Festivalbericht: In Flammen Open Air 2012

05.07.2012 - 07.07.2012 Torgau, Deutschland


Schon anno 2011 trumpfte das IN FLAMMEN Open Air das erste Mal in seiner siebenjährigen Geschichte mit größeren internationalen Acts (Deceide, Belphegor, Graveworm etc.) auf. Anscheinend hat sich der Sprung in der Größenordnung gelohnt, denn dieses Jahr war es schon am Donnerstag für jährliche Festivalbesucher weitläufig gefüllt auf der heimeligen Campground-Wiese. Wobei man von Campground in dem Sinne eigentlich gar nicht sprechen kann. Ist das IN FLAMMEN wohl das einzige Festival dieser Dimension, welches keine Absperrungen, keine Kontrollen zwischen Bühne und umliegender Zeltlandschaft veranlasst. Wer jetzt noch nicht genug die Brauen hebt, dem sei gesagt: ja, es gab im Übrigen auch WCs und auch für den Müllpfand (Sauberkeit muss dann doch schon sein) ein Bändchen, was gleichzeitig permanente Getränkerabattmarke war. Ganz nebenbei spielten natürlich auch dieses Jahr noch Meilensteine der Metal-Geschichte wie OBITUARY, BENEDICTION und CROWBAR.
Einzig eventuell grummelig stimmender Aspekt beim Ankommen war die sengende Hitze, die sich erst mal partout nicht verziehen wollte. Doch das IN FLAMMEN wäre nicht das IN FLAMMEN, wenn es nicht auch hier Abhilfe verschaffen könnte. Wer es noch nicht weiß: Lage gleich direkt am See, wer das nicht nutzte, war selber Schuld! Soviel also zum reizenden Drumherum.

Donnerstag, 05.07.2012

Der Donnerstag startete für alle Ankömmlinge, die noch eines der zum Schluss restlos ausverkauften Tickets ergattert hatten, mit der mittlerweile legendären Schifffahrt inklusive auftretender Bands als Einstimmung auf das bevorstehende Wochenende. Kutschiert zum Gewässer wurde man gemütlich mit dem Bus; und auch, wenn man bei Ankunft von einem plötzlichen Wolkenbruch komplett durchnässt wurde, war die Stimmung phänomenal. PROPHETS OF THE RISING DEAD aus Gräfenhainichen eröffneten mit feinem Melodic Death, genauer mit wohl durchdachten Songs auf ansprechendem technischen Niveau. Dazu mehrfach nicht zu kritisierende, ausschweifende Soli, die einen perfekten Start lieferten. Die schwarzen Wolken hatten sich derweil auch verkrochen, so dass die sich anschließenden SKANNERS, die hier ihr erstes von insgesamt zwei Sets auf dem Open Air spielen sollten, zum Besten gaben und die Menge umgehend maximal auf Partylevel pushten.

Freitag, 06.07.2012

Freilich, manch einer wartete schon ungeduldigst auf den richtigen Beginn am Freitag mit reichlich diversem Angebot an Bands aus aller Herren Länder, Querbeet durch die Genreabteilungen.

Den Anfang machten PROWLER aus Leipzig, die dort anscheinend – vielleicht dank ihres modisch astreinen Aufzuges – keine Unbekanntheit zu sein schienen. Allein das kleidungsgestalterische Talent der Jungs ließ garantiert so einige weibliche Zuschauer erblassen. 2007 noch als Kellerpunkkombo aus dem Ei gekrochen, verlagerte sich der Schwerpunkt schnell auf – die Aufmachung lließ es nicht anders vermuten – 80er Jahre inspirierten Heavy Metal. Zwar waren die Reihen noch nicht übermäßig gefüllt, da sich die Meisten aufgrund der immer noch andauernden gnadenlosen Hitze das Spektakel lieber im Schatten aus der Ferne bei gemütlich kaltem Bier anschauten, dennoch legte die Formation einen ordentlichen Start hin. Langweilig wurde es beim Zuschauen definitiv nicht und auch wenn es am Sound noch ein wenig haperte, hatte man sonst nichts auszusetzen. Schnurrbärte, Knöchelturnschuhe und Leggins fetzen eben doch. Gelungener Auftakt: Häkchen.

