Konzertbericht: Grave w/ Sonne Adam, Freund Hein

13.09.2012 München, Backstage Halle


Der Status der Großstadt wird München von Auswärtigen und Zuagroasten ja gerne abgesprochen – sehr zum Ärger der Münchner, die sich auf ihre Stadt (im Großen und Ganzen ja auch zu Recht) einiges einbilden. Was Konzerte im Metal-Bereich angeht, kann aber wohl selbst der stolzeste Münchner nur beschämt zu Boden schauen – schafft es die bayerische Landeshauptstadt doch mit beeindruckender Regelmäßigkeit, andernorts gut besuchte Touren auflaufen zu lassen.
Auf die Tatsache, dass die Bands dennoch immer wieder kommen, kann man sich zwar jetzt einbilden, dass das Münchner Publikum auch in geringer Mannschaftsstärke zu beeindrucken vermag – wahrscheinlicher ist jedoch, dass München schlichtweg auf quasi jeder Europa-Tourroute liegt und so immer einen praktischen Zwischenstopp darstellt.

Und so ist es für erfahrene Münchner Konzertgänger wenig verwunderlich, dass zum Beginn des Konzertabends um 19:30 von „Publikum“ keine Rede sein kann. Schade für FREUND HEIN, welche im Tourpackage den Anfang machen – müssen diese sich doch mit knapp 20 Personen zufriedengeben. Wären 20 Leute vor der Bühne vielleicht sogar noch akzeptabel gewesen, sieht die Verteilung mit 17:3 von „an der Bar“ zu „vor der Bühne“ dann in real doch ziemlich armselig aus – zumal eine der drei Gestalten vor der Bühne ein Photograph ist.
Die Musiker (und ihre beiden Fans) scheinen zwar dennoch Spaß an der Sache zu haben – über die Tatsache, dass FREUND HEIN hier und heute jedoch keinen Blumentopf gewinnen können und wohl auch ihre schicken Penis-Pentragramm-Shirts wieder vollzählig mit nach Hause nehmen müssen, vermag das jedoch nicht hinweg zu täuschen. Doch sind wir ehrlich: Stampfender Neo-Death-Thrash mit Keyboarduntermalung ist auch nicht unbedingt, was der gemeine Grave-Fan sich unter einem gelungenen Vorprogramm vorstellt… da können die Musiker noch so motiviert headbangen, posen oder auf das Keyboard eindreschen. Aber gut, zumindest zu einem kleinen Erfolgserlebnis reicht es schließlich doch noch – hat sich bis zum Ende der Show die Zahl der Fans vor der Bühne doch immerhin verdoppelt. Auf vier.

Knapp 15 Minuten später geht es auch schon mit SONNE ADAM weiter. Freund Hein und SONNE ADAM… Wer denkt sich so was eigentlich aus?
Des Rätsels Lösung ist einfach … denn während „Freund Hein“ das vermutlich einzige (gues why…) bis ins Jahr 1997 nicht als Bandname missbrauchte Synonym für den personalisierten Tod darstellt, lässt sich SONNE ADAM aus dem hebräischen mit „Hater Of Mankind“ übersetzen. Nicht eben kreativer, aber gut … am Ende ist es ja die Musik, die zählt. Und diesbezüglich ist die 2007 gegründet Band aus Israel von einem gänzlich anderen Format als der Opener: Tonnenschwere Doom-Riffs treffen hier auf headbangtaugliche Mid- und (seltener auch) Uptempopassagen, stimmungsvoll untermalt durch eine relativ monochromatische Lichtshow und inflationären Einsatz der Nebelmaschine. Dass der Lichtmann es damit so übertreibt, dass bisweilen die ganze Band in der Nebelwand verschwindet, sei ihm verziehen – sein hier völlig unangebrachtes Flashlight-Faible hingegen schon weniger, ist dieses der ansonsten eher doomigen Atmosphäre doch alles andere als zuträglich.
Doch SONNE ADAM kann auch das nicht aus der Bahn werfen – präsentiert sich der Vierer hier alles in allem mehr als nur souverän: Von der Tatsache, dass Gitarrist Davidov erst seit Kurzem auch am Mikrophon steht und mit Butcher ein gänzlich neuer Mann den Tieftöner bedient, um so den Ausstieg von Ex-Sänger/Bassist Dahan zu kompensieren, merkt man der Band jedenfalls nichts an – der Zuspruch, den die Formation vom mittlerweile auf gut 50 Nasen angewachsenen Publikum erhält, fällt nicht nur entsprechend euphorisch aus, sondern macht sich nach Ende des knapp 45-minütigen Sets verdienter Maßen auch durch wahren Andrang am Merchandise-Stand bemerkbar.

