Review Nephilim – Erwachen

Es gibt Bandnamen, die schon im Vorfeld eine gewisse Erwartungshaltung schüren. Ganz unzweifelhaft zählen NEPHILIM dazu, die mit ihrem zweiten Longplayer „Erwachen“ symphonischen Düstermetal aus Sachsen in die Welt tragen wollen. Stolze sechs Jahre hat man sich Zeit gelassen, um dem Debüt einen Bruder zu geben. Gelohnt hat sich die Zeit in jedem Fall.

Die 13 Titel, die sich recht ausgeglichen auf 53 Minuten Spielzeit verteilen, präsentieren eine Band, der man das Undergroundstadium kaum abnehmen kann. Viel zu ausgereift klingt das Sextett, sowohl was Songwriting, als auch Produktion betrifft. Die Nummern sind allesamt sorgfältig durcharrangiert und so bleiben sie mitunter schon beim ersten Durchgang in den Gehörgängen haften. Natürlich bedient man sich des einfachen Tricks, gut klingende Refrains einfach das gewisse Mal öfter zu spielen, aber erstens ist das legitim und zweitens droht auch nach wiederholtem Genuss keine Langeweile.
Dafür wird Abwechslung einfach zu groß geschrieben. Die Gitarrenriffs sind zwar sicher keine Neuerfindung, aber von einem Plagiat sind wir auch ein riesiges Stück entfernt. So nutzen NEPHILIM die komplette Bandbreite, die die Spielart bietet, zudem überschreiten die Sachsen gerne etwa einengende Grenzen. Ebenfalls sehr gelungen sind viele kleine Kniffe, ein einfaches, aber wirkungsvolles Break an der richtigen Stelle und schon ist „Erwachen“ um eine Facette reicher.
Glücklicherweise sind die Musiker allesamt keine Anfänger, zwar gibt es nicht das allerschlimmste Saitengewichse zu hören, aber ein paar progressive Tendenzen lassen sich ausmachen. Dem steht Sänger Litzer in nichts nach und growlt, kreischt und grunzt sich durch das Programm, welches aufgrund der einzelnen Titel ein tieferes Konzept vermuten lässt. Zwar müssen NEPHILIM im textlichen Bereich ein paar Abstriche hinnehmen („Was kommt nach dem Tod? Was kommt nach dem letzten Abendrot?“), aber darüber sieht man angesichts der musikalischen Qualität leicht hinweg.
Diese kann man auch dem Keyboard attestieren. Sicher sind die Tasten oft ein Streitfall, aber auf „Erwachen“ passen sie einfach wie angegossen. Besonders die Streicherarrangements drücken den Songs einen markanten Stempel auf. Mal flächig, mal aber auch bedrohlich im Pizzicato-Stil, spielen sie sich gerade so weit in den Vordergrund, dass man von einer gelungenen Melange sprechen kann. Überhaupt ist der bereits angesprochene, sehr reife Sound ein weiterer Pluspunkt. Die breiten Gitarren und das mächtige Bass-Schlagzeug-Fundament entfachen erst die Kraft, die eine Platte wie „Erwachen“ braucht.

Was fehlt NEPHILIM also? Man ist geneigt zu sagen: nichts. Oder doch: ein Plattenvertrag natürlich. Selten erlebt man eine Band ohne Deal auf so einem Niveau, die Firmen sollten dringend Ausschau halten nach sieben Vollblutmusikern, die mit einer gehörigen Vision, Spielfreude, der entsprechenden Technik und einem phantasievollen Songwriting glänzen. Aber auch alle Freunde symphonischer, dunkler Musik sollten „Erwachen“ zumindest einmal probehören.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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