Als nächstes HARASAI aus der anderen Ecke von Germany. Obwohl die Nordrhein-Westphalen erst ein Album („The I-Conception“) draußen haben, können sie immerhin schon auf eine Geschichte von nunmehr sechs Jahren und unter anderem Auftritte mit Größen wie Destruction, Vader, Entomed, Overkill und vielen vielen mehr zurück blicken. Die Professionalität merkte man ihnen an. Standen zu Anfang vom Opener „…Into Oblivion“ nur lichte drei Reihen vor der Bühne, hatte sich das Blatt nach der ersten Wand straightem Melodic Death bereits gewendet. Den elanvollen Aufforderungen Sänger Martin Wittsiekers konnte man aber auch einfach nicht anders als nachkommen. So hatte sich bereits beim zweiten Song eine gehörige Meute vor den Brettern freudig headbangend versammelt und feierte das Quintett nach aller Manier ab. Auf der Bühne war dabei nicht weniger los, wurde sogar eine Monitorabdeckung als passendes Accessoire umfunktioniert, um die musikalischen Darbietungen mit den geeigneten Gesten zu unterstreichen. Man präsentierte insgesamt bei akzeptablen Sound mit „…Into Oblivion“, „Destructive Masquerade“, „Hour Of The Dead Eyes“ und „Spearhead Of Storms“ ein wenig mehr als 50% des Sets vom (noch) aktuellen Werk, aber erfreulicherweise mit „Resist To Rebuild“, „Heretic Souls“ als auch „Three Kings“ einen Einblick in kommendes Schaffen.


Spielfreude – bei dem Jungs von SYMPATHY FOR THE DEVIL sah man, was der Terminus wirklich bedeutet. Mit Dauergrinsen arbeiteten sie sich durch ihr Set, was eine Mischung aus modernem Metal und melodisch bis brachialen Rock- und teilweise Hardcoreteilen war, gespickt mit malträtierenden Double-Bass Attacken und knackigen Gitarrensoli. Gegründet vor gerade einmal drei Jahren, kredenzten sie ein alles in allem durchaus annehmbares Klanggebräu. Dennoch schien die Mehrheit nach der Steileinlage von Harasai erst einmal eine kleine Verschnauf- und getränketechnische Auftankpause zu brauchen, konnte man an deren Stimmung doch erst ab der Hälfte der Show anknüpfen.

Diese wurde im nächsten Zug umso besser von DUST BOLT genutzt. Wer die Formation aus München kennt, weiß, was ihn erwartet: Thrash vom Feinsten, Performance vom Besten, jede Menge Headbangfutter und Melodieabfolgen zum Abrocken. Definitiv schafften sie es, die Kuttenträger aus allen Winkeln mit vor Freude strahlenden Gesichtern hervor zu locken. Der Sound hatte sich mittlerweile auch rigoros zum Guten verkehrt, so dass sämtliche Gehörgänge anständig geputzt werden konnten. Dabei kam man den Aufforderungen Sänger Benes zum Propeller anwerfen nur allzu gerne nach; so sieht ein gelungener Auftritt aus! Die Bayern dürften an dem Tag unter Garantie so einige Fans dazu gewonnen haben.

Wer noch keine Ahnung hatte, wie zwei Teesiebe als Brille aussehen, wusste es spätestens nach dem Auftritt von ISACAARUM. Die verrückten Tschechen, die es immerhin schon seit 1994 gibt, gehören zwar so gesehen schon zum alten Eisen, haben in Deutschland trotzdem wohl noch nicht so großen Bekanntheitsstatus. Im Vergleich zu Dust Bolt hatte sich der Platz vor der Bühne anfangs wieder etwas gelichtet. Als allerdings die ersten Töne des chaotischen Mix‘ aus Industrial, Black, Death, Grind und wahrscheinlich noch allerlei sonst, wozu man zum Verwursten mal irgendwann den Drang verspürt hatte, durch die Boxen rauschte, relativierte sich der Unterschied ganz schnell und aus allen Zelten und Ecken kamen Neugierige hervor gekrabbelt. Denn auch, wenn der Tag bis dahin musikalisch verhältnismäßig abwechslungsreich war, stellte das Quartett mit Songtiteln wie „Integrated Vulva Hacker“, „Shitpaintress“, „Ladyboy Fisted“ oder auch „Blowjob Time Pt. 3“ eine weitere Exotengröße dar. Zwar musste sich der Sound hier anfangs noch dezent eintingeln, glitt ab dem zweiten Song „Toil in Oil“ aber ohne weitere Störfaktoren ins Ohr.

Stichwort „Exoten“ ist hier der Übergang zu den Death Metalern von THORNAFIRE. Die Jungs haben mit Chile wohl den weitesten Anreiseweg hinter sich gehabt. Dabei stand die zurückgelegte Strecke anscheinend proportional zur Leistung. Bereits ab dem ersten Ton aus den Boxen gab das Trio hundert Prozent, sorgte für erstaunte Gesichter, mehr und mehr Andrang vor der Bühne, bald nickenden, schnell bangenden Gestalten und durch die Reihen hinweg für fettes Grinsen auf den Gesichtern. Obwohl mit Drummer Säbastjan Rojas erst seit Kurzem unterwegs, boten die Drei eine perfekt aufeinander abgestimmte Show ohne auffallende Verspieler dar. Während der insgesamt acht Songs, mit unter anderem Nackenbrechern wie „Offering and Desecration of Mosheh“ des Erstlings „Exacerbated Gnostic Manifestation“, „Hacia La Ruina Del Agartha“ des zweiten Albums „Vorex Deconstrucción“ und „Malefactor Manifiesto“ vom kürzlich erschienen “Eclipse Nox Coagula”, offerierte man eine bunt durchmischte Setlist, die nicht nur stellenweise an eine langsamere Version der Brasilianischen brutal-Prüpelkombo Krisiun erinnerte.

