Review Neal Morse – So Many Roads – Live In Europe

Dieser Tage erscheint ein neues, üppiges Livepaket von Prog-Tausendsassa Neal Morse: Auf „So Many Roads – Live In Europe“ versammeln sich auf drei Silberlingen fast alle Songs, die Neal und Band im Rahmen der letztjährigen Tour gespielt haben. Insgesamt kommt das CD-Set auf mehr als drei Stunden Spielzeit. Besonders reizvoll dabei: Die Aufnahmen stammen von unterschiedlichen Abenden, sodass alle Besucher dieser Tour einige Songs ihres Konzertabends noch einmal erleben können. Dank nahtloser Übergänge kommt beim Hören das Gefühl auf, man lausche eigentlich einem durchgehenden Konzert.

Die holländische Band, bestehend aus Collin Leijenaar (Schlagzeug, Gesang), Elisa Krijgsman (Gitarre, Gesang), Henk Doest (Keyboards), Wilco van Esschoten (Bass, Gesang) und Jessica Koomen (Gesang, Percussion, Keyboard) präsentiert sich wesentlich sicherer und selbstbewusster als noch auf Neals letzter Live-CD „? Live“ (2007). Ihr Zusammenspiel ist mittlerweile deutlich homogener, genauer und druckvoller. Besondere Erwähnung verdient Drummer Collin Leijenaar, der Mike Portnoys Schlagzeugspuren von Neals Solowerken herausgehört, sie Stück für Stück einstudiert und nun hier überzeugend rübergebracht hat. Sehr gut zu Neals Musik passt auch die wunderbar klare, helle Stimme von Jessica Koomen, die bereits im ersten Stück, dem Spock’s Beard-Klassiker „At The End Of The Day“, mit engelsgleichen Gesang zu begeistern weiß. Sie übernimmt dort die Parts, die früher von Nick D’Virgilio gesungen wurden.

Von Neals aktuellem Prog-Album „Lifeline“ werden gleich vier Stücke zum Besten gegeben: Der Titeltrack, die schöne Ballade „The Way Home“, das frickelige „Leviathan“ sowie der 30-minütige Longtrack „So Many Roads“. Ansonsten kommt jedes seiner Prog-Solowerke zu seinem Anteil, lediglich von „Sola Scriptura“ (2007) wird nichts gespielt. Ein paar Klassiker aus Spock’s Beard- („At The End Of The Day“, „Walking On The Wind“, „I’m The Guy“) und Transatlantic-Zeiten („We All Need Some Light“, „Bridge Across Forever“, „Stranger In Your Soul“) sowie ein Akustik-Folksong („That Crutch“) runden das Programm ab.

Highlights sind „Author Of Confusion / I’m The Guy“, bei dem es die Band tatsächlich schafft, den Gesang der Studioversion zu reproduzieren, „We All Need Some Light“ mit toller Beteiligung des Publikums, das einfach perfekt komponierte „Walking On The Wind“ sowie die wohl grandioseste Version, die es von „Stranger In Your Soul / Bridge Across Forever“ je gegeben hat. Energiegeladen, hymnisch und schlicht und einfach zutiefst berührend. Auch „So Many Roads“ gewinnt gegenüber der Studioversion vom „Lifeline“-Album.

Die Aufnahmequalität der drei CDs geht in Ordnung, hier wurde allem Anschein nach wenig nachbearbeitet, sodass das Material tatsächlich wie eine Liveperformance klingt und nicht wie eine perfekte, klinische Studioaufnahme. Etwas unverständlich bleibt hingegen, warum das „Question Mark“-Medley wieder auf den CDs gelandet ist: Schließlich gibt es mit „? Live“ bereits einen Livemitschnitt, der das komplette „Question Mark“-Album enthält. Vielleicht hielt die Band die Performance für gelungener als seinerzeit auf „? Live“.

Die Silberlinge sind in einem ordentlichen Digipack mit schlichtem Artwork untergebracht – auf Papphüllen (wie bei der 3CD-Augabe der letzten Dream Theater-CD „Black Clouds & Silver Linings“) wurde dankenswerter Weise verzichtet.Insgesamt ist „So Many Roads – Live In Europe“ ein gutes Livedokument. Es bringt den Spirit eines typischen Showabends mit dem amerikanischen Musiker und seiner holländischen Liveband hervorragend in unsere Wohnzimmer. Vielleicht auch ein tolles Geschenk für Leute, die Neal Morse mögen könnten, ihn aber noch nicht kennen. Vor allem aber beweist es, dass die holländische Band Neal endlich auch auf seinen Studioalben unterstützen sollte.

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