The War To End All (Party Music Albums About) Wars

„The War To End All Wars“. Was ein schmissiger Titel, dachten sich vor einiger Zeit wohl ein paar Musiker aus Schweden. Schließlich war Krieg immer schon das Kernthema ihrer Band SABATON, und bislang waren sie damit ja bemerkenswert gut gefahren.
Sabaton The War To End All Wars Album ArtworkMit ihren letzten fünf Alben arbeiteten sich SABATON in Deutschland von Platz 19 über 7, 3 und 2 bis an die Spitze der Albumcharts vor. Ihr aktuelles und zugleich bis dato erfolgreichstes Werk „The Great War“ von 2019 landete außerdem noch in Schweden und der Schweiz auf 1, in Österreich auf 3, in England auf 11 und in den USA immerhin noch auf 42 der Albumcharts.

„The War To End All Wars“ hätte diese Zahlen mit Sicherheit übertroffen – wäre nicht eine Woche vor dem Release ein wirklich dummes Malheur passiert: ein russischer Angriff auf die Ukraine, Krieg in Europa.

Screenshot der Facebook-Seite von ENDSTILLE

Natürlich können SABATON nichts dafür, und natürlich muss es im Rahmen der künstlerischen Freiheit auch jedem unbenommen bleiben, über Krieg zu texten. Was sich SABATON jedoch seit jeher ankreiden lassen müssen, ist mangelnder Ernst bei der Sache. Während Bands wie Hail Of Bullets, Endstille oder 1914 den Krieg als das abbilden, was er ist – eine Aufeinanderfolge von Gräueltaten, von brutaler Gewalt, Not, Elend und Tod –, entblöden sich SABATON seit jeher, hinter vorgeschützter „Historienbegeisterung“ und „Geschichtsdarstellung“ militärische Ereignisse platt zu glorifizieren und in Party-tauglichen Songs zu verwursten.

Das war seit jeher fragwürdig und wurde oftmals kritisiert – bereits im Jahr 2012 etwa von meinem Kollegen Justus Ledig in dessen Kolumne „Gedanken zu einem Sabaton-Konzert. Oder: Wie viel Krieg verträgt der Metal? (Teil I)“: Nichts stimmt bei SABATON. Vor ausverkauftem Hause eine Story nach der anderen über Kriege und Verbrechen der Weltgeschichte zu erzählen, während ein Sänger mit Vollassi-Outfit und Pornobrille herumhüpft, während ein Trinkspiel vor johlenden Fans dem anderen folgt – das wird der Sache in keiner Weise gerecht.

Screenshot der Facebook-Seite von SABATON

Dieser Stumpfsinn wird SABATON im Angesicht der aktuellen Geschehnisse zum Verhängnis, denn im Spiegel derselben wird aus der Unappetitlichkeit ein Fauxpas: Während die Promotion-Maschinerie zu „The War To End All Wars“ so unbeirrt weiterläuft wie Putins Propaganda, hat die Band es bislang nicht zustande gebracht, auch nur ein Sterbenswörtchen über den Krieg zu verlieren, der keine 3000 km von ihrer Heimat entfernt ausgefochten wird. Nach all dem unreflektierten Abfeiern kommt also auch im Moment der großen Zäsur europäischer Geschichte kein Innehalten, und sei es nur für die Minuten, die es benötigt, ein Posting – und damit ein Zeichen – zu setzen. Und sei es nur: Wir feiern Krieg – aber eben nur in der Theorie. Stattdessen: ratloses (?) Schweigen, das die Ukrainer von 1914 süffisant kommentieren: „So, putin’s friends, maybe a brand new one [sic] song about your lovely russia? it’s time“ kommentierte die Band SABATON an die Wall. Die Reaktion? Erneut keine.

Nochmal: Natürlich können SABATON nichts für die Situation. Dass es zum Krieg in der Ukraine kommen würde, schien vielen von uns nicht realistisch, das Timing zwischen dessen Ausbruch und dem Albumrelease ist nun nichts anderes als Pech. Dass SABATON wie auch ihr Label Nuclear Blast jedoch nicht den Mut aufbringen, mit ihrer Band, die seit jeher politische Themen unter dem Deckmantel der Kunst banalisiert, ein klitzekleines Zeichen der Einsicht zu senden, ein Zeichen des Respekts, ist erbärmlich. Von den Fans, die in den sozialen Medien bereits von SABATON einen Song über den aktuellen Krieg fordern, gar nicht erst zu reden.

So geht die große Panzer-Party am Freitag also weiter – während sich ukrainische Zivilisten vor russisches Kriegsgerät stellen und ihr Leben für ihr Recht auf Demokratie riskieren.

Yeah, Panzer-Party! – SABATON live

A. d. Red.: SABATON haben sich am 28.2.22 um 22:00 Uhr wie folgt zur Gesamtsituation geäußert:
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Ein Kommentar zu “The War To End All (Party Music Albums About) Wars

  1. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Nur zu applaudieren.
    Besonders wichtig finde ich in diesem Kontext vor allem, dies sei dem stürmisch-stummen Applaus vorangeschickt, das man sich nicht die Mühe gemacht dieses wirklich lächerliche Statement auch noch durchzukauen. Das ist mindestens [sic!] so daneben wie die jüngsten Segnungsaktionen der katholischen Kirche. Ich ziehe meinen nicht vorhandenen Hut und nun: Applaus Applaus Applaus!

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