Konzertbericht: Sinsaenum w/ Hatesphere, Critical Mess

09.10.2018 München, Backstage (Club)

Dass Prominenz oftmals eher an den Bekanntheitsgrad des Bandnamens denn an die eigene Personalie gebunden ist, muss derzeit das Allstar-Projekt SINSAENUM bei seiner ersten Europatour schmerzlich feststellen. Obwohl die Band mit Frédéric Leclercq (Dragonforce), Sean Zatorsky (Dååth), Attila Csihar (Mayhem, auf dieser Tour jedoch nicht dabei), Stéphane Buriez (Loudblast), Heimoth (Seth) und Joey Jordison (ex-Slipknot, Vimic) durchweg namhaft besetzt ist und mit den dänischen Death-Thrashern HATESPHERE zudem einen starken Support im Vorprogramm hat, gelingt es kaum, Fans in die Hallen zu locken: Auch im Backstage München verläuft der Vorverkauf so schlecht, dass die Show kurzerhand vom Werk in den Club verlegt wird.

Und selbst dort herrscht gähnende Leere, als um 19:30 Uhr die Deathcoreler CRITICAL MESS die Bühne betreten. Die so charismatische wie stimmgewaltige Sängerin Britta Görtz – Genrefans bekannt als Fronterin von Cripper – nimmt es mit Humor: Kurzentschlossen steigt sie von der Bühne und begrüße jeden der knapp 20 Zuschauer vor der Bühne per Handschlag. An Sympathiewert mangelt es CRITICAL MESS nicht, an Gitarren im Sound hingegen schon: Gerade im vorderen Bereich des Clubs klingt der ansonsten solide gemachte Deathcore der Hannoveraner leider eher wie eine straighte Drum’n’Bass-Show. Durch ihren spielfreudigen Auftritt kommen CRITICAL MESS beim schlussendlich rund 50 Zuschauer umfassenden Publikum trotzdem verdientermaßen gut an.

Selbst wenn HATESPHERE der Headliner an diesem Dienstagabend wären, man könnte das Trauerspiel im Zuschauerraum kaum nachvollziehen: Über die 50 Fans, die im Laufe der Show von Critical Mess in die Bar getröpfelt kamen, steigt die Zuschauerzahl auch bei der 1993 als Necrosis gegründete Thrash-Instanz nicht mehr. Trotzdem gelingt es den Dänen um Gitarrist und letztes verbliebenes Gründungsmitglied Peter „Pepe“ Lyse Hansen, für Stimmung im Club zu sorgen. Die anwesenden Fans spenden jedoch kräftig Applaus und sorgen darfür, dass sich auch HATESPHERE nicht von der kleinen Zahl an Fans vor der Bühne demotivieren lassen. Neben einigen Klassikern hat das Quartett heute auch die brandneue Single „Corpse Of Mankind“ im Programm: Bei deutlich verbessertem Sound kommen die schneidigen Riffs des Brechers gut zur Geltung – auf „Reduced To Flesh“ (VÖ: 19.10.2018) kann man sich freuen!

  1. Lies And Deceit
  2. Murderous Intent
  3. The Fallen Shall Rise In A River Of Blood
  4. Ressurect With A Vengeance
  5. Corpse Of Mankind
  6. Drinking With The King Of The Dead
  7. New Hell
  8. Iconoclast
  9. Sickness Within

Wo Fans mit Slipknot- neben solchen mit Mayhem-Shirts stehen, können SINSAENUM nicht weit sein. Eine Ernüchterung steht jedoch beiden Fans bevor: Dem Mayhem-Fan, als sich mit Showbeginn um 21:30 Uhr der Verdacht bestätigt, dass Attila Cshihar nicht nur auf dem neuen Album „Repulsion For Humanity“ sondern auch auf der Tour nicht mit von der Partie ist. Dem Slipknot-Fan, als Joey Jordison auf die Bühne kommt. Von einer schweren Erkrankung des Rückenmarks gezeichnet, fällt ihm augenscheinlich selbst das Gehen schwer.

Dass der Mann heute überhaupt wieder hinter einem Schlagzeug sitzt, grenzt an ein Wunder und ist wohl nur dem verbissenen, selbstverachtenden Ehrgeiz des vielfach ausgezeicheten Weltklasse-Schlagzeugers zuzuschreiben. Auch heute scheint es allein dieser zu sein, der Joey das knapp 60-minütige Set durchstehen lässt: Waren seine Bewegungen dereinst scheinbar mühelos, wirkt sein Spiel heute oft verbissen und mühevoll.

Dass Jordison zwischendurch auch noch einen falschen Song beginnt und sich von Fronter Freddy kaum wieder einfangen lässt, könnte ein kleiner Lapsus sein – wirkt im Gesamtkontext eher wie ein weiteres, bedenkliches Puzzleteil in dem Bild, das die Schlagzeugerlegende heute abgibt. Den zunächst sorgenvollen, später halbwegs entspannten Blicken seiner Bandkollegen und seines Drum-Techs, der Joey keine Sekunde aus den Augen lässt, ist jedoch anzumerken, dass Jordison nach dem Off-Day am Vortag heute sogar in guter Verfassung ist.

Mag Jordison auch noch lange nicht wieder auf dem Level von vor der Erkrankung angekommen sein – für den teils furiosen Extreme-Metal von SINSAENUM reicht es beeindruckender Weise trotzdem – zumal der Rest der Truppe alles tut, um SINSAENUM mächtig Biss zu verleihen: Fronter Sean Zatorsky allein zieht durch seinen beeindruckenden Bart und seine noch beeindruckendere Stimme die Blicke auf sich – wenn nicht gerade der grimmig dreinblickende Stéphane Buriez und oder Gitarrenvirtuose Frédéric Leclercq alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Doch SINSAENUM zeigen sich nicht nur von ihrer brutalen Seite: Zwischen die extremen Songs vom Debüt „Echoes Of The Tortured“ (2016), der „Ashes“-EP und dem neuen Album „Repulsion For Humanity“ (2018) streuen SINSAENUM auch ihre düstere Ballade „I Stand Alone“ sowie das Melvins-Cover „Hooch“ ein.

  1. Repulsion For Humanity
  2. Sacred Martyr
  3. Splendor And Agony
  4. I Stand Alone
  5. Condemned To Suffer
  6. Ashes
  7. Echoes Of The Tortured
  8. Final Resolve
  9. Inverted Cross
  10. Hooch
  11. Gods Of Hell
  12. Army Of Chaos

So bleibt der Abend aus verschiedensten Gründen ein Konzertabend, den man so schnell wohl nicht vergisst. Ein Faktor ist dabei sicher das durch das geringe Interesse an der Tour ungewollt familiäre Ambiente, ein anderer das engagierte, mitreißende Auftreten aller drei Bands. Doch auch das heute so greifbar gewordene, tragische Schicksal der einstigen #1 von Slipknot kann zumindest Jordison-Fans nicht unberührt lassen.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert