Konzertbericht: Hatefest Tour (Kataklysm w/ Triptykon, Marduk)

16.12.2011 München, Backstage (Werk)

Unter einer gewissen Ambivalenz leidet die Metal-Szene ja schon: Einerseits verweist man mit Stolz auf pseudowissenschaftliche Untersuchungen, dass Metal-Hörer schlauer, besser, netter und sozialer sein sollen als andere Musikhörer, zumindest jedenfalls als der gemeine Spießbürger vermutet, andererseits ergeht man sich in schöner Regelmäßigkeit in Plattitüden, wie sie bescheuerter kaum sein könnten. So wundert es eigentlich wenig, dass die Black/Death-Variante der mittlerweile fest etablierten Rock-The-Nation-Indoor-Festival-Touren auf den tiefsinnigen Namen „Hatefest Tour“ hört. Aber gut, eine gewisse, zelebrierte Belanglosigkeit hinsichtlich Namensgebung ist bei Touren ja durchaus traditionell, insofern sticht dieser im konkreten Fall nicht einmal sonderlich heraus.

Nicht sonderlich heraus sticht leider auch das Billing der Tour, welche mit MARDUK, TRIPTYKON und KATAKLYSM (sowie drei Supportbands) zwar nicht schlecht besetzt ist – alleine auch nicht eben mit Exklusivität oder Extravaganz zu punkten vermag: Von TRIPTYKON abgesehen, welche nun zum ersten Mal auf Hallentour sind, hat man die Bands in den letzten Jahren auf Deutschlands Hallen- und Festival-Bühnen in verschiedensten Kombinationen und, 2008 im Rahmen der Metalfest-Tour, auch schon gemeinsam zu sehen bekommen.

Dass man sich hier nahe am Rande der Übersättigung bewegt, zeigt sich am für die Größe der aufspielenden Bands vergleichsweise geringe Besucherzahl – ist das Münchner Backstage trotz des günstigen Freitags-Termins zwar gut gefüllt, jedoch alles andere als gesteckt voll.

Los geht es bereits um 18:00 mit LOST DREAMS sowie im Anschluss mit den Polen AZARATH, welche die Nachteile derart großer Tourpackages und einem entsprechend frühen Konzertbeginn in Form noch relativ geringer Zuschauerzahlen zu spüren bekommen – ist Knüppel-Metal von 18:00-24:00 Uhr doch schlichtweg ermüdend und es so durchaus verständlich, dass die Leute erst zu den Bands kommen, die sie interessieren. Den Veranstaltern wird es egal sein, solange über die Vorbands Geld in die Kassen kommt (Stichwort: Pay-To-Play) – für die Bands ist es natürlich dennoch schade, so verheizt zu werden.

Für das Publikum so richtig los scheint es mit MILKING THE GOAT MACHINE zu gehen, welche doch den ein oder anderen Fan mitgebracht zu haben scheinen: Die Halle ist jedenfalls gut gefüllt, als die Musiker mit den Ziegenmasken die Bühne entern. Die Melk-Witze in Songtiteln und -texten kann man dabei mehr oder weniger witzig finden, wie eigentlich das ganze Konzept der Band – gewiss jedoch ist, dass die Deutschen es damit geschafft haben, im ansonsten oft recht gleichförmigen Feld des Grindcore / Deathgrind herauszustechen. Mehr optisch, zugegebenermaßen, als musikalisch, würde ich sagen, aber immerhin. Dem Publikum scheint es jedenfalls zu gefallen, so dass die Ziegen mit reichlich Beifall bedacht werden – egal, von welchem Album sie ihre Songs auch wählen. Im Billing vielleicht soetwas wie der Außenseiter, kann man die Band damit durchaus zu den Gewinnern des Abends zählen – den ein oder anderen neuen Fan dürfte die Herde heute gewiss dazugewonnen haben.

