Review Mono Inc. – Nimmermehr

Anno 2010 waren die Hamburger Düsterrocker MONO INC. das Paradebeispiel für den Erfolg einfacher Rezepte: Voller Unbekümmertheit genügten Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug, um dem eingestaubten Gothic Rock neues Leben einzuhauchen. Besonders live machten sich Martin Engler, Katha Mia und Co. bundesweit einen Namen. Nach ASP und Subway to Sally folgten erste eigenen Headlinershows sowie eine Support-Tour für Unheilig – und das Naserümpfen begann langsam. Unbeeindruckt davon veröffentlichte der gothrockige Vierer jedes Jahr neues Material, welches zwar stilistisch immer für MONO INC. stand, aber eben im Abwechslungsreichtum begrenzt war. Mit „Nimmermehr“ erreichen die Norddeutschen nun den Tiefpunkt ihres musikalischen Schaffens, da neben stilistischer Gleichförmigkeit ein zu offensichtlicher Fremdeinfluss und eine zu kommerzielle Ausrichtung spürbar sind.

Wie ist es anders zu erklären, dass das neue Album wenige Monate vor der Veröffentlichung von „Nevermore“ auf „Nimmermehr“ umbenannt wird. Mag die Sprache nicht unbedingt stellvertretend für die Qualität eines Songs stehen, so sind es besonders die neuen deutschsprachigen Stücke, die „Nimmermehr“ zu einer bedeutungsschwangeren Bankrotterklärung voller Plattitüden und Pathos degradieren. Stellvertretend sei dafür  „Heile, heile Segen“ genannt, das auf einem banal abstrahierten Kinderreim beruht:

Komm und spiel mit mir,
komm ich knie vor dir,
komm und halt mich warm,
in deinem Arm.
Immer wenn das Licht mir fehlt,
wenn mich die Sehnsucht quält,
siehst du nicht ich leide weil,
niemand meine Schmerzen teilt.

Und als zweites Prunkstück „Ich teile dich nicht“, welches das Thema Stalking aufgreifen soll:

Ich absorbier deinen Schmerz,
Ich hülle dich ein,
Ich observier deinen Heimweg,
Vorsicht muss sein.
Ich bewache dein Herz,
Gegen jede Gefahr,
Und wiege dich in den Schlaf,
Wenn du artig warst.

