Interview mit Victor Bullok von Produzenten-Special – Teil 4: Victor Bullok

Seit 12 Jahren schwingt er als V. Santura bei den Black Metallern Dark Fortress die Gitarre, seit fünf ist er zudem Tom Gabriel Fischers Kumpane beim Celtic Fronst-Nachfolger Triptykon und seine Gastauftritte sind ungezählt. Hauptberuflich ist Victor Bullok jedoch Produzent: In seinem Woodshed-Studio entstanden hoch gelobte Alben wie Farsots „IIII“, beide Thulcandra-Scheiben, Helfahrts „Drifa“, „Cosmogenesis“ und „Omnivium“ von Obscura oder „Seven Bells“ (Secrets Of The Moon) – von seinen eigenen Projekten garnicht erst zu reden. Doch auch Internationale Acts wie Pestilence fanden sich schon im beschaulichen Landshut ein.

Produzenten Special Teil 4

Hallo und danke für deine Bereitschaft, an diesem Special mitzuwirken!
Sehr gerne! Ich finde so eine Art von Interview zur Abwechslung mal sehr interessant.

An welchem Projekt arbeitest du aktuell und was kannst du bereits zum Resultat verraten?
Momentan habe ich ziemlich viel zu tun im Studio, ich hatte gerade 3 Wochen lang die Schweizer Band Schammasch bei mir für Recordings. Die Band spielt eine sehr interessante Art von angedoomten Black Metal, sehr atmosphärisch und sehr intelligente Musik.
Gerade aktuell mische ich das nächste Album von „Phil and the GoGoGirls“ from Hell, eine Rock’n’Roll Band aus der Nähe von Landshut, Geisenhausen um genau zu sein. Nach dem Mix kann ich mir ein paar freie Tage gönnen und danach kommen Akrea zu mir ins Studio, bereits zum dritten Mal.

vsantura05Gehen wir zunächst zurück zu den Anfängen: Wie bist du zu deiner Produzententätigkeit gekommen? Ist das dein erlernter Traumberuf oder bist du ein „Quereinsteiger“?
Es war eigentlich mein erklärtest Berufsziel. Angefangen hat es ganz pragmatisch mit meiner allerersten Band, als wir im Proberaum ein kleines Demo für uns aufnehmen wollten. Dazu habe ich mir von einem Freund einen 4-Spur-Mini-Disk-Recorder ausgeliehen und da ich derjenige in der Band war, der sich das Manual durchgelesen hatte, habe ich eben die Aufnahmen gemacht. Für die Umstände klang es sogar erträglich, „gut“ wäre wohl übertrieben. Aber jedenfalls habe ich mit dem selben Gerät noch zwei- oder dreimal was für befreundetet Bands aufgenommen. Das war jedenfalls irgendwann in der Zeit vor dem Abitur. Jedenfalls habe ich gemerkt, dass mir das Spaß macht und dass ich dafür auch Talent zu haben schien. Somit habe ich mich nach dem Abitur dazu entschieden, den Beruf Tontechniker professionell zu lernen und bin dazu auf das SAE in München gegangen. Manche lästern zwar über diese Schule, aber die Grundlagen habe ich dort auf alle Fälle gelernt, wobei es maßgeblich davon abhängt, wie sehr man sich dort einbringt und man kann nicht erwarten, dass man nach 1 1/2 Jahren Schule ein fertiger oder kompletter Tontechniker ist. Alles weitere ist ganz viel Erfahrung sammeln, Trial and Error und viel Wille und Durchhaltevermögen.

Du bist immer noch sehr aktiv als Musiker, sowohl bei Dark Fortress als auch bei Triptykon. Ist es schwer, Musiker- und Produzentendasein immer unter einen Hut zu bekommen?
Ich finde die Kombination aus Produzenten- und Musikerdasein eigentlich ideal. Ich denke, es ist essentiell, dass man als Produzent ein tiefes musikalisches Verständnis hat und es ist sicherlich von Vorteil, wenn man weiß, wie es sich auf der anderen Seite des Mikrofons anfühlt. Meine Berufswahl war insofern auch pragmatisch, da ich wusste, dass ich von Musik leben will, es aber für realistischer hielt, dies als Tontechniker zu schaffen, als als reiner Instrumentalist. Somit habe ich zwei Standbeine und das ist mir auch wichtig. Durch mein Studio habe ich eine relativ sichere Einnahmequelle, bin zeitlich flexibel, da ich mein eigener Chef bin und kann es mir somit leisten, mal längere Zeit auf Tour zu gehen, auch wenn diese Tour dann nur dem Aufbau der Band dient und ich dabei kein oder wenig Geld verdiene.
Natürlich ist es extrem wichtig, gut zu planen, aber in der Regel plant man eine Tour nicht kurzfristig, das zieht sich über mehrere Monate hin und mit etwas gutem Willen kann man Band(s) und Studio schon vereinen. Nur von meinen Bands zu leben wäre extrem schwierig und ein gewaltiger psychischer Druck und wenn ich nur im Studio sitzen würde, würde mir sicherlich nach ein oder zwei Jahren die Decke auf den Kopf fallen. Somit brauche ich beides.

woodshed04Muss man die Musik, die man produziert, also immer auch gut finden, oder geht das auch, wenn man die Musik nicht mag?
Ich glaube ich kann mich intuitiv sehr schnell auf Musik einstellen und verstehe normalerweise nach wenigen Augenblicken, um was es grundsätzlich geht. Wenn man ein Album komplett betreut, wächst es ja bei den Recordings ganz langsam Schritt für Schritt zu einem großen Ganzen, man kennt am Schluss oft die Details besser als die beteiligten Musiker und wenn dann der Mix ansteht weiß man eigentlich schon ganz genau, was man machen oder erreichen will.
Es ist auch wichtig sich bewusst zu sein, dass der Sound schon maßgeblich mit den Recordings vorgegeben wird. Deshalb sind natürlich Vorbesprechungen sehr wichtig, um sicher zu gehen, dass man die Bedürfnisse der Band oder des Künstlers mit dem man arbeitet, auch wirklich versteht und richtig interpretiert.
Es kommt aber auch oft vor, dass ich nur den Mix und das Mastering eines Albums übernehme und die Band selbst oder in einem anderen Studio aufnimmt. Dann muss man sich natürlich erst ein wenig einhören und in das Projekt reinfinden, aber dennoch habe ich normalerweise sehr schnell eine Vorstellung davon, wie es klingen soll. Es ist eher die Schwierigkeit, dies dann auch zu erreichen. Und dabei kann ich mich manchmal in den Wahnsinn treiben.
Man muss die Musik mit der man arbeitet nicht automatisch gut finden, wobei das natürlich angenehm ist. Aber wenn ich Drums aufnehme, hör ich mir nicht den Song an, ich höre mir an, wie der Drummer klingt, beurteile seine Dynamik, Sound und Timing und Groove. Wenn ich Bass aufnehme hör ich mir an, wie der Basser zum Drummer spielt usw. usw. Es ist eigentlich ein sehr analytischer Job. Es ist eine komplett andere Art des Musikhörens als wenn man sich einfach als Musikhörer einen Song anhört.

Beeinflusst das Produzenten-Dasein deinen Musikgeschmack auch in umgekehrter Weise – hörst du privat also (mittlerweile) andere Musik als die, die du produzierst?
Das Produzenten-Dasein beeinflusst zumindest bei mir leider schon nachhaltig mein Verhalten als Musikhörer oder Musikfan. Ich höre privat nur noch sehr wenig Musik. Wenn Leute mit mir zusammenarbeiten, verstehen sie das auch meistens. Denn wenn man sich den kompletten Tag lang 10 Stunden ausschließlich intensivst mit Musik auseinandergesetzt hat, hat man am Abend Bock auf was ganz anderes.
Und was mich insgeheim am meisten beunruhigt, ist, dass sich das Studioalltagsleben negativ auf meine eigene Kreativität als Songwriter auswirkt, weil man nach dieser Art von Arbeit eigentlich keine Energie mehr aufbringen kann, sich selbst Musik auszudenken. Dafür muss ich mir mittlerweile gezielt frei nehmen. Natürlich höre ich mir nach wie vor Musik an, aber eben relativ wenig und am liebsten Sachen, die ich schon kenne, d.h. ich „erarbeite“ mir nur relativ selten neue Alben. Und ja, im Metal höre ich mir sehr wenig neue Sachen an.