  1. Milk Me Up Before I Go Go
  2. More Humor Than Human
  3. Goat On the Water
  4. We Want You
  5. March Into Shed
  6. Surf Goataragua
  7. Bingo Bongo
  8. Vain Killer

Mit MARDUK stehen anschließend um 20:30 absolute Routiniers auf der Bühne: Eine schlechte Show braucht man hier nicht zu befürchten, das Einzige, was die Durchschlagskraft der Black Metal-Granaten der Panzer Division mindern kann, ist eigentlich der Sound – verkommt das rohe Geschredder der Schweden doch recht schnell in undurchdringlichen Soundmatsch. Mit diesem Problem hat man zumindest heute jedoch keinen Ärger, hat der Soundmann die drei Instrumente sowie den Gesang doch voll im Griff: Hier ist jedes Riff glasklar zu hören, der Bass, welcher mit heute etwas weniger verzerrt vorkommt, als man das gewohnt ist, erfüllt seine tragende Rolle im Gesamtsound, und auch Gesang und Drums sind auf angenehmes Maß eingepegelt.
Nachdem für ungeschulte Ohren hier eh alles Songs mehr oder minder gleich klingen, ist die Setlist bei MARDUK generell von nicht so großer Relevanz wie bei eher vielseitigen Bands – dennoch überrascht das Set den Fan in mehrerlei Hinsicht: Zum einen ist es relativ oldschool-lastig ausgelegt (das aktuelle Album findet gar nur mit „Nowhere, No-One, Nothing“ Eingang), zum anderen fehlen einige Songs, die man überlicherweise mit Gewissheit im MARDUK-Set findet. So wartet man heute leider sowohl auf „Wolves“ als auch auf „Throne Of Rats“ und „Fistfucking God’s Planet“, das traditionelle Schluss-Trio eines MARDUK-Gigs, vergebens.
Der Show als solcher tut das keinen Abbruch, und über mangelnde Hitdichte kann man sich bei der Setlist auch wirklich nicht beschweren – ein bisschen schade ist es aber dennoch.
Schade ist auch das etwas überraschende Ende, verlässt die Band nach „Baptism By Fire“ wortlos und mehr oder weniger Hals über Kopf die Bühne. Dass es das tatsächlich gewesen sein soll, kann das Publikum erst glauben, als nur Sekunden später die Roadies beginnen, die Bühne umzubauen. Schade, aber auch das ist wohl eher ein Nebeneffekt der durch das große Package nötigen straffen Organisation denn Bandverschuldet.

  1. On Darkened Wings
    02. Nowhere, No-One, Nothing
    03. Prochorovka: Blood And Sunflowers
    04. Azrael
    05. Panzer Division Marduk
    06. The Black Tormentor Of Satan
    07. Womb of Perishableness
    08. Warschau 2: Headhunter Halfmoon
    09. Materialized In Stone
    10. Baptism By Fire

Dass TRIPTYKON mit einem Album in der Hinterhand nach der Black-Metal-Legende Marduk auf die Bühne dürfen, mag im ersten Moment verwegen klingen – macht man sich jedoch klar, dass TRIPTYKON im Endeffekt als Synonym zu Celtic Frost verwendet wird, erscheint dieser Schritt fast wieder logisch. Dennoch, ganz glücklich scheint mir diese Reihenfolge nicht gewählt zu sein: Einerseits hätte die Zäsur, die der doomige Black Metal der Band um Szene-Koryphäe Tom „Warrior“ Fischer in das ansonsten recht knüppellastige Billing setzt, eher mittig im Set, also nach MTGM, eher zur Auflockerung beigetragen, zum anderen sind offenbar deutlich mehr Leute für die Schweden gekommen, sodass sich die Halle bei TRIPTYKON zunächst eher schleppend wieder füllt und auch gegen Ende noch etwas leerer ist als bei der Panzer Division Marduk.

Auch hier stimmt jedenfalls der Sound, was auch in diesem Fall von essenzieller Bedeutung ist – verliert die Musik von Celtic Frost/TRIPTYKON doch ebenfalls schnell ihren Reiz, hört man nur noch Gitarren-Gebrumme. Wie gewohnt überwiegend in blaues Licht getaucht, beginnen Fischer und Konsorten mit „Procreation (Of the Wicked)“ gleich mit einem Celtic-Frost-Klassiker – sehr zur Freude einiger Die-Hard-Fans, die wohl genau für solche Momente heute ihr Ticket gelöst haben. Auch wenn die Band wie eine Einheit zusammenspielt, und die Kombination aus Nebel, kühler Beleuchtung sowie doomigem Sound wirklich eine feine Sache ist – so richtig vermag die Band nicht mitzureißen: Zu ausufernd sind die Strukturen der Neukompositionen.