Selbst, wenn schon seit über 20 Jahren existent, hat man von TAUTHR bis jetzt nur sehr wenig gehört, obschon oder vielleicht auch gerade weil drei der Member (Mayhemic Destructor, Lars Wachtfels, Cruor) gleichzeitig Mitglieder des deutschen Black-Metal-Flaggschiffs Endstille sind. Ebenso gibt es (nach zwei Démos) mit „Life-Losing“ bis jetzt nur ein einziges Album auf dem Markt, von dem dann logischerweise auch einzig performt wurde. Freilich nicht tragisch, denn noch weniger als gehört hat man von dem Quintett bis jetzt gesehen. Allein dieses raren Auftritts wegen hatte sich der Besuch für so manch Festivalbesucher gelohnt. Ohne jedwede Pandabemalung, dennoch mit ungeheurer Ausstrahlung setzte man mit „Memories“ zur Darbietung an und ging auf wie vor der Bühne bei „Leave“, „Perfect“, „Life-Losing“ und „Dis-Loved ganz in den Klängen des 2010er-Silberlings auf. Gleichwohl die musikalischen Einflüsse des jüngeren Bruders durch entsprechende Riffs bei dem Fünfer omnipräsent sind, hat man es hier doch mit weit mehr als einer Resteverwertung unbenutzter Endstille-Riffs zu tun. Weniger erbarmungslos aggressives Geknüppel, dafür mehr getragene Parts, Melancholie und Melodie stehen im Vordergrund und demonstrieren das musikalisch weitaus freiere Konzept im Vergleich zu einer typischen Endstille-Platte, wozu per Mimik wie Gestik die passende Stimmung in die Reihen der versammelten Menge getragen wurde. Obwohl Sänger Sator des Öfteren sympathisch grinste, nahm man der Truppe die Botschaft ihrer Musik zu 100% ab. Trotz noch andauernder Helligkeit schafften TAUTHR es, eine deutlich songadäquate Atmosphäre zu erschaffen und eine zwar nicht sonderlich bewegungsreiche, aber in ihrer Ausstrahlung absolut sehenswerte Performance zu liefern.

Wem das an Härte noch nicht genug war, der bekam um kurz nach 21:00 Uhr mit DECAPITATED eine volle Ladung technischen Death Metals vor den Latz geknallt. Die Formation um den liebevoll Rasta genannten Frontmann Rafa? Piotrowski hat sich in den letzten 15 Jahren Bandgeschichte mittlerweile zu einem der großen international bekannten Acts der polnischen Metalszene entwickelt, was sich auch umgehend im Publikumsandrang bemerkbar machte. Immerhin waren bei dem Quartett das erste Mal diesen Tages die Reihen schon beim Erklimmen der Bühne mehr als nur gut gefüllt. Dem entsprechend wurde ab der ersten Sekunde des 45-minütigen Sets die Masse durch entsprechend rasante Songs in Bewegung gehalten. Während die Sonne demnach ihre letzten Strahlen über den Horizont schickte, liefen sämtliche Besucher zu Höchststimmung auf und ließen ihre Haare kräftigst kreiseln. Auf Aufforderung Rafa?s hin iniziierte man sogar einen Circle Pit, woraufhin sich von Bandseite am Ende mit einem herzlichen: „Danke fucking schön!“, verabschiedet wurde.


Doch man weiß: kein I:F:O:A ohne DAWN OF FATE. Gut so und vollkommen berechtigt, denn die Drei um Host Thomas himself wurden schon während des Soundchecks freudig auf den Brettern begrüßt. Schließlich kannte bei der auf dem IN FLAMMEN herrschenden Atmosphäre auch irgendwie jeder den sympathischen Festivalveranstalter. Mit Wellenbrechern wie „Fire“ ging’s dann allerdings hart zur Sache; es folgte eine dreiviertel Stunde Old Shool Death vom Feinsten. Und, wie das so ist, gab es gerade hier die ersten größeren Soundprobleme. Zudem schaffte man es sogar, bei relativ gediegenen Tempo die Snare über den Jordan zu befördern – rockertechnisch so gesehen ein sehr gelungener Auftritt. Aber auch sonst: Soweit man blicken konnte, reihten sich im Takt schwingende Matten vor den Brettern aneinander und zollten den Torgauern ihren verdienten Tribut. Bei dem Klassiker „Meine Gedanken des Hasses“ wurde selbstverständlich von Zuschauerseite ordentlich mitge“sungen“; anschließender, tosender Applaus und dutzend erhobene Pommesgäbelchen rundeten eine, trotz einiger technischer Probleme durchaus erfolgsgekrönte Darbietung passend ab.

