2016

Review Rotting Christ – Rituals

Die Geschichte von ROTTING CHRIST ist vom musikalischer Weiterentwicklung geprägt: Auf die Idee, zweimal das gleiche Album zu veröffentlichen, wären die Griechen in ihrer nun fast 30jährigen Geschichte nicht gekommen. Geschadet hat das ROTTING CHRIST nicht, wie sich zuletzt 2013 zeigte: Mit ihrem bis dahin wohl experimentellsten Album, „Kata Ton Daimona Eautou“, ernteten ROTTING CHRIST nicht nur aus ihrem Fanlager Anerkennung. Nun erscheint der mit Spannung erwartete Nachfolger, „Rituals“.

Zumindest dem Albumtitel wird das Werk bereits von der ersten Sekunde an gerecht: Als Intro wird dem Hörer ein rhythmischer Sprechgesang entgegengeschmettert, der vor dem inneren Auge direkt Maori-Indianer mit Rugby-Spieler-Statur einen Haka tanzen lässt. Der Song selbst, „In Nomine Dei Nostri“, ist nicht minder kraftvoll: Primitives, aber brachiales Riffing, ein paar getragene Verse über majestätische Keyboards – viel mehr braucht es nicht, um Atmosphäre zu kreieren.

Das scheinen auch ROTTING CHRIST beim Komponieren schnell gemerkt zu haben. Überspitzt ließe sich sagen, „Rituals“ orientiert sich am „Zehn Songs, zehn Riffs“-Konzept, wobei „Riff“ für manch stumpfe Akkordfolgen schon fast ein Euphemismus ist. Das Interessante daran: Das Konzept geht auf. Nicht bei den ersten Durchläufen vielleicht, bei denen sich gerade der extrem primitiv gehaltenen Musik wegen vor allem die ritualhaften Sprechgesänge einprägen. Dafür mit der Zeit, wenn sich die Details, die grandiosen Momente der einzelnen Songs herauskristallisieren und, so wenig man es zunächst auch erwartet hätte, im Ohr festsetzen. Sei es der majestätische Choral in „Ze Nigmar“, der fast fanatische Gesang im brutalen „Elthe Kyrie“, das groovende Drum-Pattern in „Apage Satana“ oder die filigrane Flöte im opulenten Arrangement von „Tou Thanatou“.

Zwar bleiben, gerade am Beginn der zweiten Albumhälfte, ein paar Songs auch auf lange Sicht eher unscheinbar. Da sich diese Stücke jedoch perfekt in den rituellen Reigen einreihen, können sie die mächtige Atmosphäre des Albums jedoch nicht ernstlich in Gefahr bringen, bevor „The Four Horsemen“ das Ritual bedächtig, aber bestimmt zu Ende bringt.

„Rituals“ macht es dem Hörer nicht so leicht, begeistert zu sein, wie seinerzeit „Kata Ton Daimona Eautou“: War der 2013er-Release durch seine offensichtliche Vielfalt wie den Fakt, dass ROTTING CHRIST damit etwas stilistisch gänzlich Neues ablieferten, im Vorteil, hat „Rituals“ außer noch mehr Gesang mit Ritualcharakter zunächst nicht viel Neues, ja, musikalisch sogar weniger Vielfalt zu bieten. Am Ende ist das Album seinem Vorgänger dennoch ebenbürdig – der extrem dichten, von vorne bis hinten schlüssigen Atmosphäre sei Dank.

Wertung: 9 / 10

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