Konzertbericht: Crowbar w/ Messa, Coltaine

15.08.2023 München, Backstage (Halle)

Sommer ist bekanntlich die Zeit der Festivals, Winter die Zeit der Clubshows. Für Bands wie CROWBAR, die von weit her kommen, gilt es dennoch, die Zeit zwischen den Open Airs sinnvoll zu überbrücken. So ist die NOLA-Legende auch bei einigen Indoor-Shows zu sehen. Was das Problem daran ist, zeigt sich heute noch vor Konzertbeginn: die Backstage Halle gleicht schon im leeren Zustand einer Sauna – und füllt sich so langsam, dass ein Fiasko zu befürchten ist.

Als um 19:45 Uhr COLTAINE aus Karlsruhe den Abend eröffnen, stehen vielleicht 70 Fans in der Halle. Das Quartett im lässigen Hippie-Style lässt sich davon aber nicht verunsichern. Allerdings sind COLTAINE auch nur dem Namen nach Newcomer – von 2014 bis zur Umbenennung 2022 war die Truppe um das Bruderpaar Bene (Bass) und Moe Berg (Gitarre) als Witchfucker unterwegs. Stilistisch hat sich nicht viel verändert – nach wie vor steht ein lässiger Mix aus Stoner Rock und wuchtigem Doom Metal auf dem Programm. Wirklich herausragend aber ist die Darbietung von Sängerin Julia Frasch, die mit einer kraftvollen Scream- wie auch einer tiefen Klargesangsstimme zu begeistern weiß. Dass sie für einen Song einer Bauchtänzerin das Feld überlassen muss, wirkt da etwas befremdlich: Mag die Tanzeinlage technisch auch noch so gut ausgeführt sein, hätte die musikalisch wie atmosphärisch überzeugende Show einen solchen „Showeffekt“ eigentlich gar nicht nötig gehabt.

Als nach kurzem Umbau um 20:40 Uhr MESSA die Bühne betreten, hat sich die Halle doch noch erfreulich gefüllt – und das mit einem ziemlich heterogenen Publikum: Neben den für Crowbar typischen Sludge-Metallern stehen mindestens ebenso viele junge Männer und Frauen im Hipster-Look. Als wäre das nicht Hinweis genug gewesen, macht spätestens der Jubel, der MESSA entgegenschlägt klar, dass die Italiener heute nicht nur eine Supportband, sondern wohl der Grund dafür sind, dass sich das Konzert am Ende sogar ausverkauft ist. Mit ihrer rund einstündigen Show zeigen die Italiener aber auch eindrucksvoll, dass sie absolut zu recht so heiß gehandelt werden: Schon der Einstieg mit „If You Want Her To Be Taken“, bei dem Sängerin Sara Bianchin mit zarter Stimme vorlegt, ehe die Instrumente einsteigen und den Song über Doom-Rock bis hin zu hartem Blast-Beat-Geballer tragen, sorgt für Gänsehaut.

Aber auch sonst haben sich MESSA vieles erhalten, was Bands heutzutage fehlt: Ohne Clicktrack, dafür mit verdammt viel Feeling grooven die beiden Saiteninstrumentalisten durch die Songs und wagen das eine oder andere Experiment: Mal kommt die 12-Saiter-Gitarre zum Einsatz, dann der Geigenbogen statt Plektrum und in den harten Passagen spielt Mark Sade seinen Bass mit Akkorden und Tremolopicking wie eine E-Gitarre. Spätestens aber, als Sade seinen Bühnenventilator in Richtung der schon vom bloßen existieren schweißgebadeten Fans dreht, ist ihm der „Man of the Match“-Award sicher. Egal, ob man dem Düster-Rock der Band nach diesem Abend verfallen ist oder nicht – diese so sympathische wie authentische Darbietung hinterlässt bleibenden Eindruck. Dass MESSA als Vorband den Zugaberufen nicht nachkommen können, ist klar – der enorme Zuspruch wirft dennoch die Frage auf, ob Crowbar da überhaupt noch mithalten können.

