Konzertbericht: Shining w/ Srd

26.05.2019 München, Backstage (Halle)

Seit nunmehr 23 Jahren treiben SHINING in der Black-Metal-Szene ihr Unwesen. Und das – anders als andere Bands – musikalisch nahezu ununterbrochen auf höchstem Niveau. Auch „X – Varg Utan Flock“ ist ein Meisterwerk. Dass die Fans dieses bereits vergessen haben, nur weil es nun schon zwei Jahre auf dem Buckel hat, ist kaum vorstellbar. Ist der überschaubare Ticketabsatz für die Show der Schweden also Folge der ungünstigen Konstellation „Sonntag+Biergartenwetter“? Oder doch als trotzige Reaktion der Szene auf die Absage der Mgła-Show nach den Antisemitismusvorwürfen gegen die Polen?

Als SRD um Punkt 20:00 Uhr die Bühne der hinten abgehängten Backstage Halle betreten, sind jedenfalls höchstens 50 Fans im Saal. Aber wer oder was sind SRD? Erst 2016 gegründet, verdanken die Slowenen den 50-Minuten-Slot als einzige Vorband auf der Tour der Gunst von Niklas Kvarforth, der SRD als Vorband ausgesucht hat. Tatsächlich wird schnell klar, warum: Wie die Musiker mit ihrem Corpsepaint aus schwarzer Schminke und Asche ist auch die Musik düster und dreckig: Mit wuchtigem Midtempo-Riffing, das einen Black-’n‘-Roll-Einschlag aufweist, wundert es kaum, dass SRD Kvarforths Geschmack treffen. Aber augenscheinlich auch den seiner Fans: Mag die Halle auch noch so spärlich besetzt sein – die Stimmung ist nicht nur in den ersten Reihen vortrefflich. Zu recht: Vom Sound über die Show bis zur Musik gibt der Auftritt ein stimmiges Bild ab. Einzig die verhältnismäßig lange Spielzeit macht SRD etwas zu schaffen: Die Spannungskurve der Show flacht gegen Ende leider etwas ab.

  1. Ognja Prerok
  2. Kupa Trpljenja
  3. Sreca Na Vrvici
  4. All Into Nothing
  5. Smrti Sel
  6. Nod Soci

Ganz ohne Rockstar-Gehabe geht es bei SHINING dann doch nicht: Obwohl alles schon viel früher fertig gewesen wäre, lässt Kvarforth sein Publikum stolze 45 Minuten warten, ehe er nach einem fast lieblichen Intro die Bühne betritt. Ob es am Opener „Yttligare Ett Steg Närmare Total Jävla Utfrysning“ vom Meisterwerk „V: Halmstad (Niklas angående Niklas)“ liegt, der direkt zündet, oder an Kvarforths verstörender Ausstrahlung – warmlaufen muss sich hier jedenfalls keiner. Vor allem nicht Niklas Kvarforth selbst: Davon, dass er vor der Show wegen Rückenschmerzen noch kaum aus dem Stuhl aufstehen konnte, ist nichts mehr zu merken. Die stattlichen Mengen Alkohol, die er im Laufe der Show vernichtet, dürften daran ihren Anteil haben – wie auch das weiße Pulver, das er gelegentlich am Bühnenrand konsumiert.

So bekommt das mittlerweile knapp 100-köpfige Publikum heute genau den Kvarforth, den es erwartet: Da wird auf die Bühne gespotzt und ins Publikum gerotzt, ein Mädchen in der resten Reihe lässt sich bereitwillig mit einem Stofffetzen würgen und Bier ins Gesicht spucken. Andere kommen mit einer Streicheleinheit mit dem Nitril-Handschuh, den Kvarforth abwechsend unter der Achsel oder in der Unterhose verschwinden lässt, oder gar nur einem bösen Blick des Schweden davon. Doch all das ist, wie immer bei SHINING, nur die dreckige Seite der Medaille. Denn sieht man von diesen Showelementen ab, blendet man aus, dass da ein Mann mit schrundigen Armen und Drogenproblem in einer bis in den Schritt aufgerissenen Jeans steht – ein Mann also, um den in der U-Bahn wohl jeder einzelne der hier Anwesenden einen großen Bogen machen würde – bleibt einem aus musikalischer Sicht nur, anzuerkennen, dass dieser Mann ein Genie ist. Denn auch das demonstrieren SHINING heute mit jeder der 90 Minuten, die sie auf der Bühne stehen.

Kvarforths intensive Bühnenshow passt perfekt zum kristallklaren, messerscharfen Sound, in dem Huss‘ gefühlvolle Leads und verträumte Cleangitarren auf das mitreißende Riffing etwa eines „Han Som Lurar Inom“ treffen – eines der drei Songs vom nach wie vor aktuellen „X – Varg Utan Flock“ (2017). Mit einer perfekten Mischung aus diesem neuem Material, alten Hits (etwa „Submit To Self-Destruction“ oder drei Songs von „Halmstad“) und dem Besten der Werke dazwischen – wie dem Wechselbad der Gefühle in „Förtvivlan, Min Arvedel“ („Född Forlorare“, 2011) zeigen sich SHINING nicht nur von ihrer besten Seite, sondern auch vom Gesamtbild her in lange nicht gesehener Stärke.

  1. Yttligare Ett Steg Närmare Total
  2. Jävla Utfrysning
  3. Jag Är Din Fiende
  4. Besvikelsens Dystra Monotoni
  5. Vilja & Dröm
  6. Framtidsutsikter
  7. Svart Ostoppbar Eld
  8. Förtvivlan, Min Arvedel
  9. Han Som Lurar Inom
  10. Submit To Self-Destruction
  11. Låt Oss Ta Allt Från Varandra
  12. For The God Below
  13. (unbekannt)

Über Niklas Kvarforth ist zu viel diskutiert worden, als es noch sinnvoll wäre, dies weiterzuführen: Man kann ihn hassen, man kann ihn lieben, oder er ist einem halt egal. Musikalisch jedoch beweisen SHINING heute einmal mehr, warum sie trotz und zugleich wegen ihres asozialen Fronters eine der größten Bands sind, die der Black Metal hervorgebracht hat. Egal, ob vor 1.000 oder 100 Leuten. Unterstützt von den durchaus sehenswerten, wenngleich auf 50 Minuten etwas monotonen SRD eine Show, die jeden Cent wert ist.

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