Festivalbericht: Festival-Mediaval X – Teil 3

07.09.2017 - 10.09.2017 Selb, Goldberg

Am vierten und letzten Tag präsentiert das FESTIVAL-MEDIAVAL auf der Hauptbühne einen eher traditionellen Tag mit pagan-lastigem Rausschmeißer, während im bunten Sammelsurium der Burgbühne wieder einmal die Contest-Gewinner zu den großen Gewinnern des Tages gehören. Dazu punkten Exoten mit ihrer Spielfreude und eine freakige Folk-Show verfehlt auch nahe der Heimat ihre Wirkung.

Als erster Act des Sonntags beweisen die Hildesheimer WALDKAUZ eindrucksvoll, warum der letztjährige Goldene Zwerg in der Rubrik „Spielmann“ an die Newcomer rund um Frontmann Niklas ging. Nachdem sie mit ihrem Erstlingswerk „Komm‘ Mit“ noch sehr im Fahrwasser von Omnia und Faun schwammen, hat sich der Vierer auf dem Nachfolger „Mythos“ spürbar emanzipiert: Einige Jigs und Reels treffen auf deutsprachige Pagan-Nummern, von denen besonders „Mond & Sonne“ überzeugt. Ähnlich wie bei den Füchsen am Samstag ist bereits ein nennenswerte Anzahl an Festivalbesuchern den frühen Tönen gefolgt und tanzt im fröhlichen Reigen u.a. einen Andro. Sinnbildliches wie „Heiden unserer Zeit“ gefällt dabei ebenso wie der „Raigan Dannsa“ mit Drehleier-Elementen und das kurze Gastspiel von Fuchtsteufelswilds Chewey an seinem Sousaphon sowie Ella an der Flöte. Die entspannte und positive Athmosphäre überträgt sich abwechselnd von der Menge auf die Bühne und zurück. So starten viele der Anwesenden den Tag mit einem sonnigen Lächeln im Gesicht und manch fröhlicher Melodie im Ohr. Kein Zweifel, mit WALDKAUZ wächst etwas heran und auch die Show am Goldberg zählt noch eher zu den Anfängen von etwas womöglich Großem.

Über den Status des Heranwachsens sind HEITER BIS FOLKIG längst hinaus und auch über eine gewisse Größe hat es die launige Bardentruppe im Laufe von mehr als einer Dekade Bandgeschichte nicht hinaus geschafft. Das mag auch durchaus so gewollt sein, denn einige der Bandmitglieder wie Bardin Gabria sind auch unter anderem Namen wie z.B. PurPur regelmäßige Gäste am Goldberg. Das eigentliche Trio wird dann auch dieses Jahr mit einigen Gästen an Schlagwerk, Harfe und Co. erweitert, was dem Klangbild insgesamt zuträglich ist. Außerdem gesellen sich einzelne Mitglieder von Fuchsteufelswild auch zu den Spielleuten von HEITER BIS FOLIG, die es als Sonntagsauftakt auf der Hauptbühne insgesamt eher gemütlich angehen lassen. Die Show gleicht mehr einem munteren Musizieren von Freunden, die ihrem Publikum ähnlich viel Spaß und Freude vermitteln möchten, wie sie ihn selbst auf der Bühne erleben. Vor zwei Jahren feierte die fröhliche Truppe ihr zehnjähriges Jubiläum beim Festival-Mediaval, das ist bis 2017 so geblieben und auch in den nächsten Jahren dürften die Musiker mit diesem oder anderen ähnlichen Projekten zum festen Programmpunkt gehören.

Die Lokalmatadoren von GREX CONFUSUS und die tschechischen EUPHORICA bespielen anschließend nacheinander die beiden großen Festivalbühnen. Erstgenannte schaffen es als ehemalige Contest-Band musikalisch mit vielen Tröten- und Dudelsackpassagen nicht, eine nennenswerte Menge an Publikum vor der Bühne zu begeistern oder durch das vertonte Ergebnis zu überzeugen. Im Gegenteil, Sänger Grimbolo und sein eigenwilliges Organ ist der Darbietung nicht zuträglich, dazu lässt der Auftritt jeden Spannungsbogen vermissen und verpufft besonders im Festival-Kontext ohne Highlights oder Besonderheiten. Immerhin verzichten die freakigen Musiker bei ihrem Heimspiel auf folkigen Rap und andere größere Experimente wie in „Des Königs Untreu“. Die östeuropäischen Damen von EUPHORICA haben hingegen früh im Jahr bereits erste weihnachtliche Klänge in ihr Weltmusik-Potpourri gemixt. Dazu gesellen sich ähnlich wie bei Heiter bis Folkig auch viele traditionelle Melodien, die allerdings etwas weniger mittelalterlich daherkommen. Wer allerdings beim Sonntags-Opener auf der Schlossbühne hellhörig geworden ist, der dürfte auch mit der musikalischen Fortsetzung gut leben können. GREX CONFUSUS können wiederum den Level von Waldkauz zu keiner Sekunde halten und auch im Vergleich zu dem, was als nächstes an gleicher Spielstätte zu sehen ist, schneiden die Musiker aus dem Fichtelgebirge eher schlecht ab.

