Konzertbericht: Metallica w/ Ghost, Bokassa

23.08.2019 München, Olympiastadion

„Metallica loves Munich!“ Fällt dieser Satz auch vermutlich in entsprechender Form bei jeder METALLICA-Show, scheint es im Fall der bayerischen Landeshauptstadt tatsächlich zu stimmen: Nach ihren Shows auf dem Rockavaria 2015 und auf Headlinertour 2018 in der Olympiahalle kehrt die Band nur ein knappes Jahr später zurück – diesmal in der Mission, dem alt-ehrwürdigen Olympiastadion alleine das berühmte Zeltdach abzuheben.

Auf all zu tatkräftige Unterstützung ihrer beiden Vorbands können sich Metallica dabei jedenfalls nicht verlassen: BOKASSA, ein sympathisches, aber nicht eben spektakuläres Rock-Trio aus Norwegen, müssen bereits um 17:45 Uhr vor leeren Rängen und Front-Of-Stage(FOS)-Bereichen ran. Und Tobias Forge und seinen GHOST gelingt bestenfalls ein Lacher, als ein Überraschungsgast als „Papa Nihil“ mit verspiegelter Sonnenbrille die Bühne betritt und ein schmissiges Saxophon-Solo hinlegt. Davon abgesehen ist die Show reichlich belanglos, was vor allem an den Rahmenbedingungen wie dem fast lächerlich leisen Sound, aber leider auch an der Band selbst liegt: Boniert und bestenfalls gewollt witzig, fällt „Cardinal Copia“ Forge als Entertainer heute komplett durch – egal, wie ausführlich er den Zuschauern erklärt, dass er ihre „asses“ nicht nur kicken, sondern auch wobbeln wird.

Ein Stadion zu füllen, ist eine respektable Leistung. Und doch erst der Anfang – schließlich will die schier unheimliche Weite der Ränge auch mit Atmosphäre gefüllt werden. Während Rammstein zuletzt an gleicher Stelle auf viel Pyro und Licht, dafür wenig Video setzten, gehen METALLICA den umgekehrten Weg: Fünf beeindruckende Großformat-Leinwände füllen die gesamte Hinterseite der gigantisch dimensionierten Bühne aus. Eindrucksvoll ist das allemal, zumal die Live-Bilder – eingefangen nicht zuletzt von über dem Publikum schwebenden Kameras – mit allerlei Effekten maßvoll verfremdet und immer wieder durch eindrucksvolle Animationen und Zeichentrick-Videos ergänzt werden.

Zugleich fällt es vor diesem Bombardement mit flackernden Bildern bisweilen schwer, sich auf die Musiker selbst zu konzentrieren, die selbst aus kurzer Distanz betrachtet zu Miniaturen zu schrumpfen scheinen, während sie als Riesen über die Leinwände jagen. Der Effekt wird durch die schier endlos erscheinende Breite der von den riesenhaften Buchstaben M und A aus dem METALLICA-Schriftzug eingerahmten Bühne verstärkt: In kleineren Konzertlocations spielen unterschiedliche Bands mit kleinerem Abstand zueinander als Kirk und Rob hier und heute. Nicht nur verglichen mit der extrem kompakten, intimen 360°-Bühne der Hallentour von 2018 fällt es da schwer, eine Banddynamik auszumachen. Wie sehr diese der Show fehlt, zeigt sich erst bei „For Whom The Bell Tolls“ und den folgenden drei Nummern, die James, Kirk, Rob und Lars (auf einem zweiten Drumkit) auf dem u-förmigen Steg „im Publikum“ spielen: Erst hier wird die Energie, die nach wie vor in den vier Männern steckt, greifbar.