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Liest du Reviews zu von dir produzierten Platten und verfolgst den Erfolg einer von dir produzierten Platte weiter, oder ist das Thema für dich abgehakt, wenn du die Master-CD raus schickst?
Ein paar Reviews lese ich mir immer durch, wenn eine von mir produzierte CD auf den Markt kommt, natürlich interessiert mich das. Während einer Albumproduktion stellt sich schon eine sehr intensive Beziehung zu dem Album an dem man gerade arbeitet ein, auch zur Band, und dann will ich natürlich wissen, ob das Album gut ankommt oder nicht.

Ist man stolz, wenn ein Album dann auch einmal bspw. einen Charteinstieg verzeichnet?
Chartplatzierungen hatte ich noch nicht viele, dazu ist die Musik mit der ich arbeite zu undergroundig, wenn dies aber dennoch passiert, ist es umso großartiger und natürlich macht mich das stolz.

Grämt es dich, wenn in positiven CD-Kritiken nur auf die Musik eingegangen wird und der gute Sound, der dieser erst ihre Wirkung verleiht, unerwähnt bleibt?
Wenn der Sound unerwähnt bleibt, das Album aber unterm Strich eine fantastische Kritik bekommt, bin ich absolut nicht enttäuscht, sondern freue mich aufrichtig. Denn wenn die Songs nicht richtig in Szene gesetzt worden wären, hätte dem Rezensenten das Album wohl nicht so gut gefallen und somit hab ich schon mal nicht grundsätzlich was falsch gemacht, haha. Außerdem wird grundsätzlich nur in den allerwenigsten Reviews explizit auf den Sound eingegangen, somit erwarte ich das auch gar nicht.

Würdest du sagen, dass die Arbeit, die ein Produzent in ein Album steckt, beziehungsweise dessen Anteil am Erfolg einer Platte, generell unterschätzt wird?
Das ist eine schwierige Frage… Ich finde auch, dass das allerwichtigste an einem Album die Musik an sich ist, die Kompositionen / Songs, bzw. die Idee, die dem ganzen zu Grunde liegt. Dann kommt die Ausführung. Ohne zündende Grundidee ist alles weitere belanglos. Ich stelle mich immer in den Dienst der Idee. Das heißt, ich versuche zu verstehen, um was es eigentlich essentiell geht und dann gebe ich bei den Recordings jede erdenkliche oder mir mögliche Hilfestellung, damit diese Idee so gut wie möglich umgesetzt werden kann.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass ein perfekter Sound von vielen heutzutage als Selbstverständlichkeit angesehen wird, nicht mehr als respektable Leistung …
Naja, ein guter Sound ist mittlerweile schon fast eine Selbstverständlichkeit, aber das gilt vor allem für die Musikhörer.

vsantura06Denkst du, das war in Zeiten, in denen nicht jeder Musiker (und welcher Metaller sieht sich selbst nicht auch als Musiker) selbst mit Pro-Tools, Logic und dergleichen herum gewurschtelt hat, anders?
Haha, gute Randbemerkung… Es gibt tatsächlich kaum einen Metaller der nicht auch selbst wenigstens versucht in einer Band zu spielen.
Also, die „schlechten Demos“ von heute klingen natürlich im Durchschnitt um Welten besser als die „schlechten Demos“ von vor 10 oder 15 Jahren. Dennoch ist es meistens noch ein weiter Weg von der zu Hause am PC gemachten Vorproduktion zum fertigen Album. Denn auch, wenn fast jeder die Technik zumindest rudimentär zur Verfügung haben kann, braucht man immer noch das Know-How und die Erfahrung.