Neben den auf dem Schiff wie nochmal am zweiten Tag spielenden Skanners waren OZZMOSIS wohl der Partyknaller schlechthin. Wie der Name schon vermuten lässt, geben die Hardrocker aus Ohio die Hits von Skandalnudel Osbourne zum Besten – und das gekonnt. Auch wenn Sänger Jeff „Ozzy“ Wise blonde Haare hat und (glücklicherweise) noch wesentlich frischer als das Original wirkt, stimmten sonst alle Feinheiten: Mimik, Gestik, Habitus: die tragischen Armbewegungen, der schlurfende Gang, das Umarmen seiner Mitmusiziernden. Dabei elanvolles Anfeuern des Publikums, das natürlich bei absolut jeder Glanznummer der Rockröhre erneut mit in die Textzeilen von unter anderem „Crazy Train“ einstimmte – wer sie bis dato noch nicht kannte, erlernte sie umgehend und fiel in den Melodiechor mit ein. Unumstößlich einer der Acts mit der meisten Publikumsbeteiligung.

Wenn man jedoch zu denken geneigt ist, es gehe nicht besser: falsch, denn der Headliner OBITUARY war noch nicht auf die Meute losgelassen worden. Der nämlich machte seine Sache nicht minder gut. Die Death-Metal-Legende aus den USA konnte nach Anfeuerungsrufen der Zuschauer die Bühne gar nicht früh genug betreten. Nach läppischen 20 Minuten Umbaupause nahm das Todesgespann dann unter lautem Begrüßungsapplaus die Stage in Beschlag und walzte mit einer Old School lastigen aber dennoch komplett die Bandbiographie durchlaufenden Setlist das IN FLAMMEN nach Bester Manier in Schutt und Asche. Bis auf „The End Complete“ und „World Demise“ war von jedem Longplayer etwas dabei; mit „Find The Arise“, der bereits auf der zweiten, noch in Eigenregie produzierten Demo („Demo 1986“) war, sogar ein besonderer Old Goody, der euphorischen Beifall und ein Meer aus Headbangern kassierte. Zudem war der Sound einfach fantastisch, alles andere hätte der Show wohl einen herben Beigeschmack gegeben. So aber stand einer weit schweifenden Huldigung der Death-Metal-Götter nichts im Wege: Auch nach einem 70-minütigen Set mit dem abschließenden, verhältnismäßig neuen „Evil Ways“ der 2007er Scheibe „Xecutioner’s Return“ wurde das Quartetts aus Florida nicht entlassen, sondern lautstark zu einer weiteren Einlage aufgefordert. Dem wurde auch von Bandseite aus gerne nachgegeben. So endete der erste Festivalabend mit „Slowly We Rot“ vom gleichnamigen Erstling der Todesgiganten mehr als nur gelungen und entließ durch und durch verschwitze, für ausgiebige Nackenschmerzen prädestinierte Metaller in die Nacht, die aber allesamt wie kleine Kinder strahlten, denen man eine riesige Schokotorte geschenkt hatte.

Setlist OBITUARY:
Intro
Redneck Stomb
On The Floor
Internal Bleeding
Chopped In Half
Turned Inside Out
Dying
Threatening Skies
By The Light
List Of Dead
Blood To Give
Find The Arise
The End Complete
Slow Death
‚Til Death
Evil Ways
Slowly We Rot


