Konzertbericht: Bullet For My Valentine /w While She Sleeps, Coldrain

08.11.2015 Aladin, Bremen

Das Bremer Aladin hat ein stilvolles, orientalisches Ambiente mit vielen Ecken, Winkeln, Geländern und verschiedenen Etagen. Die Decke ist kunstvoll bemalt und die Bühne ist kleiner, als man sie bei einem Konzert von BULLET FOR MY VALENTINE erwarten würde. Auf ihrer Tour zum aktuellen Album „Venom“ und so also auch am 8. November 2015 in Bremen werden die Headliner von WHILE SHE SLEEPS und COLDRAIN unterstützt.

IMG_1729Mit epischem Operngesang vom Band beginnt der Einmarsch der ersten Band des Abends. Nicht besonders komplizierter Metalcore mit Screamo-Hintergrund, viel Klargesang und eingängigen Songs, die sich sicher gelegentlich der Bezeichnung „gejammerter Teeniecore“ ausgesetzt sehen. COLDRAIN heißt dieser japanische Beitrag zum weitgehend europäisch und nordamerikanisch dominierten Metalcore-Genre. Die Herkunft tritt akustisch nicht aggressiv in den Vordergrund, ist partiell jedoch durchzuhören. Hier und da bilden sich Vorstufen von Moshpits, aber im Großen und Ganzen werden die Wünsche von Sänger Masato nach Circle Pits recht konsequent ignoriert. Eine Stärke von COLDRAIN liegt in den langen Steigerungsparts wie zum Beispiel im Song „No Escape“, die zwar eine gewisse Monotonie, aber auch eine elektroclubähnliche Motivationsenergie aufweisen können. Das weitgehend jugendliche Publikum hat gute Laune, ist jedoch noch weit entfernt davon, auszurasten. Mit „Gone“ spielen COLDRAIN einen Song vom ganz neuen Album „Vena“, der eine vielversprechende Entwicklungsrichtung andeutet.

IMG_2042WHILE SHE SLEEPS spielen den zweiten Akt und provozieren schon gleich zu Beginn einen großen Pit in der vorderen Saalmitte. Schnelle, harte Klänge, wie Flummis herumspringende Musiker und die fliegenden Haare von Sänger Lawrence Taylor fügen sich gut ins gewohnte Metalcore-Bild. Lawrence shoutet oft gegen die laute Musik an, was seiner Stimme einen verzweifelten, klagenden, fast post-hardcorigen Klang verleiht, der trotz Härte eine gut inszenierte Hilflosigkeit transportiert. Erst geht der Gitarrist Sean Long auf breiten Geländern durchs Publikum, die viele Mosh-Pits eher in Gedrängel verwandeln, bevor der Sänger gleich zwei mal singend stagedivet. Beim zweiten Mal schwimmt er geradezu durchs Publikum, erklimmt den Balkon und springt aus einer Höhe von wenigstens zwei Metern über den Köpfen der Fans in die Menge. WHILE SHE SLEEPS liefern eine nur schwer zu vergessende Show mit wundervoll emotionalem Metalcore und hinterlassen den Eindruck, sie wären der Mainact des Abends. Die Aufforderung der Band: „Don’t forget about us! Deal?“ Deal! Denn es lohnt sich, dem neuen und erst zweiten Album „Brainwashed“ von den schon ganz groß erscheinenden WHILE SHE SLEEPS ein Ohr zu schenken.

BULLETFORMYVALENTINEEs kommt Respekt davor auf, ob While She Sleeps dem Mainact nicht vielleicht ein wenig die Show gestohlen hätten. Doch das würden BULLET FOR MY VALENTINE nicht mit sich machen lassen. So ist die Waliser Metalcore-Band zwar um einiges weniger aktiv auf der Bühne und macht mitunter den Eindruck, ein wenig zu selbstverliebt zu sein, aber es fällt nicht leicht, ihnen das übel zu nehmen, denn sie liefern einwandfreie, hochwertige Songs und eine Stimmung, die beeindruckt. Schon das Intro geht in den Jubelschreien der Fans unter. Wie Wellen brandet das Publikums-Meer zu „Four Words“ gegen die Absperrung vor der Bühne, was leider nicht ganz ohne Verletzte bleibt. Trotzdem ist das Glück im Raum geradezu spürbar, das die verschwitzten Fans quasi ausdünsten. Spätestens beim dritten Song „You Want A Battle“, der besonders starke Singalong-Passagen bietet, wird deutlich, dass die Menge die Zeilen nicht nur mitsingt, sondern Wort für Wort liebt. BULLET FOR MY VALENTINE sorgen für Gänsehaut. Der Song „The Last Fight“ wird zunächst von Sänger Matthew Tuck allein auf der Bühne angestimmt, bevor er ganz an das beeindruckend textsichere Publikum übergeben wird, bis die ganze Band einsteigt. Wundervolle Momente gibt es auf diesem Konzert mehr als in diesem Bericht Platz hätten, aber für geradezu ekstatische Zustände sorgt der Alltime-favorite-Song, den die Band ihren Fans widmet: „Tears Don’t Fall“. Ein Metalcore, der weit, weit über den Standard hinausgeht und durch eingängige, aber intelligente Songs überzeugt, die besonders durch ein für das Genre untypisch komplexes Gitarrenspiel herausragen. Das aktuelle Album „Venom“ ist – zu Recht! – ein voller Erfolg. Als die Musiker nach zwei Zugabesongs die Bühne verlassen, erklingt der Song „We Are The Champions“ von Queen. Ein wenig selbstherrlich, aber ja, das sind sie!

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Im Bremer Aladin wurde ein großartiges Metalcore-Programm vorgetragen, an das sich die Fans noch lange erinnern werden. Die Japaner COLDRAIN wärmten die Menge mit ihrem Screamo-Metalcore gut auf. WHILE SHE SLEEPS konnten mehr als nur einen drauflegen, was ihnen mit großer Begeisterung gedankt wurde. Aber die Stars des Abends waren selbstverständlich BULLET FOR MY VALENTINE, deren Show zwar in erster Linie von den Fans selbst lebte, deren Musik jedoch so überzeugend gut, emotional, nah und tief war, dass sie sehr, sehr viele Besucher überglücklich gemacht hat. Nach dem Konzert fragte eine junge Frau sehnsüchtig: „Nochmal?“ Oh ja, bitte!

Publiziert am von Jazz Styx (Gastredakteur)

Fotos von: Jan Termath

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