Um 21:15 ist es schließlich (und endlich) Zeit für den Headliner – die schwedischen Death-Metal-Veteranen von GRAVE. Und diese lassen sich nicht lange bitten: Mit Vollgas wird in einem vom ersten Song an derart mächtigen Soundgewand drauf los geknüppelt, dass erst in der ersten längeren Pause zwischen zwei Songs auffällt, dass in der Halle noch die Umbaupausen-Hintergrundmusik läuft.
Wer GRAVE kennt, weiß was ihn hier und heute erwartet – wer nicht (wohl zumindest heute tatsächlich auf niemanden zutreffend), weiß es im Regelfall nach wenigen Minuten … für die Vielfalt ihrer Kompositionen sind die Schweden schließlich nicht bekannt geworden. Old School Death Metal ist hier das Zauberwort, Riff um Riff, Song um Song … und das, ohne dabei auch nur eine Minute langweilig zu werden.
Das Geheimnis der Truppe liegt dabei wohl nicht zuletzt in ihrer Bühnenpräsenz – schaffen GRAVE es doch ein ums andere Mal, das Publikum mitzureißen und ihm gar keine Gelegenheit zu geben, darüber nachzudenken, ob man das gerade zelebrierte Riff jetzt im Song davor so oder so ähnlich schon gehört hat oder nicht: Nicht nur die unterhaltsamen Ansagen von Front-Sympath Ola Lindgren wissen ein ums andere Mal zu erheitern, auch das Stageacting als solches ist vorbildlich: Hier wird geheadbangt, mit dem Publikum abgeklatscht oder in Formation soliert, dass es eine wahre Freude ist, zuzusehen – lässt die Band doch (trotz der immer noch kaum 100 zahlenden Gäste) keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie Spaß hat. Entsprechend dankbar frisst das Publikum ihr aus der Hand – egal, ob Klassiker wie „Turning Black“ („Soulless“, 1994) oder „Day Of Mourning“ und „Hating Life“ vom legendäre ’91er-Output „Into The Grave“ dargeboten werden, oder ob neues Material wie „Winds Of Chains“ auf dem Programm steht. Dass der Titel von Letzterem an den des Scorpions-Hits „Wind Of Change“ angelehnt ist, liegt nahe – Olas Erklärung dieses Umstandes nach der vorangestellten Frage, ob sich Scorpions-Fans im Publikum befänden, wird dennoch mit heiterem Gelächter quittiert.
Nach dem abschließenden Doppelpack aus „Into The Grave“ und „Deformed“ und 65 Minuten Spielzeit haben GRAVE ihr Soll dann auch mehr als erfüllt und verlassen sichtlich zufrieden die Bühne.

Zugabe gibt es heute keine, dafür ist das Publikum dann wohl doch in zu geringer Zahl erschienen – eine solche ist nach diesem fulminanten Auftritt aber auch wirklich nicht mehr nötig … schließlich hatte das Publikum eine Stunde lang genügend Chancen, dem Headbang-Drang zu frönen.
Sicherlich, mit etwas mehr Besuchern wäre die Stimmung vielleicht noch etwas euphorischer ausgefallen, der Band kann man deswegen jedoch nicht den geringsten Vorwurf machen, zumal man für seine 18€ mit den gebotenen drei Bands wirklich gut entlohnt wurde: Denn wo SONNE ADAM für viele vielleicht der Geheimtipp oder die Entdeckung des Abends waren, haben GRAVE heute doch einmal mehr eindrucksvoll zur Schau gestellt, wie Old School Death Metal live zelebriert werden muss.

A.d.Red.: Die Live-Aufnahmen in diesem Bericht stammen vom Tourstopp im From Hell / Erfurt

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Fotos von: Diana Muschiol

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