Konzertbericht: Shining w/ Der Weg Einer Freiheit, Imperium Dekadenz

12.11.2015 München, Backstage (Halle)

shining tour flyer

Als Fan harter Klänge bekommt man dieser Tage einiges geboten: Neben Mega-Acts wie Slayer und Motörhead sind derzeit auch unzählige kleinere Bands quer durch Deutschland unterwegs: Der Horror-Punker Wednesday13, die Black Metaller Vreid mit Keep Of Kalessin und nicht zuletzt die schwedischen SHINING, die gemeinsam mit ihren deutschen Labelkollegen DER WEG EINER FREIHEIT und IMPERIUM DEKADENZ die Konzerthallen unsicher machen. Mag der Markt für Tonträger auch ruiniert sein – das Live-Geschäft zumindest floriert.

ImperiumDekadenz-M1-1Für Übersättigung seitens des Publikums gibt es nämlich auch heute keine Anzeichen: Bereits um 20:00, als IMPERIUM DEKADENZ mit ihrer Show beginnen, ist die Backstage Halle gut gefüllt – Tendenz steigend. Mit Alben wie „Meadows Of Nostalgia“ hat das Duo aus dem Schwarzwald unzählige starke Songs im Repertoir, von denen in ihrem halbstündigen Set leider nur vier Songs unterkommen. Das ist besonders schade, als sich die kraftvolle Atmosphäre der Musik gerade erst zu entfalten beginnt, als mit „Striga“ auch schon der letzte Song erklingt. So fallen die Reaktionen des Publikums noch eher verhalten aus – dass IMPERIUM DEKADENZ mit etwas mehr Zeit auch mehr Anklang gefunden hätten, steht jedoch außer Frage.

  1. Aue der Nostalgie
  2. Reich der fahlen Seelen
  3. An Autumn Serenade
  4. Striga

DerWegEinerFreieit-M1-1Anders sieht das bei DER WEG EINER FREIHEIT aus, die vom Publikum von der ersten Minute an gefeiert werden – und das, obwohl die Band zuletzt erstaunlich oft in München zu Gast war. Nach dem pathosgeladenen, düsteren Black Metal von Imperium Dekadenz liefern DER WEG EINER FREIHEIT auf allen Ebenen ein interessantes Kontrastprogramm: Angefangen bei der Bühnenbeleuchtung, die mit viel farbigem Licht, Strobo und Kunstnebel fast schon Diskocharakter hat, über die nüchterne Darbietung, die komplett ohne Bühnendeko oder die große Show auskommt, bis hin zur geradlinigen, direkten Musik der Würzburger ist hier wirklich alles anders. Dabei beeindrucken die deutschen Deafheaven vor allem durch ihr perfekt aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel, das gerade den harten Passagen extrem viel Schub verleiht. Aufgelockert wird das Shredding durch atmosphärische Passagen vom Band und stimmungsvolle Cleanparts. Wer DER WEG EINER FREIHEIT auf Album nichts abgewinnen kann, wird seine Meinung während dieser Dreiviertelstunde nicht ändern – für Fans dieser modernen Auslegung des Begriffs Black Metal sind DER WEG EINER FREIHEIT nach wie vor der deutsche Goldstandard.

  1. Ruhe
  2. Eiswanderer
  3. Nachtsam
  4. Vergängnis
  5. Einkehr
  6. Der stille Fluss

Gut 40 Minuten müssen sich die Fans noch gedulden, bis SHINING schließlich um 22:15 Uhr zu den Klängen von „Den Påtvingade Tvåsamheten“ die Bühne betreten. Von da ab dauert es nur Augenblicke, bis Fronter Kvarforth, mit schwarzen Gummihandschuhen und Reitgerte ausgerüstet, die Aufmerksamkeit aller gewiss ist – die One-Man-Show kann beginnen.

