Review Motörhead – Ace Of Spades

  • Label: Bronze
  • Veröffentlicht: 1980
  • Spielart: Hard Rock

Aus musikgeschichtlicher Perspektive war 1980 auf den ersten Blick kein so gutes Jahr. Bon Scott gestorben, John Bonham gestorben, Christina Aguilera geboren. Allerdings gab es zu dieser Zeit in Großbritannien mit der wachsenden New Wave of British Heavy Metal auch eine aufstrebende Bewegung junger, frischer Bands, die traditionellen Heavy Metal und Punk zu einer energetischen Mischung kombinierten. Mittendrin: MOTÖRHEAD. Die mögen nun freilich bei weitem nicht die naheliegendste Musikgruppe sein, die man mit der NWoBHM in Verbindung bringt, doch standen beide in fruchtbarer Wechselwirkung: Einerseits hauchte das Trio mit seinen wichtigen Veröffentlichungen der damaligen Metalszene neues Leben ein, andererseits profitierte es eindeutig von diesem musikalischen Trend.

MOTÖRHEAD waren zu jener Zeit noch nicht die Szene-Dinosaurier, als die sie heute bekannt sind, sondern zarte fünf Jahre alt und hatten zuletzt mit ihren Alben „Overkill“ und „Bomber“, die beide im Vorjahr veröffentlicht worden waren, weiterhin gute Vorarbeit in Sachen Popularität geleistet. Mit „Ace Of Spades“ gelang es den drei Herren, ihr bisheriges Schaffen zu toppen und die britischen Albumcharts bis auf Platz 4 zu erklimmen. Dementsprechend erreichte die Scheibe bereits vier Monate später Goldstatus. Auch produktionstechnisch sollte es der bis dato beste MOTÖRHEAD-Output werden, was vor allem daran lag, dass man mit Vic Maile den richtigen Mann hinterm Mischpult sitzen hatte, der aus den Musikern Höchstleistungen herauskitzelte. Nach dem Folgealbum „Iron Fist“ sollte es jedoch vorerst vorbei sein mit dem Erfolg – bandinterne Streitigkeiten, Line-Up-Wechsel und Labelprobleme bestimmten den MOTÖRHEAD-Alltag.

„Ace Of Spades“ ist in erster Linie ein geradliniges Rockalbum, auf dem von der Metalschlagseite der späteren Veröffentlichungen noch nicht viel zu hören ist. Das Westernmotiv auf dem Cover war Eddie Clarkes Idee, der eine Schwäche für Clint Eastwood hatte – jedoch war Lemmy zu der Zeit als einziges Bandmitglied bereits in den Vereinigten Staaten gewesen, und so fand das Foto-Shooting nicht etwa in der US-Wüste, sondern in einer Sandgrube in Barnet, London statt. Die Musik geht größtenteils simpel und schnörkellos zur Sache (nur ein Track sprengt die Vier-Minuten-Marke), für damalige Verhältnisse auch recht heftig und klar vom Punk beeinflusst. Das beginnt schon mit dem rumpelnden, treibenden Basslauf der Titelnummer und Bandhymne, die als Opener der Platte fungiert. Ein Song, der bei den Fans ebenso beliebt wie er bei Lemmy verhasst ist – letzteres vor allem, da die Gruppe des Öfteren auf dieses Lied reduziert wird.

Ansonsten wechseln sich auf „Ace Of Spades“ groovende Tracks mit lässigen Riffs und deutlichem Blues-Einschlag („Love Me Like A Reptile“, „Fast And Loose“, „Dance“) mit flotten Uptempo-Rockern ab („Bite The Bullet“, „The Hammer“, „(We Are) The Road Crew“). Eddie Clarke räumt hier auch wiederholt eindrucksvoll mit dem Vorurteil auf, dass ein Gitarrensolo von MOTÖRHEAD nur so lange dauere, wie man brauche, um eine Flasche Bier zu öffnen. Des Weiteren klingt die Platte durch die Live-im-Studio-Atmosphäre sehr dynamisch und lebendig – Produzent Maile hatte die ideale Balance zwischen hochwertigem Sound und dreckigem Rock ‘n’ Roll gefunden. Der typische Bandsound mit vordergründigem, verzerrtem Bass, der auch hier zu hören ist, muss wohl niemandem mehr näher beschrieben werden.

Auch die Texte sind sehr einfach und lebensnah gehalten und passen so ideal zur musikalischen Untermalung. Lediglich im Titeltrack geht es ums Spielen (im Sinne von Glücksspiel), wohl merkt man aber, dass die Jungs mit großer Vorliebe an Frauen herumspielten. Ein (übrigens ausgezeichneter) Song wie „The Chase Is Better Than The Catch“ rief aufgrund seiner Macho-Lyrics denn auch die eine oder andere Feministin auf den Plan, hingegen wurde „Jailbait“ mit der unverhohlen zur Schau gestellten Leidenschaft für gerade so volljährige Mädchen komplett ignoriert. Von der Publicity konnte der Dreier jedenfalls nur profitieren.

Mit ihrem vierten Album „Ace Of Spades“, das die Gruppe auf der Spitze ihres damaligen Erfolgs zeigt, haben sich MOTÖRHEAD im für konservative Fankreise besten Line-Up der Bandgeschichte selbst ein Denkmal gesetzt. Jeder Song gilt als Klassiker und klingt auch nach über dreißig Jahren noch kein bisschen eingestaubt. Zieht man in Betracht, dass die Kombo um Lemmy, der einerseits eine lebende Legende mit Halbgottstatus, andererseits der bodenständigste Kerl im Rock ‘n’ Roll ist, noch heute im Zweijahresrhythmus hochwertige Alben veröffentlicht und sich größerer Beliebtheit denn je erfreuen kann, ist das umso beeindruckender. Diese Platte sollte in keiner Rock/Metal-Sammlung fehlen, die auch nur ansatzweise einen Anspruch auf Vollständigkeit hat.

Wertung: 10 / 10

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