Samstag, 07.07.2012

Der dritte Tag startete ohne Regen oder dergleichen bei strahlendem Sonnenschein. Wer Lust hatte, konnte sich nochmal im anliegenden „Ententeich“ ausplanschen, bevor mit HUMAN PREY aus Leipzig um 13:00 Uhr der musikalische Teil startete; wobei „der knüpplige“ hier wahrscheinlich eher das Wort der Wahl ist. Die Fünf dachten nämlich überhaupt nicht daran, irgendwelche Kompromisse in Sachen Sachtheit einzugehen und prügelten drauflos, was das Zeug hielt. Das gefiel sichtlich: Auch wenn manche Gehörgange bei den ersten Songs noch durch vorherigen Alkoholkonsum und durchzechter Nacht etwas überfordert wirkten, spätestens nach der Publikumsstärkung in Form von Brötchenverteilung durch die Band – kein Scherz, da hat wirklich wer nachgedacht gehabt, und ja, geschmiert – waren auch die vorher noch schielend durch die Welt Laufenden voll auf der Höhe. Sowieso war allgemein der Platz vor der Bühne für die erste Band des Tages überraschend voll. Dabei bekommt man das Bild, was sich einem hier bot, wohl nur auf dem IN FLAMMEN Open Air zu Gesicht. Am Rande der Bühne eine Truppe gemütlich in Campingstuhl, mit Bier in der Hand, mittig die Sporttobenden in Circle und Moshpit, am rechten Rand die Bangwütigen, drumrum gruppiert die die Musik lediglich Genießenden und lieber ob dieser Uhrzeit nur leicht mit dem Kopf Wippenden. In der ersten Reihe der Seifenbasenchef, der zum Gerrumpel auf der Bühne die entsprechende Dekoration beisteuerte. Alle zusammen freundlich grinsend gegenüber der anderen Gruppe. Generell suchte man übrigens mies böse drein blickende Schwarzburschen auf dem IFOA vergeblich. Dort wird eben selbst der schwärzesten Seele ein ehrlich herzliches Lächeln auf’s Gesicht gezaubert.

So voll es bei Human Prey war, so leer war es bei den seit 2007 bestehenden ARRANGED CHAOS, obwohl Gebotenes der Leipziger eigentlich nichts zu wünschen übrig ließ. Erst gegen Ende fanden sich wieder mehrere Grüppchen in den ersten Reihen ein. Schade, denn schlecht waren die Jungs auf keinen Fall und zu dem eher langsam und groovig gehaltenen Death mit deutlich Metalcore-Einschlag hätte man allemal gut abgehen können. „Depending On A Change“ vom Erst- wie Einzling „As Time Goes By…“ fungiert hierbei als deutliches musikalisches Beipiel: Ein Deathbrett, bei dem einem Hören und Sehen vergeht. Bleischwere Gitarrenriffs, größtenteils tiefgrunziges Growling des Vokalisten Felix, dazu gewitterartige Schlagzeugattacken schaukeln sich in der Summe zu einem äußerst headbang-tauglichen Gebräu auf.

Noch eine Ecke knüppliger wurde es mit den folgenden CUNTEMONIUM. Wie die Songtexte bei Iscaarum verriet hier schon der Bandname, was der geneigte Zuschauer auf die Ohren bekommen würde: besten Goregrind. Dabei wählte man als durchaus stilgerechte Bühnenkostümierung blaue Operationskittel. Bei der arg nach selbst gekochtem Kunstblut aussehenden braun-roten Klebemasse könnte die Rasselbande jedoch ruhig nochmal ein wenig besser mit Rote Beete und Kakao experimentieren. Alles in allem ein Auftritt, den man sich, sofern man nicht des Mittags schon mehr Bier als feste Nahrungsmittel konsumiert hatte, nur als Die-Hard-Liebhaber des gängigen Grunz-und-Quiek-Allerleis in Gänze geben konnte.

Weiter ging\’s zur Abwechslung mal etwas sanfter mit SINTECH. Die aus (Nähe) Coburg stammende Formation hat wohl ebenso viele Mitgliederwechsel wie Musikwandeleien zu verzeichnen – vielleicht ließ der Erfolg gerade deswegen so lange auf sich warten. Der kommt nämlich erst seit dem letzten Album mit dem provokativen Titel „Schlampenfeuer“ so richtig zum Tragen, welches in der Kritikerwelt wie eine Bombe einschlug und fast durchweg (sehr) gute Rezensionen kassierte. Mit imperalem Intro warf man sich in die Show, um schnurstracks zum dank dauerbrennerartigem Refrain des äußerst live-tauglichen „Narbenacker“ und anschließend dem Titelsong des aktuellen Albums überzugehen, der vergleichsweise Death-Metal-lastig daher kommt. Mit „Geistesgeschwür“, „Jünger des Nichts“ und „Hassorgasmus“schlugen sie versammelter Masse einen schlampenfeurigen Track nach dem anderen um die Ohren und spätestens beim das Set abrundenden, melodischen „Avantgarde“ dürften SINTECH einige Fans dazu gewonnen haben. Besonders den weiblichen Fan, der in erster Reihe anfeuerungswütig mit erhobenen Teelöffelchen (die kreative Alternative der Pommesgabeln!?) stand, dürften Sproc (aka Managarm) und Co. überzeugt haben. Uns das, obwohl sie dieses Mal ohne Bass unterwegs waren, da Zasch (aka Hati) diesen Auftritt verhindert war, so dass die entsprechende Tonspur einzig vom Band kam. Das ließ dem Gespann zwar wenig Spielraum für Improvisation, tat der Show allerdings keinen Abbruch.

