Interview mit András Nagy von Arkhe

Seit nunmehr 20 Jahren überzeugt András Nagy mit SEAR BLISS mit ausgefallenen Alben. Nun erscheint sein unter dem Projektnamen ARKHĒ sein erstes Soloalbum, „Λ“ – und neuerlich dürften einige Fans überrascht sein. Was ihn zu dem Album inspiriert hat, was ihn an elektronischer Musik fasziniert und warum ihn eine Coverversion des Napalm-Death-Klassikers „Scum“ am meisten gereizt hat, berichtet der sympathische Ungar im Interview.

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Du bist gerade von der Minitour zum 20sten Jubiläum des Debüts von SEAR BLISS zurück. Wie wars?
Wir hatte eine wirklich coole Zeit in Holland und Deutschland! Jetzt geht es mit der Arbeit aber direkt weiter, viel Promotion-Kram für ARKHĒ. Es ist zurzeit viel los!

War es schwierig, die „Phantoms“-Songs als Band wieder einzustudieren?
Eigentlich nicht, die Stücke sind nicht allzu komplex und wir haben einige davon ja auch gelegenltich schon live gespielt. Wichtiger war die Art, wie wir sie spielen – die Songs müssen wirklich sehr kraftvoll und tight kommen.

Wie siehst du das Album selbst aus heutiger Sicht?
Ich liebe es immer noch. Es bedeutet mir wirklich viel. Und ich verbinde damit viele gute Erinnerungen. Es ist witzig, dass wir damals so jung und naiv waren, aber das Album trotzdem eine sehr besondere Atmosphäre mit viel dunkler Energie hat. Ich würde auch aus heutiger Sicht nichts an dem Album ändern. Und wenn ich ehrlich bin, hätte ich damals nie gedacht, dass es einmal einen solchen Status erreichen würde. Aber Mitte der 90er war auch einfach eine gute Zeit für unsere Art von Musik.

Sear_Bliss_-_PhantomsDas Album erscheint auch auf LP – was denkst du über das Revival der Schallplatte? Bist du selbst Plattensammler?
Ja, ich liebe Vinyl und sammle auch selbst. „Phantoms“ als LP zu besitzen ist eines der Highlights meiner Karriere. Ein Traum, der wahr geworden ist. Aber das Album hat es nach 20 Jahren auch wirklich verdient, auf Vinyl zu erscheinen. Aber ich glaube nicht, dass Vinyl die Zukunft der physischen Musikverkäufe ist – es hat eine andere Rolle.

Thema dieses Interviews soll aber eigentlich nicht SEAR BLISS sein, sondern dein neues Projekt, ARKHĒ. Könntest du das Projekt zunächst in ein paar Sätzen beschreiben?
Klar. Ich habe ARKHĒ gegründet, um meine verschiedenen musikalischen Einflüsse zum Ausdruck bringen zu können, die wirklich zu weit von der Welt, in der SEAR BLISS agieren, entfernt sind. Eigentlich wollte ich das Ganze als Soloprojekt durchziehen, aber später habe ich mich dazu entschieden, eine Band daraus zu formen, und daraus wurden ARKHĒ. Die Musik auf dem Album zu beschreiben ist schwierig … es ist sehr experimentell. Mein Ziel war, einfach alles zu machen, was mir in den Sinn kommt, und zwar mit allen musikalischen Hilfsmitteln. Das hat mir unendliche Freiheit gegeben, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Die Songs sind wirklich sehr unterschiedlich, bedienen unterschiedliche Genres, manchmal sogar innerhalb eines Songs. Trotzdem hat das Album eine ganzheitliche Atmosphäre.

Was bedeutet ARKHĒ und warum hast du diesen Bandnamen gewählt?
ARKHĒ ist ein Wort aus dem Altgriechischen. Es bedeutet Anfang oder Ursprung. In der antiken Philosophie ist damit der Anfang von allem gemeint, der Anfang des Universums. Ich fand den Namen passend, weil dieses Projekt für mich wirklich ein neuer Anfang ist, sowohl musikalisch als auch auf persönlicher Ebene. Ich wollte wirklich einen kompletten Neuanfang. Das beschreibt das Wort ARKHĒ ziemlich gut, finde ich.

Arkhe-CoverDas Album ist, dazu passend, nur mit dem griechischen Buchstaben Lambda, „Λ“, betitelt. Was war hier der Gedanke hinter dieser Idee?
Das hat verschiedene Bedeutungen: In gewisser Weise hängt das auch mit dem Universum zusammen, weil Λ in der Kosmologie das Zeichen für die kosmologische Konstante ist. Aber es ist auch eine alte ungarische Rune.

