Konzertbericht: Riverside w/ Iamthemorning

20.09.2019 München, Freiheiz

Obwohl RIVERSIDE vor nicht einmal einem Jahr im Rahmen ihrer „Wasteland“-Tour in Deutschland unterwegs waren, sind die Prog-Rocker nun noch einmal für ein paar Zusatztermine zurückgekehrt. Unter anderem nach München, wo die Band in der Freiheizhalle auftritt. Mitgebracht haben die Polen das zurzeit gefragte, russische Progressive/Chamber-Pop-Duo IAMTHEMORNING, das gerade erst sein neues, viel gelobtes Album „The Bell“ veröffentlicht hat.

Äußerst ärgerlich ist mal wieder, dass das Konzert nicht zum kommunizierten Zeitpunkt 20:00 Uhr beginnt, sondern schon deutlich früher. So verpassen einige, die erst kurz vor acht in der Freiheizhalle ankommen, einen Teil des Sets von IAMTHEMORNING, die heute als einziger Supportact den Abend eröffnen dürfen. Das ist vor allem deshalb schade, weil Sängerin Marjana Semkina und Pianist Gleb Kolyadin zusammen mit ihrem Live-Schlagzeuger und Live-Cellisten einen in jeglicher Hinsicht makellosen Auftritt abliefern: Die in einem weißen Kleid über die Bühne tänzelnde Semkina trifft über den gesamten Abend hinweg jeden einzelnen Ton, während Kolyadin am Piano seine virtuosen, aber auch gefühlvollen Fertigkeiten unter Beweis stellt.

In ihren Ansagen präsentiert Semkina sich zurückhaltend, bodenständig und dankbar, aber auch humorvoll. Etwas verlegen erzählt sie etwa, dass ihr Tourauftakt für die Deutschlandtermine am Vortag in Reichenbach wohl ziemlich zäh verlief, da das Publikum kaum Englisch verstand und auch die Musik von IAMTHEMORNING eher skeptisch aufnahm. Umso mehr freue sie sich, dass sie heute in München so herzlich empfangen werden. Denn tatsächlich ernten die vier Musiker nach jedem Stück lauten, begeisterten Beifall. Bei ihrem Stück „5/4“ schafft Semkina es schließlich sogar, die Anwesenden in ebenjenem Takt zum Mitklatschen zu motivieren. Besser als IAMTHEMORNING an diesem Abend kann man die Aufgabe einer Vorband kaum erfüllen. Einzig, dass die Gruppe die sich eigentlich schon aufdrängende Chance ungenutzt lässt, ihren mit Riverside-Sänger Mariusz Duda aufgenommenen Song „Lighthouse“ zu spielen, ist etwas schade und irritierend.

In der Umbaupause läuft nicht, wie sonst üblich, ein Musikmix, sondern es wird ein atmosphärischer Track auf Dauerschleife abgespielt, bei dem lediglich Wind und ein paar einzelne Klaviertöne für eine unheimliche Stimmung sorgen. Da die Umbaupause allerdings gute 25 Minuten dauert, wäre dieser Effekt für die letzten fünf Minuten wohl größer gewesen, denn mit der Zeit gerät der Ambient-Track eher in den Hintergrund.

Dennoch leiten RIVERSIDE diesen schließlich fließend in ihren Auftritt über. Die polnische Progressive-Rock-Größe hat heute vor allem in Sachen Lichttechnik einiges aufgefahren: Noch bevor die Musiker die Bühne betreten, wird der Raum von Lichtstrahlen gefüllt, die von acht Scheinwerfergruppen stammen, deren Kopfteile sich um 360° drehen lassen. Die damit vorgefertigte und auf die Musik angepasste Lichtshow macht einiges her. Statt mit einem großen Knall beginnt das Konzert ganz sanft mit dem Abschlusstrack „The Night Before“ ihres aktuellen Albums „Wasteland“, bei dem nur Fronter und Band-Mastermind Mariusz Duda zum Klavierspiel von Michał Łapaj singt. Erst im Anschluss steigt die ganze Band bei makellosem Live-Sound zu den großartigen Stücken „Acid Rain“ und „Vale Of Tears“ ein. Bereits hier zeigt sich, dass das Publikum text- und melodiesicher ist, indem einige die markanten Gesangsmelodien mitsingen.

Tatsächlich ist das ganz im Sinne der Band: Duda – der über den Abend hinweg sehr viel und sehr lang mit den Zuschauern über Erklärungen, Witze und Anekdoten kommuniziert – erklärt, dass die Band das Publikum heute so umfangreich wie möglich in Mitmachaktionen einbinden wolle, da Progressive Rock ja immer der Ruf anlaste, nur von alten Leuten und Snobs gehört zu werden. Wann immer also eine derartige Melodie oder ein markanter Rhythmusteil im Song auftaucht, animiert Duda die Menge zum Mitgröhlen und -klatschen und dehnt mit seinen Mitmusikern dafür manches Stück extra weiter aus.

Der schwere Tourstart durch ein mäßig aktives Publikum in Reichenbach, mit dem bereits Iamthemorning zu kämpfen hatten, traf aber wohl auch RIVERSIDE. Duda erzählt von den Schwierigkeiten des wohl überwiegend aus anderen Städten angereisten Publikums, wenngleich RIVERSIDE als Hauptact vergleichsweise noch die bessere Ausgangssituation hatten. Mit dem Münchner Publikum zeigt er sich umso zufriedener. Nach etwa eineinhalb Stunden beenden RIVERSIDE ihr Hauptset dann mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums, bei dem er erneut mit den Zuschauern kurz zuvor den Mitsingpart einstudiert. Einen Zugabenblock lässt sich die Band aber natürlich nicht nehmen. So kehren die vier Musiker noch einmal zurück, um drei Stücke zu spielen. Darunter den finalen Song „River Down Below“, den die Band in einer emotionalen Geste ihrem 2016 verstorbenen, langjährigen Gitarristen und Freund Piotr Grudziński widmet. Ein würdiger Abschluss für ein großartiges Konzert.

  1. The Night Before
  2. Acid Rain
  3. Vale Of Tears
  4. Escalator Shrine (nur Mittelteil)
  5. Lament
  6. Saturate Me (nur erster Teil)
  7. Out Of Myself
  8. Second Life Syndrome (nur erster Teil)
  9. Left Out
  10. Guardian Angel
  11. Lost (Why Should I Be Frightened By A Hat?)
  12. Egoist Hedonist (nur erste Hälfte; verlängert)
  13. Wasteland (verlängertes Intro)
  14. The Depth Of Self-Delusion
  15. 02 Panic Room
  16. River Down Below (verlängertes Outro)

Auch wenn sich, wie für Progressive Rock/Metal üblich, nicht genug Leute zusammengefunden haben, um die Konzerthalle komplett zu füllen, steht den Anwesenden am heutigen Abend die Freude ins Gesicht geschrieben, während mit RIVERSIDE und IAMTHEMORNING zwei auf ihre eigene Art und Weise hervorragende Formationen ihre emotionalen, musikalisch anspruchsvollen Kompositionen zum Besten geben.

Publiziert am von Simon Bodesheim

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