  1. Procreation (Of the Wicked) (Celtic Frost-Cover)
    02. Goetia
    03. Circle Of The Tyrants (Celtic Frost-Cover)
    04. Descendant
    05. Into The Crypts Of Rays (Celtic Frost-Cover)
    06. The Prolonging

Nach der „Verschnaufpause“ Triptykon steht mit KATAKLYSM nicht nur der letzte Act des Abends auf dem Programm, sondern nochmal ziemliches Geknüppel, um nicht zu sagen: „Gehyperblaste“.Das Publikum scheint regeneriert und fit, als wäre der Abend nicht bereits fast fünf Stunden im Gange, als KATAKLYSM um 22:50 mit „Let Them Burn“ die Bühne in Schutt und Asche legen. Weiter geht’s mit dem Klassiker „Manipulator Of Souls“ vom „Epic: The Poetry Of War“-Album, bevor man zum ersten Song des aktuellen Albums greift. Dass mit „Numb & Intoxicated“ und „At The Edge Of The World“ im weiteren Verlauf des Abends nur zwei andere Songs von dem allgemein eher kritisch betrachteten Album ihren Weg ins Set finden, ist dabei durchaus erfreulich, bleibt dafür doch mehr Platz für die echten Hits der Band und Songs, die nur selten gespielt werden.
Während aus letzterer Kategorie „In Words Of Desperation“ für leuchtende Augen sorgt, können die Kanadier dank ihres umfangreichen Back-Kataloges auf einen großen Hit-Fundus zurückgreifen: Egal ob „Taking The World By Storm“, „Crippled & Broken“ oder auch das mächtige „Previal“ – mächtige Munition haben KATAKLYSM genug. Schade ist lediglich, dass subjektiv gesehen trotzdem einige „must-play“-Stücke fehlen: Gerade „In Shadows And Dust“ vermisse ich im Set doch schmerzlich. Doch auch, wenn ich KATAKLYSM dank ihrer enormen Live-Präsenz in den letzten Jahren einige Male noch mitreißender erlebt habe, wissen mich die Herren um Brüllwürfel Maurice heute doch zu überzeugen – ein recht oldschooliges Set sowie der überaus gute Sound machens möglich.

  1. Let Them Burn
    02. Manipulator Of Souls
    03. Push The Venom
    04. The Ambassador Of Pain
    05. Taking The World By Storm
    06. Where The Enemy Sleeps…
    07. As I Slither
    08. Numb & Intoxicated
    09. Illuminati
    10. In Words Of Desperation
    11. At The Edge Of The World
    12. Crippled & Broken
    13. Prevail

Wer mehr als zwei der heute vertretenen Bands zu seinen Favoriten zählt, wurde heute wirklich gut bedient: In durchweg gutem Sound hat eigentlich jeder der Bands eine wirklich anständige bis gute Show abgeliefert. Dass das ein oder andere Set dabei mitunter arg routiniert wirkte, kann man den Bands kaum zum Vorwurf machen, schließlich ist es kaum möglich, mit mehr oder weniger dem gleichen Songmaterial bei einer neuen Tour ein erfrischend anderes Set abzuliefern und dennoch keine Klassiker auszusparen – und im Endeffekt kommt man als Fan ja auch, weil man genau das, was die Band macht, wie sie es macht, mag.

Besonders zu überzeugen vermochten heute MARDUK, welche mal wieder bewiesen haben, dass sie zu Recht als eine der größten Black Metal-Bands gelten – positiv zu überraschen wussten jedoch auch KATAKLYSM, welche sich nach ihrem Live-Durchhänger mit gesampelten Gitarrenspuren und derartigem Unsinn nach „Prevail“ offenbar wieder gefangen haben. Sicherlich, wirklich einfallsreich ist das Billing nicht zusammengestellt, zum Auffrischen der Erinnerungen an frühere Live-Shows der Bands jedoch eine durchaus stimmige Kombination, die man sich für das Geld doch bedenkenlos ansehen kann.

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Fotos von: Diana Muschiol

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