  1. If You Want Her To Be Taken
  2. Dark Horse
  3. Suspended
  4. Leah
  5. Pilgrim
  6. Rubedo

Machen wir es kurz: Sie können. Denn zum einen scheinen auch die für Messa gekomemnen Fans aufgeschlossen genug zu sein, um sich die Sludge-Legende anzuschauen, sodass sich die Halle nach Messa nicht merklich leert. Zum anderen sammeln CROWBAR vom Start weg Sympathiepunkte: Nach einem kurzen Linecheck legt das Quartett den klassischen „fliegenden Start“ hin. Statt von der Bühne zu gehen, ein Intro ablaufen zu lassen, wiederzukommen und irgendwann mal loszulegen, geben CROWBAR nur ein kurzes Zeichen in Richtung Mischer und legen mit „High Rate Extinction“ los, noch ehe das Licht verloschen ist.

Schlussendlich hätte es für die Stimmung aber vermutlich nicht einmal einen Unterschied gemacht, hätte der Lichttechniker die Bühnenbeleuchtung einfach angelassen – ziehen CROWBAR mit ihren tonnenschweren Sludge-Riffs, dem Groove von Tommy Buckley und dem unverkennbaren, kratzigen und doch wehmütigen Gesang von Kirk Windstein das Publikum so oder so direkt hinab in den Abgrund. Knapp eine Stunde geht es quer durch die Diskografie, und dass CROWBAR das nunmehr vierte Leg ihrer „Europe And Below Tour“ abreißen, merkt man einzig, als Kirk bei einer Ansage, die Festival-Setlist im Kopf, mit dem für die Clubshow eingefügten „It’s Always Worth The Gain“ durcheinanderkommt. In ihre Songs jedoch legen die Musiker den gleichen Elan, das gleiche Feeling wie noch zu Beginn des Tour-Zyklus … vielmehr hat man bei CROWBAR das Gefühl, dass die Truppe auch nach 33 Jahren noch besser wird. So wundert es wenig, dass sich schlussendlich auch CROWBAR über Zugaberufe freuen dürfen – die schlussendlich aber unerhört verhallen. Egal: Nach der Sludge-Hymne „Broken Glass“ ist eh alles gesagt.

  1. High Rate Extinction
  2. Negative Pollution
  3. I Feel The Burning Sun
  4. Chemical Godz
  5. To Build A Mountain
  6. The Cemetery Angels
  7. It’s Always Worth The Gain
  8. Fixation
  9. Bleeding From Every Hole
  10. All I Had (I Gave)
  11. Planets Collide
  12. Like Broken Glass

Dieser Konzertabend ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: Dass drei von drei Bands in einem Billing vollends überzeugen können, passiert ohnehin schon selten genug. Dass es dann aber noch allen drei Bands gelingt, das ganze Publikum für sich zu gewinnen, obwohl die meisten Fans ursprünglich gezielt für eine bestimmte Band gekommen sind, ist wirklich außergewöhnlich – zumal zwischen MESSA und CROWBAR nicht nur altersmäßig eine Generation, sondern musikalisch bei allen unbestreitbaren Gemeinsamkeiten doch Welten liegen. Aber manchmal, an Abenden wie diesen, ist der Begriff der „Metal-Familie“ eben doch mehr als eine bloße Phrase.

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Fotos von: Moritz Grütz und Sabine Thile

2 Kommentare zu “Crowbar w/ Messa, Coltaine

  1. Die Zugaberufe bei CROWBAR sind nicht „unerhört verhallt“. Kirk hat den Fans sogar erklärt, dass sie nicht mehr spielen DÜRFEN. Nach 23 Uhr musste Schluss sein im Backstage … warum der Veranstalter den eigentlich früher geplanten Start der gesamten Veranstaltung nach hinten verschoben hatte, bleibt ungeklärt … und wird so noch viel ärgerlicher. CROWBAR hätten nämlich weitergespielt … wenn sie denn gedurft hätten.

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