Interview mit Gaahl von Gaahls Wyrd

Wie kaum ein anderer verkörpert Gaahl das Wesen des individualistischen Black-Metallers. Mit Gorgoroth, später God Seed, gehörte er zur Speerspitze des Genres, bevor er sich überraschend aus der Szene zurückzog, um sich auf Theater, Film und Malerei zu konzentrieren. Jetzt ist Gaahl mit seinem Projekt GAAHLS WYRD zurück – willkommener Anlass für ein spannendes Gespräch über seinen musikalischen Werdegang, seine Visionen und seine Sicht auf die Black-Metal-Szene.

Ihr habt jetzt zehn GAAHLS-WYRD-Shows in elf Tagen hinter euch gebracht, inklusive der heutigen habt ihr noch fünf Konzerte vor euch. Seid ihr mit der Tour soweit zufrieden?
Ja. Aber es sind zu viele Shows am Stück. Es hätte dazwischen mehr Pausen geben müssen, um die Qualität der Stimme zu wahren.

Ist die Tour zu anstrengend für deine Stimme?
Es ist schwer, die Flexibilität der Stimme aufrechtzuerhalten. Zehn Tage am Stück zu singen ist im extremen Metal schlicht zu viel. Ein Tag Auszeit ist einfach nicht genug. Wenn wir nach sechs Tagen eine Pause gemacht hätten, wie ich es der Booking-Agentur eigentlich gesagt hatte, wäre es OK gewesen. Aber sie haben entschieden, dass es besser ist, schlechte Shows zu veranstalten als gute.

Gestern hattet ihr besagte Auszeit. Wie hast du den einzigen freien Tag der Tour verbracht? Habt ihr euch München angeschaut?
Ja, ich bin mit einem Freund, der hier lebt, etwas spazieren gewesen, später haben wir ein paar verschiedene Weine ausprobiert. Kein hartes Trinken, ich wollte einfach mal sehen, was es hier so gibt.

Vor diesem Trip warst du lange nicht auf Tour. Ist es schwer für dich, wieder in das Leben „on the road“ hineinzufinden?
Nein, wir haben ein fantastisches Team, um gemeinsam unterwegs zu sein – das gilt sowohl für Auðn als auch für The Great Old Ones. Das sind wirklich sehr nette Menschen, insofern funktioniert es zwischenmenschlich sehr gut. Und auch musikalisch … die Qualität der Bands ist so hoch, dass es wirklich gut zu überstehen ist. (lacht)

Hattest du persönlich Einfluss auf die Auswahl der Vorbands?
Auðn habe ich in Island zufällig kennengelernt, als ich auf Gunnar Sauermanns Hochzeit war – sie haben dort auch gespielt und ich habe sie dann angesprochen, dass wir mal etwas zusammen machen sollten. Sie haben das gewisse Etwas, ich mag ihre Energie. Drei Monate später habe ich einen Anruf von Season Of Mist bekommen, ob ich Interesse daran hätte, sie mit auf Tour zu nehmen. Das sind wirklich sehr korrekte, nette Menschen.

Das Projekt, mit dem du jetzt unterwegs bist, heißt GAAHLS WYRD. Was bedeutet dieser Name?
Das Wort „wyrd“ benutzen wir in Norwegen im Sinne von „wyrdnatt“, was nicht genau „Bestimmung“ bedeutet, aber damit in Verbindung steht. Im Japanischen hast du das Wort „Än“, das auch alles umfasst, was dein Leben beeinflusst, das Universum, das Micro und Macro. Diese Begrifflichkeit ist in schamanistischen Kulturen gebräuchlicher als in monotheistischen. Aber es bedeutet im Grunde genommen „Faden des Schicksals“.

Die anderen Bandmitglieder wollten ursprünglich, dass die Band Gaahl heißt – ich habe gesagt: Auf keinen Fall. Das würdet ihr bereuen. Ich hasse auch diesen Fokus auf eine einzelne Person. Außerdem mache ich so viele andere Sachen, bei denen ich diesen Namen benutze – das sollte nicht automatisch mit GAAHLS WYRD in Verbindung gebracht werden. Eigentlich hatten wir vor, das GAAHLS irgendwann zu streichen – das war auch die Idee hinter dem Logo, deswegen sieht es aus, wie es aussieht. Ich wusste allerdings nicht, dass es schon eine Band gibt, die Wyrd heißt. Deswegen kann ich das GAAHLS jetzt eben nicht einfach weglassen. Insofern haben wir das jetzt eben am Hals. Aber solange das für den Rest der Band OK ist, werden wir es überleben.

Du warst bei Gorgoroth Fronter einer der größten Bands der Szene, hast gefeierte Shows auf Festivals wie dem Wacken gespielt. Ist es für dich schwer, mit GAAHLS WYRD jetzt quasi wieder bei null anzufangen?
Nein – im Gegenteil: Ich habe mich bewusst gegen größere Events entschieden. Ich wollte GAAHLS WYRD als Band aufbauen. Wenn du dir mal einen Namen gemacht hast, ist es nicht schwer, Slots zu bekommen. Du wirst mit Angeboten regelrecht überschüttet … von Labels, Veranstaltern und so weiter. Aber ich will, dass GAAHLS WYRD eine anständige Band wird. Deswegen will ich sie langsam aufbauen. Ich will nicht, dass wir große Festivals headlinen. Deswegen habe ich allen großen Festivals abgesagt. Ich will es so langsam wie möglich aufbauen, damit wir es zu unserer gemeinsamen Ausdrucksform machen, nicht nur zu der von Gaahl. Ich kenne den Wert, wenn man etwas komplett von null weg hochgezogen hat – das ist sehr schwierig. Deswegen haben wir das als Startpunkt gewählt.

Aber trotzdem spielt ihr nächstes Jahr auf dem Wacken Open Air – wie groß wird die Show werden?
Wir werden wohl nur auf einer Zeltbühne spielen. Das ist gut, weil ich alle zehn Jahre auf Wacken gespielt habe. 2028 werden wir wieder auf der großen Bühne als Headliner spielen. (lacht)

Magst du persönlich große Festivals wie das Wacken?
Ich finde es schwierig, wenn die Leute zu weit von der Bühne weg sind, was auf großen Festivals immer der Fall ist. Du teilst einfach nicht die gleiche Energie, wie das bei kleineren Locations der Fall ist.

In gewisser Weise hast du mit GAAHLS WYRD ja dein Gorgoroth-Nachfolge-Projekt God Seed wiederbelebt – zumindest teilweise auch personell …
Ja, ich bin die Leute losgeworden, mit denen ich nicht mehr spielen wollte und habe mit den Leuten weitergemacht, mit denen ich spielen will. (lacht)

Dein langjähriger Bandkollege aus Gorgoroth- und God-Seed-Zeiten, Tom Cato Visnes alias King Ov Hell ist nicht mehr dabei.
Er ist nicht mehr dabei, nein.

Woran liegt das, warum haben sich eure Wege nach all den Jahren getrennt?
Wir waren immer schon sehr verschiedene Menschen. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was wir zusammen musikalisch erreicht haben. Aber wir haben eine sehr unterschiedliche Sicht auf das Leben. Ich kann mich nicht mit Leuten umgeben, mit denen ich nicht gut auskomme. Das habe ich in der Vergangenheit viel zu oft gemacht. Alle Menschen haben Qualitäten, aber ich werde die Fäden nicht mehr verknüpfen. (lacht) Die Menschen verändern sich, und wir haben uns schlichtweg komplett auseinandergelebt. Wir haben einfach gänzlich unterschiedliche Herangehensweisen an das Leben.

War das auch der Grund, weswegen du den Bandnamen geändert hast?
Es wäre einfach unfair gewesen, mit dem alten Namen weiterzumachen. God Seed waren ein Duo, das waren Tom und ich. Aber ich wollte es mehr als Band aufziehen, was ich jetzt geschafft habe. So wie Tom und ich zusammenarbeiten, enden wir wohl immer als Duo. Bei unserer Arbeitsweise ist es schwer, andere in den Prozess einzubinden und teilhaben zu lassen. Wir sind beide Kontroll-Freaks. (lacht) Mit dem neuen Lineup ist das jetzt viel einfacher.

Was euer Set angeht, spielt ihr mit GAAHLS WYRD bislang kein eigenes Material. Warum?
Wir wollten eigentlich unser Album schon für die Tour fertig haben, jetzt haben wir nur ein Live-EP dabei, die es dafür nur auf dieser Tour zu kaufen geben wird. Eigentlich war der Studioaufenthalt für September angesetzt. Aber aus verschiedenen Gründen ist sich das einfach nicht ausgegangen – einige unserer Musiker sind noch in anderen Bands aktiv. Wir haben Baard Kolstad (Borknagar, Leprous, ICS Vortex – A. d. Red.) als Schlagzeuger verpflichtet, aber er ist mit Leprous und all seinen anderen Projekten einfach viel zu beschäftigt. Es war unmöglich, die Zeit zu finden, vernünftig zusammenzuarbeiten. Er hat uns jetzt einen anderen Schlagzeuger vermittelt, testweise, sozusagen. Ich würde ihn sofort nehmen, aber ich will, dass er das nach der Tour selbst entscheidet. Er muss selbst entscheiden, ob er das will … ob er mit grantigen, alten Männern wie uns zusammenarbeiten will. (lacht) Er selbst ist erst Mitte 20. Ich kenne ihn nur über die Musik, aber da funktioniert alles bestens, insofern spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, ihn in die Band aufzunehmen. Aber es muss von ihm kommen. Was ich so mitbekomme, denke ich, wird er ja sagen. Aber wir werden sehen, wenn wir von der Tour zurückkommen.

Aber ihr habt schon Songmaterial geschrieben?
Wir haben schon viele Songs. (lacht) Ich will keine Veröffentlichungstermine versprechen, aber ich sehe im nächsten Jahr mehr als eine Veröffentlichung kommen. Wir haben viel, um damit zu arbeiten. Ich muss noch das Kernthema jeder Veröffentlichung festlegen. Wenn du zu viel Material hast, musst du die Karten neu mischen und die schwarzen und weißen trennen. (lacht) Aber ich bin sehr überzeugt von dem, was wir da erschaffen.

Kannst du uns schon sagen, in welche Richtung es musikalisch gehen wird?
Ich weiß es nicht. (lacht) Es stecken viele verschiedene Elemente darin und ich will noch nichts verraten. Aber es wird leider wieder Metal werden. (lacht)

Ihr habt im aktuellen GAAHLS-WYRD-Set auch viele Songs deines langjährigen Projektes Trelldom. Besteht die Chance auf ein neues Trelldom-Album?
Das ist sehr wahrscheinlich, ja. Ich arbeite immer an Trelldom. Wir haben noch sechs Alben zu veröffentlichen … mindestens. Aber dafür muss die richtige Zeit kommen, ich muss in der richtigen Stimmung dafür sein. Diese Tour ist jetzt leider die letzte von Sir (Stian Kårstad – A. d. Red.)

Generell?
Ja, er ist der ganzen Sache überdrüssig. Des Reisens, der Musik … er hat andere Dinge, auf die er sich jetzt fokussieren will. Aber natürlich werde ich mit ihm weiterarbeiten, weil er der andere Teil von Trelldom ist. Wir beide werden weiter zusammenarbeiten. Aber es wird sonderbar, ihn bei künftigen Shows nicht mehr dabeizuhaben. Er und Lust Kilman haben eine ganz eigene Art, zusammenzuarbeiten, sie klingen zusammen ganz speziell. Ich respektiere seine Entscheidung, ich hätte selbst das Gleiche gemacht. (lacht) Aber es wird schwer werden, diese Lücke zu füllen – auch wenn die Leute für den Job Schlange stehen und darauf warten. Wir müssen schauen, wie Lust Kilman mit ihnen zusammenarbeiten kann – sie müssen sich gegenseitig fühlen. Aber ich glaube, wir haben uns schon fast entschieden. Wir müssen noch ein paar Bandproben abhalten, wenn wir wieder daheim sind, dann sehen wir weiter.

2009 warst du selbst schon an dem Punkt, dass du der Metal-Szene den Rücken kehren wolltest. Was hat dich wieder motiviert, zunächst erneut God Seed beizutreten und nach dem Ausstieg dort GAAHLS WYRD ins Leben zu rufen?
Es ist schrecklich, aber aus irgendeinem Grund liebe ich es, diese Energie zu nutzen. Heute fühle ich das allerdings nicht, ich bin gerade zu faul. (lacht) Nach so vielen Konzerten ist es schwer, sich zu motivieren. Vor allem, wenn du so viel Kraft brauchst und die Stimme nicht genau macht, was sie soll. Ich hasse es, auf die Bühne zu gehen und nicht 100 Prozent abliefern zu können.
Ich war mir sehr sicher, dass ich mit dem Metal abgeschlossen hatte. Aber eigentlich brauchte ich nur eine Auszeit von meiner eigenen Energie. 2010 habe ich ein Theater-Engagement angenommen, dort konnte ich einen anderen Charakter spielen. Und natürlich war das an einem festen Ort. Das war eigentlich wie im Gefängnis: Du arbeitest sechs Tage die Woche, verbringst nur Zeit mit den Leuten vom Theater, bist immer in der Arbeit, wenn die anderen frei haben … 2011 habe ich dann an einem Filmprojekt mitgewirkt – und wieder einen anderen Charakter dargestellt. Aus irgendeinem Grund hatte ich dann das Gefühl, dass ich wieder mit Metal anfangen will. Aber ich habe diese drei Jahre gebraucht, um wieder dorthin zu kommen.

Du warst auch sehr lange bei Wardruna aktiv – 2012 hast du aber auch dort aufgehört, zumindest, was die Liveshows angeht. Auf dem neuen Album bist du aber, soweit ich weiß, trotzdem vertreten?
Das weiß ich gar nicht, ich habe das neue Album noch nicht zu Gesicht bekommen. Aber Kvitrafn (Einar Selvik – A. d. Red.) und ich haben Wardruna damals, 2001, geplant. Das sind alles fantastische Leute, um mit ihnen zusammenzuarbeiten und es hat mir wirklich sehr lange Spaß gemacht – aber dann … ich mochte diese Verflechtung mit dem „Vikings“-Universum nicht – ich mag es nicht, Kunst zu vermischen. Das war einer der Gründe – wenn auch nicht der einzige.

Es kommen auch einfach so viele Spuren vom Band. Natürlich kannst du keinen Fluss mit auf die Bühne bringen, nur weil du das Geräusch eines fließenden Flusses brauchst. (lacht) Aber für mich hat sich das sehr beengend angefühlt, weil du die Energie nicht formen kannst – alles hat schon seinen Platz. Das ist eigentlich wie Karaoke. (lacht) Das klingt jetzt viel schlimmer, als es war, aber diese Kleinigkeiten, die Fackeln, das Holz, die Flammen … all diese Elemente sind für meinen eigenen Flow extrem limitierend geworden. Du kannst einfach nicht natürlich reagieren, du kannst nicht mit der Musik interagieren, sondern musst immer auf das vorbereitet sein, was als nächstes kommt. Das tötet für mich die Musik.

Davon abgesehen mag ich es nicht, mich als Wikinger zu verkleiden. Du solltest dich damit wohlfühlen, wie du dich auf der Bühne präsentierst – und nicht als jemand auf der Bühne stehen, der du nicht bist. Da sind also viele Sachen zusammengekommen. Für mich ist Wardruna deswegen sehr beengend und zum Gegenteil dessen geworden, was es eigentlich ist: sehr freie Musik nämlich. Es war schrecklich, mit der Band auf der Bühne zu stehen – auch wenn es alles großartige Leute sind, um mit ihnen auf Tour zu sein, enge Freunde und wirklich liebenswerte Individuen. Ich musste da einfach komplett raus (lacht), aber ich stehe noch in engem Kontakt mit ihnen und helfe mit Ideen aus.


Lies hier unser WARDRUNA-Special mit ausführlichem Kvitrafn-Interview!


Du bist also schon noch in gewisser Weise involviert?
Ich stehe bereit, auszuhelfen, wann immer das gefragt ist. Im Moment ist Einar, glaube ich, sehr auf das fokussiert, was er tut, und extrem beschäftigt, weil er damit so erfolgreich ist. Insofern haben wir in letzter Zeit sehr wenig miteinander gesprochen. Aber ich bin da, wenn sie mich brauchen. Weil man mit ihnen sehr entspannt arbeiten kann und ich den kreativen Teil des Projektes sehr mag. Lindy (Fay, Sängerin bei Wardruna – A. d. Red.) ist vielleicht die Person, mit der ich am meisten Zeit verbracht habe. Wir machen auch immer wieder Musik miteinander, auch wenn wir davon nichts veröffentlichen. Nicht alles muss öffentlich sein. Ich habe eigentlich sogar mehr private Musik als solche, die für alle gemacht ist. Lindy ist eine von meinen beiden besten Freunden.

Eine andere Kunstform, der du dich verschrieben hast, ist die Malerei. Was hat dich dazu gebracht, mit dem Malen anzufangen?
Ich male schon genauso lange, wie ich Musik mache – vielleicht sogar schon ein bisschen länger. Ich war früher einfach zu scheu, Musik zu machen, deswegen habe ich zunächst anderen dabei geholfen, sie zu formen. Visuelle Kunst ist viel privater – es fühlt sich für mich natürlicher an. Es ist nicht sehr natürlich, mit anderen zusammenzuarbeiten. Aber bei der Musik ist das ja unvermeidlich.

Aber du stellst deine Werke mittlerweile auch aus – was hat dich zu diesem Schritt bewogen?
Dazu war viel Überzeugungsarbeit notwendig. (lacht) Es war Jannicke Wiese-Hansen, die das BlekkMetal-Festival aufgezogen hat – eine Mischung aus Musik-Festival und Tattoo-Messe. Sie hat mich nach jahrelangem Insistieren überzeugt, das zu machen. Irgendwie habe ich es dann hinbekommen, nicht zuletzt wegen des Charakters dieses Festivals: Niemand bekommt dort etwas gezahlt, es ist eine Art Kunst-Tausch. Ich will keine Tätowierungen, aber die Tattoo-Künstler haben fast alle Musiker tätowiert. Die Bands konnten sich aussuchen, wer sie tätowieren soll. Es ist ein wirklich cooles Festival. Ich habe mein Tattoo meinem Partner überlassen, er ist damit sehr glücklich. (lacht)

Wenn du den Schaffensprozess von Musik und visueller Kunst vergleichst: Ist der kreative Prozess dabei vergleichbar oder bist du dabei jeweils in einer komplett anderen Stimmung, beispielsweise?
Die beiden Kunstformen sind vielleicht in gewisser Weise verwandt, auch die Art, wie ich Musik mache: Ich überarbeite alles ständig, auch wenn die Skizze schon gemacht ist. Ich behandle Musik, wie ich die Leinwand behandle. Aber bei der Musik musst du diese Leinwand erst erschaffen, bevor du den Gesang beigeben kannst, sozusagen.
Das ist aber auch immer unterschiedlich: Bei Trelldom habe ich oft Musik zu Gesang geschrieben. Es ist also situationsabhängig. Einige der Trelldom-Songs sind fast improvisiert, ich arrangiere sie erst im Studio, weil alle Trelldom-Alben live aufgenommen sind. Da wissen die Musiker, wenn sie anfangen, nicht unbedingt, was am Ende dabei herauskommt. Ich arbeite aber mit verschiedenen Bands gerne unterschiedlich, auch was den Einsatz von verschiedenen Sprachen angeht. Das ist auch der Grund, warum die meisten Texte bei Gorgoroth auf Englisch sind.

Du hast damals, als du dich aus der Black-Metal-Szene zurückgezogen hast, einen weiteren großen Schritt gewagt und dich in einem Interview mit dem Rock Hard Magazin öffentlich zu deiner Homosexualität bekannt.
Das war kein großer Schritt. Die Medien haben da eine große Sache daraus gemacht.

Natürlich sollte das keine große Sache sein – aber die Black-Metal-Szene gilt als eine eher konservative, intolerante Szene …
Vielleicht in Teilen – aber im Großen und Ganzen ist die Szene sehr liberal. Ich glaube nicht, dass es ein großes Thema ist. Die Isländer haben ein Sprichwort: Ein leeres Fass macht mehr Lärm. (lacht) Ein paar Hohlköpfe müssen natürlich rumkrakelen … aber warum sollte mich das ärgern? Ich glaube, 90 Prozent des Black-Metal-Publikums dürfte das gar nicht interessieren. Insofern hatte ich damit auch keine Probleme. Aber es war schon komisch, dass das so viel Aufsehen erregt hat. In Norwegen war das ja noch extremer als hier. Die Presse hat das zu einem Outing hochstilisiert, aber das war es ja eigentlich gar nicht. (lacht) Ich hatte Robin ja auch davor schon immer dabei, das war nie ein großes Ding. Wir haben da nie etwas zu verbergen versucht. Götz (Kühnemund, damals Chefredakteur des Rock Hard – A. d. Red.) hatte damals in dem Interview einfach gefragt, ob es OK ist, darüber zu sprechen. Und ich habe gesagt: Ja, natürlich.

Ich finde es gut und wichtig, dass du damit so offen und entspannt umgehst. Aber soweit ich weiß, bist du der einzige offen schwule Musiker in der Black-Metal-Szene, obwohl du sicher nicht der einzige homosexuelle Black-Metaller bist …
Ich habe keine Ahnung. Das musst du die anderen fragen … (lacht)

Macht es dich traurig, dass in der Szene immer noch so wenige Leute zu sich selbst stehen, sich selbst gegenüber ehrlich sind und offen mit dem Thema umgehen?
Ich denke, es gibt sehr viele ehrliche Menschen in der Szene, aber nicht jeder steht so im Rampenlicht. Manche bekommen eben mehr Aufmerksamkeit als andere. Ich selbst bin auch gerne für mich – aber aus Gründen bekomme ich viel Aufmerksamkeit. (lacht) Aber ich bin überzeugt davon, dass es in der Szene sehr viele ehrliche, freie Existenzen gibt.

Vielen Dank für deine Zeit und Antworten! Zum Abschluss würde ich gerne unser traditionelles Brainstorming mit dir machen – ich gebe dir fünf Begriffe vor und du sagst, was dir dazu als erstes einfällt, OK?
Das klingt nach einem psychologischen Experiment (lacht)
Nein, es ist nur ein Spiel. Los geht’s!
Deutschland: Flach.
Touren: (überlegt lange) Daheim.
Weihnachten: Das haben wir in Norwegen nicht. Wir wenden die Sonne und nennen es Jul.
Rotwein: Darüber sollte man nicht sprechen, wenn man ihn nicht gerade trinkt. (lacht)
Satan: (überlegt) Amerikaner.

Vielen Dank für das Interview und viel Freude bei der Show später!
Danke. Die werde ich, glaube ich, heute nicht haben.

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Dieses Interview wurde persönlich geführt.

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