Shining-M1-1Mit sichtlicher Freude baut Kvarforth in den folgenden 90 Minuten eine echte Hassliebe zu den Fans der ersten Reihe auf: Mal werden Zigarretten geteilt, mal versucht Niklas, sie auf dem Arm eines Zuschauers auszudrücken, auf ein freundliches Lächeln folgen Gertenhiebe ins Publikum. Unverständnis für derlei Verhalten schlägt Kvarforth nur wenig entgegen – vielmehr ist es immer wieder erstaunlich, wozu manche Anhänger bereit sind: Die Gerte abzulecken, sich Whiskey in den Mund spucken zu lassen oder angespuckt und angeascht zu werden, scheint für so manch hingebungsvollen Fan eher Ehre als Tabu.

Während man derlei Gebaren jeder anderen Band als lächerliches Heischen nach Afmerksamkeit ankreiden würde, lässt die schlichtweg beeindruckende musikalische Leistung aller Beteiligten jeden Kritiker verstummen: Mag Kvarforths Auftreten nicht jedermanns Sache sein – mit einer musikalisch grandiosen Darbietung erarbeiten sich SHINING dafür quasi einen Freibrief: Sei es das groovige Schlagzeug-Solo des Finnen Rainer Tuomikanto oder die Virtuosität von Peter Huss an der Gitarre, welche den Songs erst ihren lebendigen, mitreißenden Charakter verleiht – allein das Talent der einzelnen Musiker, die Kvarforth mittlerweile um sich geschart hat, sagt alles über den perfektionistischen Komponisten, der eine unangemessene Live-Umsetzung seiner Musik wohl nicht ertragen könnte. Shining-M1-2

Auch das Set lässt keine Wünsche offen: Nach dem entsprechenden Intro wird zunächst IX – Everyone, Everything, Everywhere, Ends“ ausführlich beackert, bevor es über das Meisterwerk „V – Halmstadt“ („Besvikelsens Dystra Monotoni“ / „Neka Morgondagen“) zu einem besonderen Highlight geht: Dem auf „VI – Klagopsalmer“ gecoverte Seigmen-Hit „Ohm (Sommar Med Siv)“. Dass danach nur noch drei weitere Songs folgen, hat sich das Publikum heute selbst zuzuschreiben: Obgleich die Stimmung während der 80minütigen Show durchweg gut ist, kommt nach kein anständiger Schlussapplaus zu Stande. Dass das nicht reicht, um SHINING nochmal auf die Bühne zu locken, ist nicht weiter verwunderlich – orientiert man sich an der Setlist aus Essen entgehen dem Münchner Publikum so „Människa O’avskyvärda Människa“ und „Submit to Selfdestruction“.

    — Intro (Den Påtvingade Tvåsamheten)

  1. Vilja & Dröm
  2. Framtidsutsikter
  3. Människotankens Vägglösa Rum
  4. Besvikelsens Dystra Monotoni / Neka Morgondagen
  5. Ohm (Sommar Med Siv) (Seigmen-Cover)
  6. — Intermission (Att Med Kniv Göra Sig Illa)

  7. Eradication Of The Condition
  8. Låt Oss Ta Allt Från Varandra
  9. For The God Below
Shining-M1-3Obwohl Niklas Kvarforth auch heute seinem Ruf als Enfant terrible wiedereinmal mehr als gerecht wird, hat man bei einem SHINING-Konzert nie das Gefühl, einer einstudierten Show beizuwohnen: Vielmehr scheint der Schwede seine Songs zu durchleben und sich dabei in einen authentischen Hass auf das Publikum hineinzusteigern, der der Musik durch die vorherrschende aggressive Stimmung eine authentisch bedrohliche Atmosphäre verleiht. Allein für dieses Erlebnis rentiert sich der Besuch eines SHINING-Konzertes definitiv – zumal auf dieser Tour mit IMPERIUM DEKADENZ und DER WEG EINER FREIHEIT zudem zwei der derzeit angesagtesten einheimische Black-Metal-Bands ihr Bestes geben.

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