Review Riverside – Eye Of The Soundscape

RIVERSIDE ist wahrlich keine Band, die man noch groß vorstellen muss. Die Polen haben sich bis zu „Love, Fear And The Time Machine“ mit sechs Studioalben in das Herz von Progressive-Liebhabern auf der ganzen Welt gespielt. Umso schmerzlicher war der Tod des Gründungsmitglieds und Gitarristen Piotr Grudzinski im Februar diesen Jahres. Mit „Eye Of The Soundscape“ legt die Band jetzt ein experimentell-instrumentales Projekt vor, das vor allem dem langjährigen Weggefährten gewidmet ist, dessen letzte Arbeiten hier verewigt wurden.

Über zwei CDs verteilen sich 13 Songs, die allesamt zwischen 2007 und 2016 entstanden sind. Gemeinsam mit den Produzenten Magda Srzednicka und Robert Srzednicki wurden diese klangvollen Stücke im Serakos Studio in Warschau aufgenommen. Mit „Where The River Flows“ und „Shine“ bietet das Release gleich zum Einstieg zwei brandneue Songs, von denen vor allem ersterer mit intensiver Atmosphäre überzeugen kann. Zweiterer formt ebenfalls interessante Klanggebilde, kann sich aber durch seine kurze Laufzeit nicht wirklich durchsetzen. Anders gestalten sich im Gegenzug der neu aufgenommene Mix von „Rapid Eye Movement“ und die beiden Teile der „Night Session“, die beide als Bonus von „Shrine Of Generation Slaves“ erstmals erschienen sind. Es ist überaus spannend zu betrachten wie RIVERSIDE (fast ausnahmslos) ohne Gesang funktionieren. Die Stücke entwickeln ein schier unbändig-atmosphärisches Wirrwarr der Gefühle, bleiben zwar immer noch progressiv, doch offenbaren auch viele Momente, die man ansonsten eher im Post-Rock oder New Age ansiedeln würde. Der furiose erste Akt geht mit dem Augenmerk auf diese speziellen Momente, die mit Gesang oftmals verborgen bleiben, vortrefflich zu Ende.

Der zweite Teil von „Eye Of The Soundscape“ startet mit einem weiteren brandneuen Klangexperiment, das seinem Namen auch alle Ehre macht. „Sleepwalkers“ ist eine Mixtur aus melodiösen Gitarrenleads und verschrobenen Electro-Spielereien, die in ihrem Verlauf auch dezente bis markante Chorgesänge einbindet. Außerdem ist hier noch die Single „Rainbow Trip“ zu finden, die ebenfalls neu gemixt wurde und bis dato nur in Polen veröffentlicht wurde. Der Song lebt von eingängigen Piano-Melodien und psychedelisch-lockerem Gitarrenspiel. Dazu kommt ein prägnant-rhythmisches Schlagzeug, das sich nach knapp zwei Minuten erhebt und so den Drive des Titels weiter unterstreicht. Die nächsten fünf Nummern zwischen „Heavenland“ und „Promise“ sind allesamt als Bonus-Material des letzten Studioalbums erschienen und sollten daher dem geneigten Hörer schon bekannt sein. Als Abschluss bieten die polnischen Musiker mit dem Titelsong ein knapp elfminütiges Songkonstrukt an, das als ambienthafte Klangcollage wirkt, auf Rockelemente komplett verzichtet und dennoch mit seinem verträumt-melancholischen Charme gekonnt diese Veröffentlichung abrundet.

RIVERSIDE haben mit „Eye Of The Soundscape“ kein bloßes Instrumental-Abfrühstücken bekannter Songs erarbeitet. Vielmehr verbinden sie neue und bereits bekannte Stücke gekonnt miteinander und erschaffen durch die Herangehensweise zwischen Progressive Rock, Post-Rock und Ambient/New Age ein höchst emotionales und von Abschiedsstimmung geprägtes Doppelalbum. Einigen Fans wird diese instrumentale und experimentelle Seite sicherlich nicht sonderlich gefallen. Dennoch bleibt es qualitative Musik, die den angebahnten Weg der Vorgänger-Alben gekonnt weiterträgt und zugleich ein bedeutendes Kapitel der Bandgeschichte abschließt.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Christian Denner

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