Und doch überträgt sie sich kaum auf das Publikum: Das nur teilüberdachte Olympiastadion mit seinen flach ansteigenden Tribünen spielt METALLICA dabei sicherlich ebenso wenig in die Karten wie die Tatsache, dass die Hits heute so leise wie wohl noch nie aus der PA schallen. Schlimmer noch ist jedoch, dass direkt vor der Bühne dank der höherpreisigen FOS-Tickets ungefähr so viel Konzertatmosphäre aufkommt wie Wiesnstimmung im Käferzelt. Sehen und (später auf Instagram) gesehen werden: ja. Headbangen, Moshen, Mitsingen? Fehlanzeige. Dabei hätte das heutige Set – reich an älteren und härteren Nummern – all das durchaus nahegelegt.

Doch auch METALLICA muss man heute ins Gebet nehmen. Die Idee, erstmalig seit 2011 wieder das epische Instrumental „Call Of Ktulu“ aufzuführen, ist gut, die Umsetzung leider etwas schlampig. Als Verursacher ist weniger der oft gescholtene Lars Ulrich auszumachen, denn Star-Guitarrero Kirk Hammett, dessen virtuose Tage, in denen man von ihm pro Set mehrere Soli geboten bekam, vorbei zu sein scheinen. So wirkt auch der „Fun-Part“, in dem Kirk und Rob wie schon 2018 die Spider Murphy Gang covern, in seiner Wahl wie in seiner Interpretation uninspiriert: Nicht zuletzt, da das diesmal gewählte „Schickeria“ weit weniger populär ist als das 2018 gespielte „Skandal im Sperrbezirk. Zumindest bei den großen Klassikern – sei es nun aus dem Bereich Thrash („Master Of Puppets“) oder Ballade („Nothing Else Matters“) – ist aber auch heute Gänsehaut garantiert.

  1. Hardwired
  2. The Memory Remains
  3. Ride The Lightning
  4. Harvester Of Sorrow
  5. The Unforgiven
  6. Here Comes Revenge
  7. Moth Into Flame
  8. Sad But True
  9. The Call Of Ktulu
    — Solo Rob & Kirk (Schickeria [Spider-Murphy-Gang-Cover], ManUNkind, Orion)
  10. Frantic
  11. One
  12. Master Of Puppets
  13. For Whom The Bell Tolls
  14. Creeping Death
  15. Seek & Destroy
  16. Spit Out The Bone
  17. Nothing Else Matters
  18. Enter Sandman

Dank der berühmt-berüchtigten Lärmschutzbestimmungen ist nach einem ansehnlichen Feuerwerk um Punkt 23:00 Uhr Schluss im Münchner Olympiapark. Damit ergibt auch der von METALLICA um 20 Minuten verzögerte Showbeginn Sinn: Zu spät gekommen, um keine Minute zu früh aufzuhören – eine gewisse Spießigkeit ist dem nicht abzusprechen. Und das, obwohl sich James Hetfield zuvor noch über die frühe Uhrzeit amüsiert und den Fans gewohnt humorig angeboten hatte, eine Entschuldigung für ihre Eltern zu schreiben. Am Ende scheint das frühe Ende dem Münchner Publikum auch gar nichts auszumachen: So kann man wenigstens noch auf einen Drink gehen – unverschwitzt, aber natürlich, ein wenig ausgeflippt, im METALLICA-Leibchen. Ob sich METALLICA wohl der wahren Ironie ihres heutigen Fun-Covers bewusst waren?

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2 Kommentare zu “Metallica w/ Ghost, Bokassa

  1. p.s.: Den Witz mit der Uhrzeit hast Du übrigens nicht richtig verstanden; es ging darum nach X Songs Schluss zu machen – oder will etwa noch jemand mehr hören…?

  2. Warst Du auf demselben Konzert? Ich war 3. Reihe FOS. Gute Stimmung – super Sound. Das war die 24. Show dieser Tour und sie haben jedesmal so früh angefangen. Das hat mit München nichts zu tun. Der Zeitplan war immer ungefähr derselbe. Irgendwie warst Du auf dem falschen Konzert; jedenfalls für Dich…

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