Review Shining – VI – Klagopsalmer

  • Label: Osmose
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Black Metal

Black Metal braucht keine Gitarrensoli. Wer sich nicht davon abbringen lassen will, dieser Aussage zuzustimmen, sollte vielleicht besser an dieser Stelle aufhören zu lesen, auf jeden Fall aber darauf verzichten, sich den neuen Output aus dem Hause SHINING zu Gemüte zu führen. Denn mit ihrem sechsten Album haben die Schweden einen Schritt getan, den sich viele Black Metalbands nicht zu gehen trauen, oder – viel schlimmer – nicht zu gehen in der Lage sind: Sie wagen musikalische Feinfühligkeit und spielerische Leistungen, die an Virtuosität grenzen. So tut „Klagopsalmer“ alles, um zu beweisen, dass die eingangs geäußerte, sowieso zweifelhafte These grundfalsch ist.

Mit einem dreckigen Gitarrenslide und einem klassischen Black’n’Roll-Riff beginnt das Album mit einem Tick mehr rotzigem Rock-Feeling, als man es von der an sich sehr groovigen, aber stets auf düstere Atmosphäre getrimmten und bis ins letzte Detail durchdachten „Halmstadt“ her kennt. Bereits hier lässt sich die Solo-Reichtum des Albums erahnen: Findet sich hier nur eine kurze Frickelei, offenbart sich die Gitarrenlastigkeit des Albums von Song zu Song mehr. Am Ende gibt es auf „Klagopsalmer“ keinen Song, der ohne auskommen muss.

War der Opener noch eher gehobenes Mittelmaß, weiß das Album mit „Plågoande O’Helga Plågoande“, einem Parade-SHINING-Song mit traditionellen Riffs, einem klassischen Clean-Gitarren-Mittelteil und typisch Niklas’schem Klargesang-Gesäusel, sowie dem darauf folgenden „Fullständigt Jävla Död Inuti“ schon eher zu überzeugen. Letzterer zeichnet sich insbesondere durch seine kompromisslosen Wechsel zwischen aggressivem Uptempo-Geknüppel mit wilden Gitarrenfrickeleien und beinahe melancholischen, ruhigeren Parts mit anrührenden Gitarrenmelodien aus – SHINING, vielleicht nicht genau so, wie man sie kennt, aber so, wie man sie gerne kennen lernt. Überzeugend wie eh und je ist bei alledem der Gesang: Kvarforth röchelt, kreischt und „Uh!“t, wie man es sich nur wünschen kann.

Seinen einstweiligen Höhepunkt findet „Klagopsalmer“ jedoch in einem waschechten Pop-Song: „Ohm – Skoj Att Leva“. Im Original von der norwegischen Pop-Rock-Band Seigmen, gibt der Song eine denkbar gute Basis für ein Cover ab: Einerseits, weil bereits die Original-Version für reichlich Gänsehaut sorgt, andererseits, weil der Song musikalisch – der eine oder andere mag das nur verbittert zur Kenntnis nehmen – gar nicht so weit von einem typischen SHINING-Song entfernt ist. Dennoch stellt „Ohm – Skoj Att Leva“ ein Problem dar – sehen im Lichte dieses Stücks einige SHINING-Ideen vergleichsweise blass aus. Das recht uninspirierte Instrumental „Korssade Drömmar Och Brutna Löften“ direkt im Anschluss ist hier ein Musterbeispiel. Erst im finalen „Total Utfrysning“ zeigen SHINING ihre ganze Größe: Mit fast 17 Minuten der längste bis Dato veröffentlichte SHINING-Song umspannt dieses Stück sämtliche Qualitäten Kvarforthscher Komposition: Clean-Gitarren-Parts oder Streicher mit Pianobegleitung finden hier ebenso ihren Platz wie klassisches SHINING-Riffing.

Wer ein zweites „Halmstadt“ erwartet hat, wird von „Klagopsalmer“ naturgemäß enttäuscht werden: Im direkten Vergleich klingt „Klagopsalmer“, nicht zuletzt der vielen Soli wegen, zwar virtuoser, jedoch auch um Welten harmloser: Bezogen auf die Riffs, vor allem aber die Atmosphäre kann „Klagopsalmer“ bis zum finalen Opus „Total Utfrysning“ nicht mit dem durchgehend groovigen, tiefschwarzen Vorgängeralbum mithalten. Dennoch beschreiten SHINING mit „Klagopsalmer“ keinen musikalischen Irrweg, sondern gehen ihren eigenen konsequent weiter: Statt auf Stagnation setzen SHINING auf Innovation und mit einer unverblümten Verspieltheit in Leadgitarre und Klargesang in Nieschen an, die „Halmstadt“ nicht bereits perfekt ausgefüllt hatte. Herausgekommen ist ein vielseitiges und tiefgründiges Album, das musikalisch mitunter nicht einmal mehr so richtig in die Rubrik „Black Metal“ passen will.

Wertung: 8 / 10

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