Review Slipknot – Mate. Feed. Kill. Repeat

Eine CD zu rezensieren, die nicht mehr offiziell erhältlich ist und von der Band sogar konsequent als Album verleugnet wird, mag nicht nur von begrenztem Nutzen für den Leser, sondern zugegebenermaßen auch auf gewisse Weise gemein sein, dürfte doch das Herz des einen oder anderen Lesers in der Hoffnung auf einen offiziellen Re-Release einen kleinen Sprung gemacht haben. Deswegen vorneweg: Es gibt keinen, und wird wohl auch keinen geben. Dennoch ist das „inoffizielle“ Debüt von SLIPKNOT als Meilenstein des Nu Metal ein Album, das jeder Genre-Fan zumindest einmal gehört haben sollte. Es muss ja nicht gleich auf einer der raren Original-CDs sein, deren Wert mittlerweile astronomische Höhen erreicht hat.

Berühmt wurden SLIPKNOT für ihr „offizielles“ Debüt „Slipknot“ sowie das darauf folgende Durchbruchs-Album „Iowa“. Völlig zu Recht, keine Frage – wussten beide Alben doch mit einem bis dahin nahezu ungekannten Maß an Aggression und Brutalität zu beeindrucken. Nicht vergessen sollte man jedocht, dass der Grundstein dieses Erfolges früher, und, auch das darf nicht verschwiegen werden, von einer teilweise anderen Besetzung gelegt wurde: Mit „Mate. Feed. Kill. Repeat.“.

Denn auch, wenn dieses Album vielleicht kein logischer Vorgänger, beziehungsweise „Slipknot“ nicht die einzig mögliche Konsequenz aus diesem Album war, so ist das so verrückte wie kunstvolle Schaffen der damals noch achtköpfigen Band aus Des Moines auf diesem Tonträger doch essenzieller Bestandteil des SLIPKNOT-Erfolges. Schließlich wurde ein guter Teil des Songmaterials auf den folgenden beiden Alben neu arrangiert wiederverwertet: „Only One“, „Tattered & Torn“ und – stark überarbeitet unter dem Titel „(Sic)“ in die Geschichte eingegangen – „Slipknot“ auf dem gleichnamigen Debüt. „Gently“ und „Killers Are Quiet“ (als Titeltrack mit neuen Lyrics) auf „Iowa“. Was „Mate. Feed. Kill. Repeat.“ als Album so einzigartig macht, ist jedoch eigentlich genau der Teil der Musik, der es nicht auf den folgenden Platten zu Weltruhm brachte – der experimentelle, wirklich abgefahrene Teil der Geschichte von SLIPKNOT.

Zwischen den harten und groovenden Riffs, die in Kombination mit Anders Colsefnis Gesang mitunter witzigerweise merklich an die damals gerade brandheißen Pantera-Sachen wie „Far Beyond Driven“ erinnern, bietet „Mate. Feed. Kill. Repeat.“ dem Hörer nämlich ein wahres Potpourri verschiedenster Stilrichtungen: Ist die Kombination von Death-Metal-Riffing mit gefühlvollen, angejazzten Cleanparts in „Gently“ zwar schon sehr schön, aber noch vergleichsweise gewöhnlich, dürfte spätestens bei „Do Nothing / Bitchslap“ seinen Ohren kaum trauen, wer SLIPKNOT bislang für eine mehr oder weniger stumpfe Prügeltruppe hiel: Auf ein fixes Slapping-Bass-Intro mit kurzer „Begrüßung“ durch die Distortion-Gitarren folgt ein fast schon jazziges Clean-Gitarren-Interlude. Irgendwo im Hintergrund klingelt ein Telephon und dann bricht die Hölle los – bis SLIPKNOT völlig unerwartet mit einem Funkpart daherkommen, auf den die Red Hot Chili Peppers in ihren besten Jahren stolz gewesen wären, bevor – richtig geraten – erneut die Hölle losbricht. Beachtlich ist dabei das kompositorische Geschick, mit dem die Band in 4:19 Minuten derart viele verschiedene Parts unterbringt, ohne dass der Song dabei aus dem Ruder läuft. Es klingt chaotisch, ja. Aber nach Konzept.

Wer denkt, damit wäre man schon am Ende der Progressivitäts-Fahnenstange bei SLIPKNOT angekommen, irrt gewaltig: Bereits im darauffolgenden „Only One“ kommt noch eine Prise Hiphop hinzu, die spätestens in „Confessions“ gemeinsam mit dem Funk (!) im Mittelpunkt der Komposition steht. Dass der Gesang dabei mitunter nicht ganz astrein ist, verzeiht man da gerne – nicht zuletzt, weil das dem Song einen gewissen improvisierten Charme verleiht und damit gut zu seinem Funk-Charakter passt. Nach dem eher brachialen „Some Feel“ beendet schließlich das zwanzigminütige „Killers Are Quiet“ das Album seinem Charakter entsprechend verschroben: Das später als Outro von „Iowa“ bekannt gewordene Stück reduziert sich über mehrere Minuten auf das Schlagzeug und zuletzt auf eine bloße Geräuschkulisse herunter, um schließlich nach über fünf Minuten nervenzehrenden Baulärms in Soundchaos mit Stimmengewirr zu enden.

Mit Worten wie „revolutionär“ oder „legendär“ sollte man sparsam umgehen – in diesem Fall könnte man sich jedoch fast zu deren Gebrauch hinreißen lassen. Denn „Mate. Feed. Kill. Repeat.“ ist von derart kompromissloser Individualität und Genregrenzen sprengender Innovation geprägt, wie man sie im Nu-Metal-Sektor vorher nicht und später nur noch selten zu hören bekommen hat. Sieht man vom Sound ab, dem trotz der angeblichen Produktionskosten von stolzen 40.000$ ein gewisses – durchaus sympathisches – Home-Made-Flair anhaftet, könnte man meinen, man habe es hier mit einem kompositorisch aufgemotzten Mashup der ersten beiden offiziellen Alben zu tun. Dass es sich im Endeffekt genau komplementär verhält und SLIPKNOT auf zwei nachfolgenden Alben auf Material ihres verleugneten Erstlingswerkes zurückkamen, dieses dabei jedoch eher vereinfachten, als es weiterzuentwickeln, stellt einmal mehr die un(ge)bändig(t)e Kreativität des hier dargebotenen Materials unter Beweis.

Wertung: 9.5 / 10

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