Mit DESERTED FEAR wurde erneut der Bogen zum alt geliebten Death geschlagen. Die mit fünf Jahren Bestehen noch verhältnismäßig junge Band aus Thüringen ist im Umland aber schon durchaus bekannt, was für eine nicht gerade kleine Ansammlung bei Showbeginn sorgte. Eröffnet mit „The Battalion Of Insanities“ der im September auf den Markt kommenden und von Dan Swanö gemixt und gemasterten Scheibe „My Empire“ merkte man gleich, dass die Todesmörtler das Potenzial haben, so manchen langjähtigen Genre-Kollegen ziemlich alt aussehen zu lassen. Mit den folgenden Tracks (ebenfalls ausschließlich vom kommenden Werk) „Pestilential“, „Nocturnal Frags“, „Morbid Infection“, „The Black Incantation“, „Field Of Death“, „My Empire“ sowie „Bury Your Dead“ bretterten sie eine gelungenen Mischmasch aus Dismember, Grave und God Dethroned herunter. Kurzum: durch schmerzhaft schweren Old School, gepaart mit stellenweise moderneren und dynamischeren Riffs wurde eine gekonnte Fusion der europäischen und amerikanischen Schule des Todesstahls geboten, die definitiv im Gedächtnis hängen blieb.

Das erste Mal pechschwarz wurde es am Samstag mit den Niederländern CIRITH GORGOR – nebenbei die einzige Band mit Corpse Paint auf dem gesamten Festival. Mit beinahe 20 Jahren Bestehen auf dem Buckel können die Black Metaler zwar auf eine lange Bandgeschichte zurückblicken, dennoch auf mit an der Zahl vier Alben auf relativ wenige Veröffentlichungen. Möglicherweise der Grund, warum die Kombo hierzulande eher ein Underground-Tipp geblieben ist. Präsentiert wurde mit „The Declaration Of Our Neverending War“, „Degeneration Of Mankind“, „Total Annihilation“, „The Gates Of Hell“, „Der Untergang“ und „Warcry Of The Southern Lands“ ein bunter Mix aller Schaffenswerke, wobei einzig vom „Unveiling The Essence“ nichts heraus gekramt wurde. Das anfangs spärliche Publikum wuchs nach den ersten Klängen der Dunkelbuben rasch an und stellenweise waren nicht Wenige äußerst headbanging-aktiv.

Damit war’s dann aber wieder genug mit Kuschelklängen. Mit dem kompromisslos heftigen Technical Brutal Death von CYTOTOXIN ging es umgehend zurück in die Knüppelabteilung – aber wie. Wenn man 2011 auf dem IN FLAMMEN anwesend war, war diese Band wohl eine der am besten in Erinnerung geblieben gewesen, hatten sie damals schon eindrucksvoll demonstriert, was Publikumsinteraktion in seiner unverschnörkelten Ausführung wirklich heißt. Das sollte diesmal nicht anders sein: Kaum auf der Bühne, wurden Aufforderungen zu Mosh wie Circle Pits in die versammelte Menge geworfen, der nur allzu gern Folge geleistet wurde. Zwischen drin ließ es sich Grunzmaschine Grimo selbstverständlich auch nicht nehmen, einige Runden im trauten Drehzirkel mit zu rennen.


Der Tradition nach wurde natürlich ebenfalls nicht vergessen, zum Schluss nochmals die komplette Zuschauermenge (beziehungsweise so viel wie maximal drauf passten) auf die Bühne zu bitten, um gemeinschaftlich auf erhobenen Podest zur Musik ein nachmittagliches Joggingstündchen einzulegen. Auch ein Vorhaben, bei dem man sich fragte, auf wie vielen Festivals die Organisation so kulant ist, das durchgehen zu lassen. Hier klappte es zumindest hervorragend – nicht zuletzt durch das vorbildlich mit ausgeschilderter Laufrichtung permanent in die Lüfte gehaltene Kreisverkehrsschild. Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass sich das cytotoxische Markenzeichen (Gasmaske) mehrfach in der Menge fand, was natürlich umgehend Grimos Herz erwärmte und zum „Kuscheln“ mit entsprechenden Fans einlud.