Viele, gerade kleinere Bands, nehmen das Recording ja mittlerweile selbst in die Hand, um teure Studiozeit zu sparen und gehen nur noch zum Mischen und/oder Mastern ins Studio.
Hälst du diese Vorgehensweise für sinnvoll und würdest du so arbeiten, oder ist dir wichtig, dass du bei einem Projekt von Anfang an dabei bist und auch schon in den frühen Stadien einer Produktion deine Erfahrung einfließen lassen kannst?
Wie schon vorhin erwähnt, bekomme ich oft Aufträge, Alben nur zu mischen und zu mastern. Und oft haben die Bands selbst aufgenommen. Dabei kommt man schon zu guten Ergebnissen und es ist natürlich maßgeblich eine Budgetfrage. Bei E-Gitarren und Bass kann man ja das direkte Signal aus dem Instrument aufnehmen und dies später im Studio durch einen amtlichen Amp schicken (Re-Amping), insofern muss man bei dieser Vorgehensweise bei den Gitarren quasi keine Abstriche am Sound machen. Bei der Qualität der Drumaufnahmen oder Vocals ist das schon anders. „Leider“ ist man es im Metal ja eh gewöhnt, dass die Drums getriggert werden, somit kann man damit auch noch viel am Sound raus holen, aber meistens ist man leider gezwungen, die originalen Aufnahmen zu ersetzten, da sie einfach nicht gut genug klingen.
Ich finde es immer noch am geilsten, wenn man einen richtig guten Drummer auch so klingen lassen kann wie er klingt, aber dafür muss die Aufnahmequalität auch ober-amtlich sein.
Grundsätzlich denke ich somit schon, dass ich mehr raus holen kann, wenn ich schon die Aufnahmen betreue (oder wenn in einem anderen guten professionellen Studio aufgenommen wird und nicht zu Hause), aber ich habe für diese Vorgehensweise absolut Verständnis und halte sie auch für legitim. Wie gesagt, das ist eben die Budgetfrage…

Wie viel Einfluss nimmst du idealerweise auf ein Album? Mischt du dich auch mal in den Kreativprozess ein und steuerst Ideen bei, oder siehst du dich als bloßes Instrument der Musiker, dem Album den Sound zu verleihen, den sie sich vorstellen?
Kommt immer drauf an. Es gibt Produktionen bei denen ich mich sehr wohl in den kreativen Prozess einbringe und dann sehe ich mich auch tatsächlich als Produzent oder Co-Produzent. Oft ist dies aber nicht der Fall und ich bin einfach für die korrekte technische Ausführung und den Sound verantwortlich, dann sehe ich mich aber auch nicht als „Produzent“. Wobei die Grenze zwischen Produzent und nicht-Produzent sehr verschwommen ist. Man gibt immer irgendwo mal Ratschläge und muss vor allem die Musiker dazu bringen, das Beste aus sich herauszuholen. Und die Arbeitsweise beeinflusst ja auch das Endergebnis.

woodshed02Wie großen Anteil hat das persönliche Verhältnis zu einer Band auf das Resultat? Versuchst du dich, bevor du einen Job annimmst, zu informieren, was für Erfahrungen andere Produzenten mit Bands gemacht haben, gerade auch, was das disziplinierte Verhalten im Studio angeht?
Es kam erst einmal vor, dass ich am Ende einer Produktionen ein persönliches Problem mit einer Band oder einem Musiker hatte und selbst dies konnten wir wieder aus dem Weg räumen und werden sogar höchstwahrscheinlich für die nächste Platte wieder zusammen arbeiten. Ehrlich gesagt habe ich bisher so gut wie keine schlechten Erfahrungen mit Musikern gemacht. Wenn man Menschen mit Respekt behandelt, wird man im Normalfall auch ebenso behandelt, außer es handelt sich um ein riesengroßes Arschloch und diese sind doch eher dünn gesät. Außerdem kommt ja kein Musiker zu mir mit der Intention, ein Scheißalbum aufzunehmen und dabei eine möglichst schlechte Zeit zu haben. Also kommt man immer einigermaßen gut oder sogar sehr gut miteinander aus. Eine gute oder angenehme Arbeitsatmosphäre ist mir schon wichtig, aber ob dies dann unbedingt eine Auswirkung auf den Sound hat, sei dahin gestellt. Jedenfalls habe ich mich noch niemals bei anderen Produzenten im Vorfeld informiert ob er mit dieser oder jener Band schon schlechte Erfahrungen gemacht hat.

Trinkst du mit Bands, die ein bisschen länger da sind, nach Feierabend auch mal ein Bier oder zwei, oder geht so etwas im Normalfall über das Verhältnis zwischen Produzent und Musiker hinaus?
Ab und zu schon, aber nicht zu oft. Vor allem während einer Recordingsession muss ich wirklich fit sein, während den Aufnahmen trinke ich sowieso niemals und nach Feierabend auch nur selten. Seit einiger Zeit versuche ich, regelmäßig Sport zu treiben um fit zu bleiben und das geht nur nach der Arbeit, dann kann ich eh nicht saufen, haha. Außerdem versuche ich immer ausgeschlafen zu sein, denn ich finde es schrecklich, unausgeschlafen eine Recordingsession zu leiten… das ist ein Albtraum.

