Konzertbericht: Eisbrecher

03.06.2015 München, Circus Krone

Keine gewöhnliche DVD, keine neumodische Bluray – nein, ein ganzer Konzertfilm sollte es sein. Nach über zehn Jahren im Musikgeschäft gönnen sich EISBRECHER bei ihrer ersten offiziellen audiovisuellen Umsetzung das komplette Paket und feuern musikalisch aus allen Rohren. Das Gastspiel im altehrwürdigen Circus Krone in München funktioniert dabei auch ohne „Special Guests“ und besondere Einlagen. Weil Captain Alex und Co. wissen, wie es rockt.

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Den Anfang macht um 20.30 Uhr allerdings zunächst Bandtherapeut Dirty Dietz, der gewisse Regeln für den Abend klarstellt. Feierunlustige Langweiler mögen sich bitte am Ende der Halle platzieren und pinkfarbene Hemden wären ebenfalls ein KO-Kriterium für den anstehenden Rockmarathon über zwei Stunden. Insgesamt 16 Kameras fangen diese ein. Irgendwann wird der Psychiater, den viele aus dem „Zwischen uns“-Video kennen, mitten in seiner Ansprache von zwei Sicherheitsbeamten rüde unterbrochen und von der Bühne entfernt. Nach einem kurzen Intro starten EISBRECHER gemäß ihrer momentanen Ausrichtung: mit voller Kraft voraus!

eisbrecher-rockavaria-by-peter-seidel-metalspotter-30Und München gibt sich alle Mühe, um mit den treibenden Rockklängen Schritt zu halten. Es donnert und kracht kräftig im Gebälg. Erst rund um den Klassiker „Antikörper“ kommt Alex ein wenig zum Durchatmen. Launig berichtet er anschließend, wie er und sein kongenialer Partner Noel Pix bei ihrer letzten gemeinsamen Radtour den Song „1000 Narben“ geschrieben haben, da sie ohne Helm unterwegs gewesen sind. Deutlich ernster widmet er sich wenig später der Erkenntnis, die seiner Meinung nach alle Anwesenden aus eigener Erfahrung bestätigen können und die auf dem neuen Album musikalisch entsprechend umgesetzt wurde: Fehler machen Leute. Der Bombastrockmix nebst hervorragend getimeter Lichtshow elektrisiert die Massen auch auf den Sitzplätzen, während Alex immer wieder auf Tuchfühlung zu den ersten Reihen geht.

eisbrecher-rockavaria-by-peter-seidel-metalspotter-47Mit „Noch zu retten“ drücken die Brecher nach sechs Songs merklich auf die Tempobremse und holen sich mit zwei Damen im Background-Chor erstmals Unterstützung im Gesang, ehe „Amok“ deutlich rauere Töne anschlägt. In diesem Klangkosmos der Gegensätze bewegen sich die Süddeutschen inzwischen spielerisch, mit Esprit in den Kompositionen und Hirn in den (meisten) Texten. Von Nervosität keine Spur. Auch nicht bei Nina De Lianin von In Strict Confidence, die erst bei „Rot wie die Liebe“ als Background-Tänzerin im roten Kleid verzaubert und wenig später den weiblichen Dialogpartner zu Alex in „Zwischen uns“ bildet. Einzig bei diesem Song ist ihre Stimme deutlich zu leise abgemischt. Vielleicht das alleinige Manko an einem Abend, in dessen Rahmen etablierte Livekracher wie „Prototyp“ oder „Leider“ sowohl von ihrer hervorragenden Akustik als auch von der optischen Untermalung leben. Gekrönt wird dies von den CO2-Fontänen zu „This is deutsch“ als Abschluss der regulären Setliste.

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Im Zugabenblock darf „Miststück“ ebensowenig fehlen wie „Verrückt“. Am Ende führen EISBRECHER ihre Hörer zur „Schlachtbank“ und beweisen, dass sanfter Deutschrock nicht immer kitschig klingen muss. Andererseits ist besonders das neue Album „Schock“ auch ein angenehmer Kontrast zur vorherrschenden Tempobremse in der deutschsprachigen Musik: Während andere Gruppen immer langsamer unterwegs sind, drücken Alex und seine Mannen kräftig auf’s Gaspedal, auch im Vergleich zum letzten Album „Die Hölle muss warten“. Wie sehr dies Gehör findet, zeigt der Circus Krone – und mit Sicherheit auch die anstehende Bluray-Veröffentlichung. Dieser Schock erschüttert in Mark und Bein, manchmal sogar mit Gefühl.

Bei allen hier verwendeten Fotos handelt es sich um Archivaufnahmen vom Rockavaria 2015 von:
Peter Seidel / http://www.metalspotter.de

 

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