Wenn Spielfreude einen Namen bräuchte, wäre DIKANDA ein ganz heißer Kandidat auf den Tauffavoriten. Die Energie und den Spaß an der Musik, den die Polen ausstrahlen, ist mehr als ansteckend, und so füllt sich der Platz vor der Bühne schnell mit tanzenden und strahlenden Festivalbesuchern. Wie schon im Jahr davor schmettert Frontfrau Anna Witczak-Czerniawska ihre Ansagen und Songtexte mit einem Elan nach vorne, der Seinesgleichen sucht, während ihre Mitmusiker nicht minder angeregt die fröhliche, polnische Musik mit jiddischen und kurdischen Einflüssen feiern, für die DIKANDA sinnbildlich steht. Zwar haben sie seit ihrem Auftritt im Vorjahr kein neues Material veröffentlicht, doch das neue Album steht schon in den Startlöchern, wie die Musiker stolz berichten. Daraus präsentieren DIKANDA ihre neue Single „Miłość“ („Love“), bei dem sie sich einen großen Spaß daraus machen, das Publikum den “sehr einfachen” polnischen Text mitsingen zu lassen. Aber auch bei älteren Stücken lässt es sich die Festivalschar nicht nehmen, die Band tatkräftig zu unterstützen. So ist es am Ende fast unmöglich, die gerade erst losgelassenen Polen nach ihrer Spielzeit wieder von der Bühne zu kriegen. Eine Zugabe folgt der anderen, bis nach einem letzten A-Capella-Stück die nimmermüde Anna von ihren Bandkollegen von der Bühne getragen werden muss.

Besonders leichtherzig und die Lachmuskeln fordernd gestalten PAMPATUT ihren Auftritt auf der Hauptbühne. Wie immer stellt sich schon vor Beginn die Frage, wieviele Songs das Duo wohl dieses Mal in die einstündige Spielzeit “gequetscht” bekommt – meistens sind es nur drei bis fünf, da zwischen Kalauern, Späßen und Schlüpfrigkeiten kaum Zeit bleibt, in die Saiten zu greifen. Und auch an diesem Tag auf dem Goldberg halten sich PAMPATUT mit ihrer guten Laune nicht zurück. Sogar der für das Festival mitgebrachte Schlagzeuger schafft es kaum, seine Trommeln zu treffen, so sehr krümmt er sich immer wieder vor Lachen. Der Humor mag simpel sein und ja, die Gags sind nicht selten auch schon nicht mehr ganz taufrisch, doch die zwei Haudegen verbreiten immer und immer wieder mehr als gute Stimmung. So kann man “Feuerwasser” schon hundertmal gehört haben – es zusammen mit dem PAMPATUT-Publikum zu grölen, macht immer besonders große Freude und verführt auch manchen Stinkstiefel letztlich zum Mitsingen. Selbst Veranstalter Bläcky lässt sich nicht lange bitten und taucht während des Sets in einem Ballettrock gekleidet mit einer kurzen Tanzeinlage als Gast auf der Bühne auf.

Zum Sonnenuntergang stimmen John Michael Kelly und seine Frau Maite Itoiz als ELFENTHAL auf den finalen Festivalabend ein. Die Mischung aus Symphonic-Rock, Folk und Klassik ist mit die ungewöhnlichste und vielleicht auch härteste des Festivals, trotz der eingesetzen Harfe und der balladenlastigen Setlist. Die mäßige Soundmischung an diesem Abend kompensiert die Band mit diversen Choreografien und Tanzeinlagen, die den Auftritt ästhetisch veredeln, ohne ihn zu verkitschen. Vor einigen Jahren waren John und Maite mit ihrem Projekt zu Gast auf der Schlossbühne. 2017 beweisen sie auch auf der kleineren Burgbühne, dass sie stimmlich sehr gut ausgebildet und hervorragende Sänger sind; einige Mediaval-Besucher lassen sich von den Stimmen und der dazugehörigen Inszenierung in eine mystische Welt entführen. Allerdings hätte die Performance insgesamt von mehr Dunkelheit profitiert. Auch wirkt die Show insgesamt etwas sperrig und pathetisch für die „Laufkundschaft“ unter den Besuchern – was auch am Clash mit dem eingängigen, leichtherzigen Vorgängerauftritt von DIKANDA liegen mag.