Musiker reden in Interviews oft davon, dass Teile des Kreativprozesses erst im Studio stattgefunden haben – wie stehst du dazu? Findest du gut, wenn noch im Studio an den Songs gefeilt wird, oder nervt dich das eher?
Das kommt ganz auf die reservierte Studiozeit drauf an. Wenn die Zeit eh schon knapp ist, ist es eher belastend, aber oft macht genau das meinen Beruf erst wirklich interessant und spannend.

Digital, Analog, Vintage-Amps, modernste Geräte, Reamping … die Frage der Technik geht ja fast in den religiösen Bereich. Auf was schwörst du, und wo siehst du die Vorzüge deiner Arbeitsweise?
Schwören tue ich auf gar nichts und ich finde den Streit zwischen Analog und Digital auch ein wenig überzogen und teilweise zeugt es auch von fehlendem Fachwissen. Das was im jeweiligen Moment am besten klingt, gewinnt. Ich liebe die moderne Studiotechnik mit ihren Editingmöglichkeiten, man muss es halt einsetzen können und vor allem muss man es auch mal nicht einsetzen können. Dadurch dass man vor allem Drums vom Timing her komplett gerade ziehen und mathematisch perfekt machen kann, gerät man leicht in die Gefahr, Produktionen zu steril und leblos zu machen – etwas an dem das ganze Metal-Genre ziemlich krankt.
Aber man kann diese Möglichkeiten auch gezielt und geschmackvoll einsetzen, die Lebendigkeit beibehalten und eben gewisse Ungereimtheiten und Fehler nachbessern. Und man muss vor allem erkennen, wann man einfach die Finger davon lassen soll. Wenn ein Album steril und leblos klingt, das was landläufig mit „digital“ assoziiert wird, liegt das nicht unbedingt an der Technik, sondern daran, wie sie eingesetzt wurde.

woodshed01Wie stark wirst du von der Arbeit anderer Produzenten beeinflusst? Wenn du privat ein Album hörst und dessen Sound gut findest, informierst du dich dann, wer das produziert hat und mit welchem Equipment? Wenn ja, ist es vorgekommen, dass du aufgrund dessen auch deine eigene Studioausstattung verändert oder erweitert hast?
Niemand ist eine Insel und wenn man sich nicht informiert, was momentan gerade eigentlich los ist, hat man keine Chance. Klar, wenn ich ein Album höre, bei dem ich den Sound großartig finde, inspiriert mich das und teilweise versuche ich das auch zu analysieren, denn ich versuche mich auch ständig zu verbessern. Es ist tatsächlich schon vorgekommen, dass ich mir deswegen schon mal einen bestimmten Amp oder etwas ähnliches gekauft habe.

Soundmäßig hat sich in vielen Metal-Bereichen in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan, bis hin zu einem ausgeprägten Retro-Trend in vielen Genres wie dem Thrash, so dass jede Zeit ihren eigenen Sound hat. Klingen Metal-Produktionen im Jahre 2013 besser als solche aus den 80ern, oder nur anders?
Es gibt heutzutage Alben, die fantastisch klingen und andere, die mir überhaupt nicht gefallen und so war das auch in den 90ern und es gibt auch ein paar wirklich gute Produktionen aus den 80ern, wobei vor allem viele 80er-Produktionen schlecht gealtert sind, insbesondere auch große 80er-Mainstreamproduktionen. Wenn man sich die Toms oder die komplett übertriebenen Snares (wobei ich letzteres ja teilweise geil finde) anhört, lacht man heute eher. Über eine 70er-Jahre-Led-Zeppelin-Produktion macht sich keiner lustig… aber „besser“ klangen die Alben in den 80ern nicht, finde ich. Außer bei Metallica.

Wünschst du dir als sicherlich sehr sound-fixierter Musikhörer manchmal bei einem Metal-Klassiker einen besseren Sound oder malst dir aus, wie das Album klingen würde, wenn du es produziert hättest?
Einige der Alben, mit denen ich aufgewachsen bin und die ich liebe, klingen objektiv grausam. Aber an einem Album wie „Under The Sign Of The Black Mark“ von Bathory würde ich absolut nichts ändern wollen. Sicherlich gibt es Alben, die besser klingen könnten und wo ich das auch willkommen heißen würde, aber letztendlich geht es doch um die Songs und um das Feeling, das transportiert wird. Ich halte jedenfalls nichts davon, alte Klassiker nochmal neu einzuspielen (neu mischen ja.)