Kurze Verschnaufpause und Genrewechsel extrem hin zu ultra-gediegenem Doom Death mit den Klangkunstperlen OCTOBER TIDE. Nachdem die Band nach der damals vorerst letzten Veröffentlichung „Grey Dawn“ für ganze elf Jahre auf Eis gelegt wurde, rief sie Fredrik „North“ Norrman 2011 wieder ins Leben und ist nun mit Gitarrist Emil Alstermark, Basser Mattias „Kryptan“ Norrman, Drummer Robin Bergh und seit Kurzem statt mit Tobias Netzell mit Shouter Alexander Högböm unterwegs. Trotz des wohl im Vergleich zu allen Bands gediegenen Tempos erfreuten sich die Schweden regen Zuspruchs, was bei den teilweise Ex-Katatonia-Mitgliedern keineswegs verwunderlich ist. Erfreulicherweise beschränkte man sich in der Songauswahl nicht auf die 2010er „A Thin Shell“, sondern schnitt diese mit „A Custodian Of Science“ sowie „Blackness Devours“ lediglich kurz an, bevor man sich mit beispielsweise „Grey Dawn“ der gleichnamigen Scheibe oder „12 Days Of Rain“ in ältere Gefilde wagte, wobei der Schwerpunkt mit „Blue Gallery“, „Infinite Submission“, „Ephemeral“ und „12 Days Of Rain“ deutlich im Jahre 1997 lag. Die unglaublich positive Resonanz überraschte am Ende selbst die Musiker, die vor Rührung gar nicht mehr wussten, wie oft sie sich bedanken sollten.

Im Anschluss wurde mit den Urgesteinen SKANNERS wieder ein Liebling aus der Partykiste ausgepackt. Nachdem die Italienier wie Cytotoxin bereits im Vorjahr dermaßen überzeugt hatten und ebenfalls schon am Donnerstag gespielt hatten, liefen die sympathischen Heavy Metaler noch mal zu Hochtouren auf und absolvierten eine phänomenale Show, die sämtliche Zuschauer von Anfang bis Ende in ihrem (Mitsing)bann hielt. Während man mit „Welcome To Hell“, „We Rock The Nation“ oder auch „Blood In My Eyes“ einen Hit nach dem anderen aus dem Hut zauberte, trieb man die Anwesenden zu bester Bewegung und gehöriger Partizipation an. Der nach wenigen Minuten feiernden Riesentraube Menschen vor der Bühne zu urteilen, erfolgreich. Insgesamt fischte man aus fast jedem Album die Glanznummern heraus und mit „The Magic Square“ der ersten „Demo 1982“ teleportierte man sich gar in die frühesten Zeiten der inzwischen 30 jährigen Bandbiographie. Dabei feierte man die Stimmungsmeister mit jedem Titel mehr. Ohne Zugabe gab man sich schon gar nicht zufrieden, so dass man sich am Ende nach einer durchweg gelungenen Show mit dem Alltime-Player „Hard And Pure“ der aktuellen „Factory Of Steel“ unter einem Meer applaudierender sowie zum Gäbelchen erhobenen Hände in die Nacht verabschiedete.

Wenngleich der Name anderes vermuten lässt, spielten VALKYRJA im Anschluss mit Nichten irgendwelchen Pagan / Viking Metal, sondern eiskalt düsteren „Fast Swedish Black Metal“ der Schule Dark Funerals und Naglfars, wobei Vokalist A.L. in kompletter Gestik wie Gebaren wie ein Zwillingsbruder Erik Danielsson (Watain) wirkte. Die Schweden, die wohl einen der wenigen, ernst zu nehmenden, auf Platte wie live wirklich souverän klingenden Vertreter dieses Genres darstellen, von denen man in Zukunft noch so einiges erwarten könnte, überraschten mit einem auf knapp 30 Minuten verkürzten Set. Viele, die genau wegen dieser Band angereist waren, schauten zunächst etwas angesäuert drein, vor allem, da dies ohne vorherige Ankündigung oder nachgehende Erklärung der Fall gewesen war. Weiß man aber durch nachgehende Erkundigung, dass es manchen der Members gesundheitstechnisch eigentlich so schlecht ging, dass ein Live-Auftritt äußerst kritisch war, kann man den Jungs für die Mühen des Einzelgigs in Deutschland nur Respekt zollen, die unterschlagene Viertelstunde verzeihen und sich auf den nächsten Auftritt der Atmosphärenkünstler freuen. In Letzterem waren sie nämlich auch trotz nicht optimaler Fitness Meister.

