube das ist das eigentliche Problem: Metallica haben ein Idiom begründet und so verdienstvoll das ist: Mich würde es einfach nicht mehr wundern, wenn es einfach wundgespielt ist. Let it go, let it die.

    (Und die Sache mit den 72 Minuten bringt mich genauso zum Rasen! Das wäre ein wirkliches Aasset gewesen!)

  3. Geht mir sehr ähnlich. Hetfield klingt zwar großartig, aber die Songs wollen bei mir nicht zünden. Da ist unterm Strich leider vieles recht dröge, und auch einen Track wie „Lux Aeterna“ kann mittlerweile jede NWOTHM-Band besser abliefern. Abwegige Erwartungen beiseite, niemand hat geglaubt, dass da noch mal was von der Klasse der ersten vier, fünf Alben kommt. Aber selbst gemessen an dem Load/Reload-Material ist da nichts dabei, was an Songs wie „Outlaw Torn“, „King Nothing“ etc heranreicht. Vllt macht man auch einen Fehler, wenn man die Platte mit vorherigen vergleicht. Aber auch für sich allein stehend bietet sie mir persönlich nichts, was wirklich (nachhaltig) hörenswert ist.

  4. Kann dem bisher leider nicht viel abgewinnen. Es sind gute Momente drauf, starke Parts sowieso, aber das alles ergibt irgendwie keine schlüssigen, memorablen Lieder. Das Album wirkt wie eine Sammlung übriggebliebener, gefundener und wahllos von sich selbst geklauten Riffs, die übertrieben lang runtergenudelt werden.

  5. Ich hab das Album jetzt fünf Mal gehört oder so, und bin nach wie vor sehr unentschlossen. Irgendwie ists angenehm zu hören, aber halt auch reichlich unspektakulär.

    Pro:
    + Es klingt angenehm diskografieübergreifend und vereint Elemente alter wie neuer Metallica
    + Der Sound geht in Ordnung (wenn man von der Doublebass in „Lux Aeterna“ mal absieht – was ist denn da passiert?!?)

    Con:
    – Es bleibt quasi kein Song direkt hängen (mit der Zeit wirds besser)
    – Es zieht sich teilweise doch etwas … manchen Riffs hätten paar WHs weniger gut getan
    – WIE KANN MAN EIN ALBUM 72 SEASONS NENNEN UND DANN 77:08 MINUTEN MUSIK VERÖFFENTLICHEN? Die 5:08 hätt ich mir schon für das runde Gesamtbild gespart … zumal es dem Album gut getan hätte.

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