Die meisten deiner Produktionen sind ja aus dem extremen Metal-Bereich – hast du dich selbst auf diesen Sektor spezialisiert, oder kommt deine Kundschaft einfach aufgrund deiner Kontakte und Bekanntheit in der Szene immer aus diesem Sektor, während du dich auch mal über ein genrefremdes Projekt freuen würdest?
Es sind zwar die meisten, aber nicht alle. Ich arbeite auch mit vielen lokalen Bands und da immer wieder mal mit Bands, die nichts mit Metal zu tun haben. Ich habe z.B. auch das letzte Pigeon-Toe-Album gemischt und gemastert, das ist zwar im weitesten Sinne irgendwo mit Metal verwandt, sehe ich aber eher als Alternative oder Classic-Rock.
Mich bringt man wahrscheinlich nicht unbedingt mit klassischem Heavy Metal in Verbindung, dennoch habe ich schon für Bands wie Metalium, Paradox (ok, das ist schon eher Speed oder Thrash), Centinella oder Weinhold gearbeitet. Mir macht es ehrlich gesagt unglaublich Spaß, mit Rock Bands zu arbeiten und finde es auch interessant ganz andere Sachen zu machen. Klar, vor allem auf Grund meiner eigenen Bands kennt man meinen Namen natürlich am ehesten im extremeren Metal-Bereich, aber darauf beschränkt bin ich nicht.

Gerade im Black- / Death-Metal-Sektor gibt es ja unglaublich viele Produzenten. Steht man da in einer gewissen Konkurrenz, oder ist das eher eine eingeschworene Gemeinde, in der man sich kennt und vielleicht sogar untereinander austauscht?
Also ich habe nicht das Gefühl, mit jemandem zu konkurrieren, von einer eingeschworenen Gemeinde würde ich aber auch nicht reden. Ich kenne auch nur relativ wenig andere wirklich persönlich um ganz ehrlich zu sein.

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Gibt es ein Album, auf das du als Produzent besonders stolz bist? Wenn ja: Welches und warum?
Ja, in letzer Zeit z.B. „Uljas Uusi Maailma“ von der finnischen Band „Kuolemanlaakso“ oder eben „The First Perception“ von Pigeon Toe, da mir bei beiden Alben die Musik gefällt und ich auch mit dem Sound sehr zufrieden bin.

Was war das für dich interessanteste Projekt im vergangenen Jahr, und warum?
2012 habe ich relativ wenig komplette Alben betreut, sondern ganz viel nur gemischt und außerdem mal eine dreimonatige Pause eingelegt. Aber die interessantesten Projekte waren für mich vielleicht eben das Album von Kuolemanlaakso und das noch unveröffentlichte Album der kroatisch/deutschen Band Gorthaur’s Wrath. Beides waren sehr angenehme und interessante Recordingsessions mit gutem Endresultat.

Und was war das schwierigste / nervenaufreibendste und warum?
Da gibt es eins, aber das kann ich als Profi nicht verraten.

Gibt es eine Band, mit der zusammenzuarbeiten dich noch wirklich reizen würde?
Nicht nur eine, hunderte. An erster Stelle vielleicht Metallica, das ist natürlich Utopie, aber dafür zu sorgen, dass sie endlich wieder ein gut klingendes Album machen, wäre schon genial, haha.

Und eine letzte Frage zum Abschluss: Erzählst du uns noch eine Anekdote aus deiner Produzentenkarriere?
So aus dem Stegreif… Das ist gar nicht so einfach, so etwas fällt mir immer nur spontan oder Situationsbezogen ein. Und die paar Anekdoten, die mir jetzt auf Anhieb einfallen würden, sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ich selbst hatte ja mal die Ehre bei Pytten im Grieghallenstudio in Bergen aufzunehmen. Pytten hat oft skurrile Geschichten von vorherigen Produktionen erzählt, aber niemals verraten um welche Band oder um welchen Musiker es sich dabei handelte. Das hat mich nachhaltig beeindruckt. Wenn einem Musiker bei mir etwas passiert, was ihm peinlich sein könnte, wird das niemals ein anderer erfahren.

Vielen Dank für das Interview!

 

Live-Photos mit freundlicher Genehmigung von Sunvemetal.

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