Deutlich weniger sperrig, dafür charmant-chaotisch geht es dafür wenige Meter weiter bei der öffentlich zugänglichen SCHLACHT UM DIE GOLDBERGBUCHT zu. Zum dritten Mal schon treffen hier zur Abenddämmerung die verschiedensten Reenactor, LARPER und Lagergruppen zusammen, um als Piraten und Wikinger mit erhobenen Schwertern und Piratensäbeln aufeinander einzudreschen. Gekämpft wird natürlich für Rum und Ehre – und vielleicht auch für den entführten Admiral. Dazu werden kräftig die Kanonen ab- und das Publikum angefeuert. Ein Schauspiel, das vielleicht nicht aufwendig choreografiert oder gar einstudiert ist, dafür aber in seiner Einfachheit und teils auch Unbeholfenheit manch einen unterhält. Aus professioneller Sicht dürfte der Auftritt allerdings erneut als Debakel gewertet werden.

10 Jahre dabei und noch kein Ende in Sicht – die selbsternannten Erdenkrieger von OMNIA sind wieder einmal der krönende Abschluss des Festival-Mediavals. Trotz der nun seit mehreren Jahren weitestgehend gleichbleibenden Songauswahl pilgern die Fans schon lange vor Konzertbeginn vor die Bühne und freuen sich auf eine Band, deren Spaß am jährlichen Auftritt und ganz allgemein am Festival deutlich spürbar ist. Mit “I Don’t Speak Human”, “Toys in the Attic” und “Earth Warrior” spielen sie nicht nur die Favoriten ihrer Fans, sondern sprechen jenen auch oft aus tiefster Seele. Als kleines Geschenk zum Jubiläum bekommen die Niederländer von Blacky und den vielen Organisatoren und Helfern einen ganz besonderen OMNIA-Kuchen geschenkt, den eine (leider abgebrochene) Harfe aus Zucker ziert. Natürlich versichern OMNIA direkt ihren Auftritt im kommenden Jahr, auch wenn sie 2018 deutlich kürzer treten werden. Die vielen Tourjahre und Projekte sowie die gesundheitlichen Probleme des doch älter werdenden Steve sind nicht spurlos an den Musikern vorbeigegangen, und so gönnt man ihnen gerne die verdiente Pause – besonders am Goldberg, da das Selber Publikum trotzdem im folgenden Jahr nicht auf die Holländer und ihren handgemachten Pagan Folk verzichten muss.

Auch durch den letzten Festival-Tag ziehen sich mit WALDKAUZ, DIKANDA und leichten Abstrichen auch OMNIA erneut einige Highlights des Festival-Wochenendes. Wer es gerne zwischenzeitlich etwas weniger anspruchsvoll braucht, hat sowohl bei den Kleinkünstlern als auch auf den großen Bühnen einige Auswahl. An der musikalischen Front ist dies wie im Falle von GREX CONFUSUS mit einigen teils substanziellen Qualitätsabstrichen verbunden, am Ende ist Humor allerdings wie immer Geschmackssache. Unstrittig dürfte hingegen der rundum positive Gesamteindruck der vier Tage am Goldberg sein. Auch mit der „Verlängerung nach vorne“ verliert das Festival-Mediaval nichts von seinem Zauber und Flair. Kein Wunder also, dass Veranstalter Bläcky für 2018 an diesem Konzept festhält. Nach dem Best-of der ersten Jahre mit vielen alten Bekannten folgt im kommenden Jahr das Beste aus zehn Jahren Mediaval. Mit dabei sind neben Schandmaul und Subway to Sally auch Carlos Nunez und Alan Stivell sowie Winterstorm und Garmarna. Nach zehn erfolgreichen Auflagen könnte die 11. unter diesen Vorzeichen noch einmal alles übertreffen. Dafür gebührt allen Beteiligten unter dem Strich eine Menge Respekt. 

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von:
Floh Hessler / weitere Bilder bei Flickr

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