Du hast die stilistische Vielfalt bei ARKHĒ schon angesprochen. Welche Bands haben dich am meisten beeinflusst, was für Musik hörst du privat?
Ich selbst höre viele verschiedene Musikrichtungen, das hängt ganz von meiner Laune ab. Ich kann wirklich nicht sagen, was mich davon am meisten beeinflusst hat, weil ich wirklich unzählige Bands höre, von The Cure bis Darkthrone und von Ulver bis Hail Of Bullets. Aber am Ende ist es genau diese Vielfalt, die die Grundlage für die Musik von ARKHĒ darstellt. Es gibt einfach keine Limitierungen.

Prägnant sind vor allem die elektronischen Elemente auf dem Album. Welche Bands aus diesem Genre haben dich geprägt?
Ich höre viele Bands aus dem elektronischen Sektor … das fängt bei Genrepionieren wie Schulze, Tangerine Dream und so weiter an und geht bis zu Bands wie Skinny Puppy, Download oder einigen obskuren experimentellen Alben. Ich war immerschon ein Fan von diesem alten, analogen Equipment – deshalb haben wir viel davon auf diesem Album eingesetzt.

Wenn du einen Song schreibst oder eine Idee für einen Song hast – wann entscheidest du, ob das Material bei SEAR BLISS oder ARKHĒ Verwendung findet?
Das funktioniert bei mir so: Ich entscheide bewusst, was ich schreiben will. Ich habe einfach gemerkt, dass ich das parallel nicht kann. Ich muss mich musikalisch auf eine Sache konzentrieren, sonst wird das das reinste Chaos. Im Fall von ARKHĒ hieß das, dass ich SEAR BLISS für ein Jahr auf Eis legen musste, um „Λ“ zu erschaffen. Alles andere hätte mich nur abgelenkt. Ich muss mich komplett auf eine Sache fokussieren, wenn ich ein Album schreiben will. Tatsächlich habe ich zwar bereits vor zehn Jahren neben meiner Arbeit für SEAR BLISS angefangen, Material für mein Soloalbum zu schreiben, aber da hatte ich eben wegen der Band nie genug Zeit, das fertigzustellen. Als ich mich dann dazu entschieden habe, dieses Album zu schreiben, habe ich diese Ideen auf meinem Computer nochmal gesichtet und festgestellt, dass sie sich gar nicht so sehr von SEAR BLISS unterscheiden. Deshalb habe ich mit dem gesamten Projekt dann nochmal bei Null angefangen. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich nur eine einzige Klaviermelodie beibehalten.

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Dafür ist auf dem Album ein Cover des Napalm-Death-Klassikers „Scum” zu finden. Warum diese Band, warum dieser Song?
Ich wollte einfach etwas Ungewöhnliches machen. Ich glaube, niemand erwartet „Scum“ auf einem Album wie diesem. Abgesehen davon haben Napalm Death in meinen frühen Teenager-Jahren eine wichtige Rolle gespielt. Es war einfach eine großartige Herausforderung, aus diesem Song etwas komplett anderes zu machen. Zu guter Letzt war der Coversong auch ziemlich schnell fertig.

Gab es auch andere Songs, die du für ein Cover in Erwägung gezogen hattest?
Ja, aber schlussendlich haben wir uns für „Scum“ entschieden, weil es das beste und eben ungewöhnlichste von allen war. Wir werden live aber einen anderen Song covern … von einer anderen Band aus dem UK, aber ich will noch nicht verraten, von welcher. Coversongs zu entwickeln macht wirklich Spaß!

Ihr habt also schon darüber nachgedacht, ARKHĒ auf die Bühne zu bringen?
Eigentlich sollte ARKHĒ ein Soloprojekt bleiben, aber als die Studio-Sessions anfingen und die Songs Gestalt annahmen, hat mir das alles so viel Spaß gemacht, dass ich mich dazu entschlossen habe, aus dem Projekt eine Band zu machen, um diese Songs auch live spielen zu können. Deshalb gibt es jetzt ein komplettes Lineup mit anderen, großartigen Musikern und ich kann es gar nicht erwarten, mit der Band live zu spielen. Nächste Woche starten die Proben!

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Vielen Dank für Zeit und Antworten. Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Donald Trump: Eine Marionette, die aus dem Hintergrund gelenkt wird.
Black Metal: Venom, Bathory, Celtic Frost.
Spotify: Ich bin zu altmodisch für diese Sachen.
Flüchtlingskrise: Organisierte Invasion.
Dein bisheriges Lieblingsalbum 2016: David Bowie – Blackstar und Ulver – Atgclvlsscap
ARKHĒ in zehn Jahren: Hoffentlich noch aktiv!

Die letzten Worte gehören dir:
Vielen Dank für eure Unterstützung! Ich kann ARKHĒ nur jedem empfehlen, der einen breit gefächerten Musikgeschmack und ein offenes Ohr für experimentelle Musik hat. Macht es gut!

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