Zum Tode von Joey Jordison (Nachruf)

Der Platz hinter dem Drumkit war sein Platz im Leben. Nathan Jonas Jordison, geboren am 26. April 1975, bekannt geworden als Joey Jordison, ist tot. Er war die #1 der durchnummerierten Maskenmänner von Slipknot und später die Nummer 1 einer ganzen Schlagzeugergeneration: Im August 2010 wurde er von der Musikzeitschrift Rhythm zum besten Drummer der vergangenen 25 Jahre gewählt. Im gleichen Jahr erhielt er den Drummies Award des Drum-Magazins als Best Metal Drummer, 2013 wählten ihn die Leser des Loudwire zum World’s Greatest Metal Drummer und 2016 erhielt er den Golden God Award des Metal Hammer. Am 26. Juli 2021 ist Jordison im Alter von nur 46 Jahren verstorben.

Sein Lebenswerk waren ohne Frage Slipknot, die er von Anfang an prägte: Von den späteren Neun war Jordison der dritte, der der Gruppe 1995 beitrat. Er prägte den Begriff „Maggots“ für die Fans und entwarf das ikonische Tribal-S-Logo. Er ist es, den man auf dem Cover des (später verleugneten) Debüts „Mate. Feed. Kill. Repeat“ sieht, und er ist Co-Songwriter unzähliger Hits wie „The Heretic Anthem“. Doch vor allem war es sein außergewöhnliches Talent hinter dem Drumkit, das ihm (und seiner Band) zu Weltruhm verhalf.

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Im Alter von acht Jahren begann Jordison, Schlagzeug zu spielen – geprägt von Drummern wie Keith Moon (The Who), John Bonham (Led Zeppelin), Gene Krupa und Buddy Rich. Später zählten Lars Ulrich (Metallica), Charlie Benante (Anthrax) und Dave Lombardo (Slayer) zu seinen größten Vorbildern. Ein solches wurde er selbst bald – nicht zuletzt für seinen späteren Nachfolger, Jay Weinberg. Jordisons individuelles, technisch brillantes Schlagzeugspiel, aber auch seine Kreativität an seinem Instrument suchten ihresgleichen: Unvergessen das spektakuläre Schlagzeugsolo, das er festgeschnallt am Drumhocker, um 90° nach vorne gekippt, auf einer rotierenden Plattform im Rahmen der Iowa-Tour ablieferte (zu sehen etwa auf der „Disasterpieces“-DVD).

Dass dieser Mann quasi alles spielen konnte, machte bald die Runde. Und so war Jordison ein gefragter Session-Musiker: Er ersetzte Frost bei einer US-Tour von Satyricon (2004), drummte für die Industrial-Legende Ministry (2006) und half bei den Nu-Metal-Kollegen von Korn (2007) und Rob Zombie aus (2010). Insbesondere ein Aushilfsjob aber war es, der ihm Weltruhm brachte: Als Metallicas Lars Ulrich auf dem Download Festival 2004 spontan unpässlich war, zeigte Jordison keine Nerven. Mit nur einer Stunde Vorbereitungszeit spielte er mit seinen Helden acht Songs und avancierte unversehens selbst zum Helden.

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Doch Joey Jordison war eben mehr als nur der vielleicht kompletteste Metal-Drummer unserer Zeit: Er war zugleich auch versierter Songwriter, Triebfeder der Horrorpunker Murderdolls (bei denen er Gitarre spielte) und betätigte sich als Produzent („9.0 Live“ von Slipknot, „Fire Up The Blades“ von 3 Inches Of Blood). Dass er von Roadrunner Records für deren Mammut-Jubiläumsprojekt „Roadrunner United – The Allstar Sessions“ neben den Gitarristen Dino Cazares (Fear Factory), Robert Flynn (Machine Head) und Matthew K. Heafy (Trivium) als einziger Schlagzeuger zu einem der Team-Kapitäne ernannt wurde, die kompositorisch und organisatorisch die Fäden in der Hand hatten, spricht Bände. Neben seinem umfassenden musikalischen Verständnis war es seine sympathische, stets bescheidene Art, die Jordison bei Fans und Kollegen so viel Respekt eingebracht hat. Doch ausgerechnet diejenigen, die ihm am meisten zu verdanken haben, die er stets seine Brüder nannte, versagten ihm den Respekt.

Als Jordison schwer erkrankt, setzen Slipknot ihren Schlagzeuger per E-Mail davon in Kenntnis, dass er nicht mehr Teil der Band ist. Auf der Homepage der Band ist am 12.12.2013 zu lesen, Jordison sei „aus persönlichen Gründen“ ausgetreten. Eine Meldung, der Jordison im Januar 2014 mit deutlichen Worten widerspricht: Slipknot sei die letzten 18 Jahre sein Leben gewesen, er würde sie oder die Fans nie im Stich lassen. Klar ist: Zu diesem Zeitpunkt ist Jordison körperlich nicht mehr in der Lage, bei Slipknot das Schlagzeug zu bedienen. Der Grund dafür war allerdings nicht etwa eine Drogenabhängigkeit, wie wohl auch von der Band unterstellt, sondern eine schwere Rückenmarkserkrankung. Deren Symptome setzten bereits 2010 ein; die Diagnose Transverse Myelitis – eine Form der Multiplen Sklerose – wurde jedoch erst viel später gestellt. Unterdessen verlor Jordison die Kontrolle über seine Beine, konnte zeitweise nicht mehr laufen, geschweige denn Schlagzeug spielen. Dass eine Band wie Slipknot hier handeln muss, ist klar – Jordison jedoch nicht wenigstens nach außen erst einmal eine „Pause“ zu verordnen und mit einer „Vertretung“ weiterzumachen, war ein Fehler, den auch das achtminütige Memorial-Video mit kurzem Abschiedsstatement der Band nicht wettzumachen vermag.

 

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Auch wenn er sich mit enormem Willen und hartem Training später wieder hinter das Kit arbeitete, sein Instrument neu spielen lernte, mit Vimic, Scar The Martyr und Sinsaenum neue Bands gründete und mit letzteren sogar nochmal auf Welttour ging: Joey Jordison dabei zuzusehen, wie er sich unter den wachsamen Augen seines Drumtechs und persönlichen Betreuers durchs Set quälte, war nicht weniger grausam, als ihm beim Reden zuzuhören: Wenn er dem Interviewer (aber wohl vor allem sich selbst) einzureden versuchte, dass er nun „viel, viel besser“ sei als früher. Und dass er sich ein Comeback bei Slipknot durchaus vorstellen könne.

Die Kraft, die Jordison für all das aufgebracht hat, verdient höchsten Respekt – mehr noch aber seine Großherzigkeit. Denn trotz allem, was geschehen war, wünschte er seinen ehemaligen Bandkollegen nur das Beste: „Ich will nur, dass sie glücklich sind. Ich bin nicht sauer.  […] Ich würde jederzeit mit den Jungs zusammenspielen – ganz egal, was passiert ist. Ich liebe sie, das sind meine Brüder.“ Und auch seinen Fans gegenüber war Jordison stets zu allem bereit – sei es, die fraglos schmerzhaften Slipknot-Fragen eines Fanboy-Interviewers so gut als ihm irgend möglich zu beantworten oder für seine Anhänger spontan auf der Straße Slipknot-Songs auf der Akustikgitarre anzuspielen.

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Über den Tod von Vinnie Paul sagte Jordison in unserem bereits angesprochenen Interview: „Er wird in unseren Herzen für immer weiterleben – er wird nie weg sein. Das ist das Coole an Musikern, die etwas wie Vinnie und Dime erschaffen haben.“

Nichts anderes gilt für dich, Joey. Ruhe in Frieden!

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