Weitere Kommentare erübrigen sich an dieser Stelle.
Wer sich allerdings mit eben jener Sprache identifizieren und dazu eine emotionale Bindung aufbauen kann, der wird mit „Nimmermehr“ als Gesamtwerk mehr als nur glücklich sein – vermutlich nicht nur aus textthematischer Sicht, gerät die musikalische Ausgestaltung doch vom Niveau her ähnlich einfach.
Für alle anderen hilft bei „Kein Weg zu weit“ auch nicht die prominente Unterstützung von Joachim Witt im Leadgesang nebst Kinderchor am Ende, ebensowenig wie das Piano als Leitfigur bei „Alles was bleibt“.  Und ein „Herzschlag“ – ich zitiere – leichter als leicht bzw. härter als weich? Unheilig Unser im Pophimmel, erlöse uns!
Ja, der Graf, er schwebt wie ein unsichtbarer Schatten über „Nimmermehr“. Klingt „Seligkeit“ mit dem elektronisch geschwängerten treibenden Gitarren anfangs noch wie das Graf’sche „Seenot“, so verliert sich der Refrain im Schlagerpop, wie ihn Unheilig erst einige Jahre später auf „Lichter der Stadt“ formvollendet präsentiert haben. MONO INC. bedienen sich hier wenig geschickt an etablierten Erfolgsstrategien anderer Künstler und nötigen so wenig Respekt für das eigene Schaffen ab bzw. überraschen zu keiner Sekunde.
So ist „Nimmermehr“ neben „Alles was bleibt“ die zweite Klaviernummer und bereits bei den ersten Takten hat man als MONO INC.-Konzertbesucher früherer Tage vor dem geistigen Auge, wie dazu am Ende eines Konzerts Wunderkerzen geschwenkt werden. Was in diesem Fall kein Kompliment ist, denn gerade die Berechenbarkeit der Live-Auftritte hat das Quartett in den letzten Jahren mehr zu einem künstlichen Massenphänomen als zu einem inspirierenden Hoffnungsträger gemacht. Auf „Nimmermehr“ erhält diese Entwicklung nun endgültig Einzug in die Studiowerke.
Und dass die Kreativität im Hause MONO INC. an ihrem Ende angelangt ist, beweist die Tatsache, dass mit „Euthanasia“ wieder ein älterer Song einfach kosmetisch ein wenig retouchiert wurde und sich in dieser Aufmachung auf der neuen Veröffentlichung befindet – wenige Jahre nach dem ursprünglichen Release auf einem der Vorgänger. Der Qualität des Songs tut dies wenig Abbruch – und auch „My Deal With God“ sowie „Days Like This“ sind gelungene Goth-Rock-Kompositionen, die noch nicht zu weichgespült und verunheiligt über die Lautsprecher dringen. Auch die Duettelemente von Martin Engler und seiner Schlagzeugerin bei „The Clock Ticks On“ sind besonders im Vergleich zum katastrophalen „Ich teile dich nicht“ beinahe eine Wohltat. Aber um eklatante Schwächen zu kompensieren, benötigt es weniger ausgeprägte Stärken, sondern lediglich ein paar Erinnerungen an frühere Zeiten, als MONO INC. noch neu und unverbraucht waren. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.

Der Schritt hin zur deutschen Sprache steht den Monos in keinster Weise zu Gesicht und besonders Fronter Martin Engler leidet unter den viel zu deutlich gewollten Parallelen zum glatzköpfigen Frackträger. Zu sehr verdichtet sich der Eindruck, dass hier eine künstliche Maschinerie im Hintergrund am Werk ist, die dafür sorgen möchte, dass die Hamburger noch den Sprung auf den Unheilig-Zug schaffen, bevor es zu spät ist. So ehrenwert es sein mag, die gesamten Einnahmen aus den Downloads von „Heile, heile Segen“ an die Bärenherz Stiftung zu spenden. Ein fader Beigeschmack bleibt, wenn man einen Blick auf den Tourkalender der letzten Jahre und die aktuelle Vermarktungsmaschinerie im Hause MONO INC. wirft. Einzig einige der englischsprachigen Nummern sowie eine hervorragende Produktion retten „Nimmermehr“ vor dem Totalabsturz.
Lyrisch wie musikalisch entbehren hingegen alle deutschen Stücke jeglicher Seele und führen besonders bei Sprachliebhabern zu innerlichen Weinkrämpfen sowie der letztlichen Erkenntnis: MONO INC.? Nimmermehr. Ab August dann auch auf RTL 2.

Wertung: 2.5 / 10

Publiziert am von

3 Kommentare zu “Mono Inc. – Nimmermehr

  1. Ja, sehr treffende Bewertung. Inzwischen hat Mono Inc auf seiner Webseite wegen der vielen kritischen Stimmen dazu ein Statement abgegeben. Trotz diverser Dementis wird es wahrscheinlich so wie bei UH werden. Damit muss dann die Band klarkommen wenn ehemalige Pur Fans die neue Zielgruppe darstellen. Dafür werden Sie ja auch finanziell entschädigt. Ich gönne jedem Musiker seiner Erfolg finde es nur schade wenn eine Band für mich unhörbar wird.

  2. Ganz gruselig was auf denen geworden ist.
    Bei den älteren Sachen ist durchaus der eine oder andere gute Song, aber das hier schießt echt den Vogel ab. Allein schon dieses unsägliche „Heile heile Segen“ ist zum davonlaufen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert