Interview mit Fulmineos von Katharos XIII

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Vom Depressive Black Metal zum Doom Jazz – mit dieser plötzlichen 180-Grad-Drehung, die KATHAROS XIII auf ihrem dritten Album „Palindrome“ vollführt haben, ist der rumänischen Underground-Band ein wahres Meisterstück gelungen. Warum diese stilistische Neuausrichtung für den Multi-Instrumentalisten Fulmineos gar keine so große Sache ist, wie ein Theremin seinen Weg auf die Platte gefunden hat und weshalb es nur die wenigsten rumänischen Metal-Bands zu internationalem Ansehen bringen, erfahrt ihr unter anderem im folgenden Interview mit dem Kopf der Band.

Guten Tag! Es freut mich, dass du dir die Zeit nimmst, um uns ein paar Fragen zu beantworten. Wie geht es dir momentan?
Danke für das Interview, wir sind im Moment ziemlich beschäftigt, da wir alle Details für unser zweites Video zum Song „No Sun Swims Thundered“ vorbereiten und bereits an dem Nachfolger von „Palindrome“ arbeiten, Gitarren aufnehmen und alle möglichen Vorproduktionen mit neuen Ideen machen.

Euer kryptischer Bandname KATHAROS XIII stellt sicherlich einige eurer Hörer vor ein Rätsel. Welche Bedeutung steckt dahinter?
Wir sind fasziniert von den Katharern und ihrer seltsamen Doktrin über diese Welt, wir haben viele Bücher über ihr häretisches Verhalten gelesen, und ihre größte Entwicklung fand im 13. Jahrhundert statt, also ist dies die Verbindung zwischen den beiden Teilen unseres Namens; „Katharoi“ bedeutet „die Reinen“ auf Griechisch, also hat es diesen komplexen Ansatz, die Wahrheit für sich selbst und sein inneres Selbst zu finden, und dies repräsentiert die ganze Idee hinter der Band sehr gut.

Abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmen wie Negură Bunget gibt es nicht viele Metal-Bands aus Rumänien, die internationale Bekanntheit erreicht haben. Woran liegt das deiner Meinung nach und wie siehst du die rumänische Metal-Szene?
Ich denke, das hat damit zu tun, wie wir als ethnischer Pool konstruiert sind und mit unserem historischen Hintergrund… Die Rumänen können sich nicht an dieses Nomadenleben anpassen, das es erfordert, in der Szene „groß“ zu werden; wir haben in der kommunistischen Ära Hunger gelitten und in Armut gelebt, so waren die Zeiten nun mal, und ich denke, für die meisten meiner Landsleute ist das schon genug; heute will sich niemand mehr in einen Van setzen und rund um den Globus touren und dabei alle möglichen Opfer bringen, um einen Plattenvertrag, eine Promotion und letztlich eben Geld zum Existieren zu bekommen. Heutzutage geht es nur noch um das Touren, den Verkauf von Merchandise und das Geschäft… Die Musik verkauft sich nicht so sehr, sondern alles andere, und man muss ständig präsent sein, um das abzuliefern. Die meisten Typen in der rumänischen Szene, die gute Bands haben, sind älter als 35 Jahre und haben Bürojobs, Familien, Verantwortung und können das nicht mehr machen. Ja, wir haben heutzutage nicht viele neue und qualitative Bands, die uns Hoffnungen machen, und das ist traurig, Negură Bunget ist das einzige gute Beispiel, aber in dieser Band ist nur ein Mann die ganze Zeit über geblieben, und aus dem Tourleben und dem Stress heraus ist er nicht mehr auf dieser Welt… Ich habe drei Jahre in dieser Band gespielt; es ist sehr stressig, wenn man davon leben und trotzdem ein anständiges Leben haben will… Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass es sich lohnt, deshalb bin ich irgendwann gegangen, wegen des Burnout und der finanziellen Unsicherheit.

Ihr selbst habt früher relativ typischen Depressive Black Metal gespielt und seid nun auf Doom Jazz umgestiegen. Was hat euch dazu bewogen?
Eines Tages diskutierte ich mit unserem Saxophonisten Alex über die Grenzen des Black Metal und darüber, was man anders machen kann, ohne seinen dunklen Ton zu verändern, und wir stellten uns diesen dröhnenden, tiefen Sound voller verschiedener Schichten vor. Aus meiner Sicht ist der Stil der Band derselbe, natürlich hat er sich weiterentwickelt, aber für mich hat er das gleiche Gefühl und die gleichen Dimensionen, aber diesmal mit anderen Werkzeugen ausgedrückt.

An der Mischung von Extreme Metal und Jazz haben sich vor euch schon einige Bands wie etwa die norwegischen Shining oder White Ward versucht. Habt ihr euch diese Bands für euren Stilwechsel zum Vorbild genommen?
Ich wusste nichts über White Ward, bis wir „Palindrome“ veröffentlichten und die Leute anfingen, uns zu vergleichen… Ich habe mir ihr Album einmal angehört und es war ok… Shining ist etwas Anderes als das, was wir machen, sie haben eben auch Saxophonanteile, aber es wird auf eine ganz andere Art und Weise verwendet, also im Grunde genommen nein, unsere Einflüsse kommen aus einer anderen Richtung: Dead Can Dance, Bohren & Der Club Of Gore, Canaan, Dolorian, Björk, Unholy, Godspeed You! Black Emperor, Decoryah, The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble und Madrugada.

Vor allem im Vergleich zu Shining ist eure Musik wesentlich reduzierter und weniger hyperaktiv. Denkst du, es würde eurem neuen Stil zuwiderlaufen, mehr auf den Putz zu hauen?
Bei uns gibt es keine Einschränkungen, wir denken nicht so sehr an den Stil, wenn wir unsere Demo-Vorproduktionen hören. Die Idee ist, dass die Musik einen Sinn ergeben muss, dass sie etwas vermittelt, natürlich und organisch sein muss und letztlich auch aufrichtig… Das ist unser einziges Anliegen.

In der Besetzung der Band hat sich seit eurem letzten Album einiges verändert. Wie kam es dazu?
Die Band ist wie ein Lebewesen, sie schrumpft und erweitert sich je nach ihren Bedürfnissen. Wir hatten in der Vergangenheit verschiedene Probleme, vielleicht war die Musik eine Zuflucht vor den täglichen Problemen, und einige der Personen, die damals in der Band waren, kamen damit nicht zurecht; jetzt ist Musik nur noch reine Freude, sie ist etwas, das unsere Seelen erfüllt und uns hilft, uns zu entspannen, also ist da eine andere Stimmung, wir haben uns entwickelt, sind gereift und sehen die Dinge anders und mit Verantwortung.

Inwieweit hat es sich auf euer Songwriting ausgewirkt, dass nunmehr neue Musiker involviert sind?
Jeder Mensch kommt mit seinen eigenen Taschen voller Wissen und Einflüsse, daher ist es ganz klar, dass die aktuelle Besetzung die gesamte Atmosphäre der neuen Songs stark beeinflusst hat.

Sowohl die Struktur eurer Musik als auch die von euch eingesetzten Instrumente unterscheiden sich deutlich von eurem früheren Output. War es für euch mit technischen oder spielerischen Schwierigkeiten verbunden, euch derart grundlegend neu zu erfinden?
Nicht wirklich, denn wir arbeiten in denselben Studios, mit denselben Personen und Sabat, unser Schlagzeuger, war für die gesamte Produktion verantwortlich. Natürlich war es im Gespräch mit ihm während des Mixings ein Kampf, einen Ausgleich zwischen all den verschiedenen Schichten zu finden, die wir in die Produktion gebracht haben. Der Schlüssel ist, vor der Aufnahme eine Vorstellung von der endgültigen Produktion zu haben, dann ist der Prozess etwas einfacher und es hilft, dass jemand aus der Band an der Aufnahme, dem Mischen und dem Mastering der Songs beteiligt ist.

Wenn man derart unterschiedliche Musikrichtungen kreuzt, besteht oft die Gefahr, dass es den Songs an einem schlüssigen, nachvollziehbaren Aufbau mangelt. Auf welche Weise gehst du sicher, dass ihr beim Komponieren nicht den Faden verliert?
Wir machen da eigentlich gar nichts… Wenn es sich legasthenisch anhört, nun, dann waren wir eben so zu dem Zeitpunkt, alles Aufgenommene ist wie ein Zeitrahmen, in den meisten Fällen achten wir darauf, dass alles richtig eingespielt wird. Wir haben einen Überblick während unserer Demo-Vorproduktionen, wie ich bereits sagte, aber hauptsächlich möchten wir die erste Aufnahme machen und (wenn möglich) behalten und spontan darüber entscheiden.

Abgesehen von einigen Screams und gelegentlichen rauen, wenn auch eher langsamen Gitarren hört man euch euren früheren Stil tatsächlich fast gar nicht mehr an. Ziehst du in Betracht, irgendwann auch wieder mehr Black Metal in deine Musik einfließen zu lassen?
Für das neue Album arbeitet derzeit nur Manuela am Gesang, also weiß ich es nicht. Es gibt ein paar härtere Stellen, aber diesmal habe ich nichts komponiert, und auch die Texte sind noch nicht fertig.

Euer neues Album nennt sich „Palindrome“. Der Begriff bezeichnet eine Reihenfolge, die vor- und rückwärts dasselbe ergibt. Welcher Gedanke steckt hinter der Wahl dieses Albumtitels?
Es ist eine Botschaft, nämlich die, dass unsere Kunst keine Grenzen kennt, wir sind ambivalent, wir suchen keine gerade Linie, wir gehen vorwärts, aber gleichzeitig kehren wir von unserem Weg ohne Rückkehr zurück.

Worum geht es inhaltlich auf der Platte?
Die Themen haben sich diesmal ein wenig verschoben, von der urbanen, dunklen Stadt (die auf dem Vorgängeralbum „Negativity“ zu hören war) in eine eher introspektive Dimension über Einsamkeit, Phantasmen von verdorbenen Träumen, Nebel über morgendlichem Wasser, schreckliche Impulse selbst auferlegten, metaphorischen Schmerzes; es ist ein soziopathisches Begehren mit existenziellen Fragen, ursprünglichen Elementen der Natur und wie sie mit dem menschlichen Verhalten interagieren…

Auf dem Artwork sieht man zwei poröse Formen, die wie Hörner aussehen. Was hat es damit auf sich und inwiefern steht es mit den Songtexten in Verbindung?
Es illustriert sehr gut das Konzept des Albums, es wurde von unserem guten Freund Alexandru Das gemacht; es gibt einige versteckte Dinge, die ein scharfes Auge vielleicht entdecken wird… Aber vor allem zeigt es dieses duale Konzept von vorwärts und rückwärts gerichteter Bildsprache.

Ihr setzt auf „No Sun Swims Thundered“ sogar ein Theremin ein. Wie seid ihr auf die Idee dazu gekommen und was habt ihr damit bezweckt?
Ich hörte in meinem Kopf einen sehr hohen Klang bei diesen Parts und versuchte etwas auf meinem Keyboard, aber es klang nicht annähernd so, wie ich es hörte, also kontaktierte ich einen sehr fähigen lokalen Musiker, Gabriel Almasi, von dem ich wusste, dass er Theremin spielen kann, und er kam gerne für einen Tag ins Studio, nicht nur mit seinem Instrument, sondern auch mit einem Haufen seltsamer Pedale von Earthquaker (eine Firma, die wir für ihr cooles Zeug lieben). Wir hatten einen Nachmittag lang Spaß und nahmen fast alles auf, und dann musste sich der arme Sabat all diese ausgefallenen Experimente anhören und die richtigen Teile auswählen und in dem Song zusammenmischen.

In dem Track werden außerdem mehrere, beliebig erscheinende Zahlen geflüstert. Was hat es damit auf sich?
Es ist die Fibonacci-Folge durch die Augen von Cassinis Identität… Es gibt dazu verschiedene neurologische Konzepte und wenn man danach sucht und darüber liest, kann man vieles darüber herausfinden, wie wir und die Natur um uns herum konstruiert sind.

Wie wird es als Nächstes mit KATHAROS XIII weitergehen?
Wir haben einen Plan, aber der ist noch nicht definiert, wir machen gerade lediglich das neue Video zu „No Sun Swims Thundered“ und nehmen das neue Album auf, das wir vielleicht nächstes Jahr herausbringen wollen.

Wir bei Metal1.info beenden unsere Interviews üblicherweise mit einem kurzen Brainstorming. Woran denkst du beim Lesen der folgenden Begriffe?
Seelische Gesundheit: Nicht notwendig, kann aber unsterbliche Dinge hervorbringen.
Mystizismus: Finde deinen eigenen Weg.
Avantgarde: Elend
Politik in der Musik: Zwei parallele Linien, die nie zueinander finden.
Blast-Beats: Über 240 bpm ist ein Segen.
Female-Fronted Metal: Manchmal

Zum Schluss ein großes Dankeschön für dieses Interview. Gibt es noch etwas, das du den Lesern an dieser Stelle mitteilen möchtest?
Vielen Dank für euer Interesse an KATHAROS XIII!

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