Infolge dessen hatten die erst relativ kurz vor dem Festival bestätigten Samstags-(Co-)Headliner CROWBAR eine ziemlich gemütliche Umbaupause. Aus den Sümpfen New Orleans Ende der 80er Jahre erhoben, zelebrieren sie seit damals eine markante Mischung aus extrem harten Gitarren und schwer dahin rollendem Riffing, mit einem satten Schuss Hardcore sowie Doom der Marke Candlemass oder Black Sabbath versetzt. Damit, wie auch mit dem charakteristischen Gesang des wohl einprägsamsten Bartträgers der amerikanischen Metal-Landschaft, Kirk Windstein, machten sie sich schnell einen Namen und gelten heute als (Mit)begründer des Sludgecore – ganz großes Kino also. Dementsprechend gefeiert wurden sie und verzeichneten in der Summe wohl den höchsten Andrang der Besucher überhaupt. Verständlicherweise, denn das Abbruchunternehmen entfesselte eine Brechstange nach der nächsten. Eingeleitet mit „Conquering“ der „Broken Glass“ machte man anschließend einen Sprung über „New Dawn“ zum aktuellen Stoff der „Sever The Wicked Hand“ („Sever The Wicked Hand“, „Liquid Sky and Cold Black Earth“), um nach einem kurzen Ausreißer („The Cemetery Angels“) gänzlich in die 1990er abzutauchen. An der Stelle muss man dem Soundtechniker auch mal ein besonderes Lob aussprechen: Obwohl man am Samstag generell nichts zu meckern hatte, übertraf dieser sich bei den Brachial-Tieftönern regelrecht selbst, so dass man voller Freude seinen Heros bei Panzern wie „Burn Your World“ oder „Planet’s Collide“ gebührend huldigen konnte. Nach einem für nicht Wenige viel zu kurzen Set verabschiedeten sich die Amis mit dem Gassenhauer „All I Had (I Gave)“ unter ohrenbetäubendem Applaus, der klarmachte, wer neben Obituary Publikumsliebling auf dem IN FLAMMEN war.

Setlist CROWBAR:
Conquering
New Dawn
Sever The Wicked Hand
Liquid Sky And Cold Black Earth
Self-Inflicted
I Am Forever
The Cemetery Angels
I Have Failed
Burn Your World
Planet’s Collide
All I Had (I Gave)

BENEDICTION, noch eine Band, die man nicht sonderlich oft zu Gesicht bekommt. Die Briten, anscheinend einmal nicht wie sonst mit gefährlich hohem Alkoholpegel auf der Bühne, animierten die Meute bei Erscheinen umgehend zu lautstarken „BENEDICTION“–Sprechhören und anschließend reichlich Aktion bei ordentlich Death der englischen Schule. Wobei man sich ob noch versammelter Menschen nicht sicher war, wer diesen Abends der Headliner gewesen sein sollte. Zwar waren bei dem Jungs aus dem Zentrum der West Midlands noch reichlich Leute vorhanden, dennoch schaute man eher mit dem festivalausklingenden Feierabendbier gediegen zu, als volles Rohr Stimmung zu schieben wie noch bei Crowbar. Aufgewartet wurde mit einer bunten Palette, gegriffen aus dem Schatzfundus der Bandgeschichte, wobei vermehrt Fokus auf Stücke vor der Jahrtausendwende gelegt wurde. Brecher wie das gut bekannte „Shadow World“ der „Organised“–Scheibe oder auch „The Dreams You Dread“ des gleichnamigen Albums aus frühen Zeiten durften natürlich keineswegs fehlen. Selbstredend wurde mit „neuem“ Material („They Must Die Screaming“) nachgewürzt, was einen aber wieder daran erinnerte, dass die Jungs aus Birmingham nach der letzten Produktion anno 2008 mal langsam wieder etwas Neues fabrizieren könnten. Man muss ja schließlich nicht immer sieben Jahre warten. Egal; trotz der etwas gesetzteren Stimmung und diverser Soundprobleme, die Dave Hunt in überzeugendem Deutsch mit den Worten „Wir wollen keine fucking Soundprobleme, wir wollen doch einfach nur spielen“ kommentierte, gab es an der Show wenig auszusetzen, so dass ein weiteres IN FLAMMEN zu den Klängen von „Magnificat“ einen grandiosen Ausklang fand.

Setlist BENEDICTION:
Unfound Mortality
Nothing on the Inside
The Grey Man
Controlopolis (Rats In The Mask)
Shadow World
Nightfear
Suffering Feeds Me
The Grotesque
They Must Die Screaming
The Dreams You Dread
Jumping at Shadows
Magnificat

Fazit: Die Atmosphäre des IN FLAMMEN OPEN AIRs muss man einfach einmal erlebt haben. Klar, parallel sind Extremfest und auch das vor allem bei Anhängern der düsteren Richtungen geschätzte Under The Black Sun, aber – mal ganz abgesehen von der Musik – sollte man einfach mal in der Praxis testen, was dieser Bericht an Positiva behauptet. Einmal Dagewesene wissen zumindest: entweder kennt man sich auf dem IN FLAMMEN oder man lernt sich kennen. So kitschig es sich anhört – man ist einfach eine riesig große Familie, die mit jedem neuen Besucher ein neues Mitglied dazugewinnt, das in der Regel auch zukünftig glücklich jedes Jahr zum Familientreffen wiederkommt.

 

Publiziert am von

Fotos von: Diana Muschiol

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