Konzertbericht: Kila

20.11.2016 München, Kilians Irish Pub

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Letztes Jahr zählten KILA zu den spannendsten Acts beim Festival Mediaval in Selb, 2016 kehren die acht Musiker von der grünen Insel für einen Gig nach Bayern zurück – genauer gesagt in den Kilians Irish Pub im Herzen Münchens. Nach einem Vierteljahrhundert in der Gastronomiebranche erfüllt sich der Inhaber Paul Daly mit dem Auftritt der Szeneveteranen einen Herzenswunsch. Gleichzeitig hätte er seinen Gästen kein besseres Geschenk präsentieren können.

Noch vor Konzertbeginn greift Daly zum Mikrofon und spricht über den etwas ungewöhnlichen Ort für den Auftritt: Derlei viele Musiker auf wenigen Quadratmetern Bühne zählen zu den größten Herausforderungen für Veranstalter, Soundtechniker und all diejenigen, die mit der Konzertlogistik betreut sind. Nicht zuletzt müssen auch die einzelnen Bandmitglieder mit sehr wenig Raum für Geige, Flöten, Dudelsack, Bass und Schlagzeug auskommen. Doch mit derlei Kleinigkeiten halten sich KILA keine Sekunde auf.

20161120_200524891_iosFür viele war der progressive Achter das Highlight des Celtic-Specials in Selb. Warum, das beweisen die acht Männer und Frauen aus Irland bereits in den ersten Minuten ihres furiosen Gastspiels. Irish Folk trifft Weltmusik, tanzbaren Pop und experimentellen Rock der anspruchsvollsten Sorte. Die drei Ó Snodaigh-Brüder, Rossa, Rónán und Colm, sind Vollblutmusiker und Multiinstrumentalisten, die sich mit ihresgleichen zusammengefunden haben. Dem Facettenreichtum ist weder beim Einsatz der Instrumente noch bei den Kompositionen ein Limit gesetzt, ab und an genügen Rossa aber auch seine pfiffigen Finger, um einzelne Melodien anzustimmen. Sein Bruder Rossa wechselt dafür fließend zwischen Flöten, Saxophon und Gitarre.

Wirken KILA auf den ersten Blick wie ein Haufen kauziger alter Männer mit fragwürdigem Kleidungsstil, so entpuppt sich die Combo musikalisch als eine Granate der irischen Sonderklasse. Ohne Prügelpopopartymukke oder ausgelutschte Traditionals wie „Foggy Dew“, „Dirty Old Town“ oder „Irish Rover“ füllt die Band ihre zwei Stunden Spielzeit mühelos. Mit ihrem fast durchweg irischen Gesang zaubern KILA eine einzigartige Atmosphäre in den Pub. Mitklatschen entpuppt sich auf Grund der Komplexität der einzelnen Stücke bei manchen Gästen als schier unüberwindbare Herausforderung, dennoch gehen die einzelnen Lieder wie „Suas Síos“ vom gleichnamigen Album oder „Her Royal Waggeldy Toes“ mühelos ins Ohr. Mehrfach spricht Rónán zum Publikum, doch sein ausgeprägter Akzent lässt nur bruchstückweise erahnen, was er erzählt. Vom Frieden und von Religion handeln einige der Songs, so viel wird deutlich. Der Klang bzw. die Fusion der Instrumente und des Gesangs ist indes hervorragend und ein Zeugnis der allerersten Güteklasse für den verantwortlichen Tontechniker, dem KILA selbst für den Sound gerne das ein oder andere Küsschen spendieren würden – völlig zurecht.

kilaSeit fast 30 Jahren machen KILA zusammen Musik und sind dadurch trotz wechselnden Besetzungen zu einem perfekt eingespielten Team gereift. Während des Abends und auch während einzelner Songs wechselt das Oktett fließend und mühelos zwischen verschiedenen Tempi und Taktarten. Diese Flexibilität dient in erster Linie der Musik und weniger dem Ego der einzelnen Mitglieder, die sich alle in den Dienst der gemeinsamen Sache stellen und lediglich bei ihren einzelnen Soli planmäßig im Mittelpunkt stehen. Etwas ungewöhnlich erscheint die Vorstellung, dass KILA bei den eigenwillig-verträumten Zeichentrickfilmen “Song of the Sea” und “Secret of Kells” für den Soundtrack verantwortlich zeichnen. Doch die gezeigten Bilder in den Streifen sind ähnlich wenig konventionell wie KILAS Musik. Nach rund 120 Minuten Spielzeit und zwei Zugabeblöcken steigern sich die Iren am Ende in einen ekstatischen Wahn aller Beteiligten. Ein fulminantes Ausrufezeichen am Ende eines wahnwitzigen Konzertabends, der jeden irisch-folkigen Rahmen sprengt und selbst Virtuosen wie Jethro Tull vor Neid erblassen lässt. Aber auch „anders irische“ Szenekapellen wie die Dropkick Murphys oder Fiddler’s Green dürften hier ihre Meister finden, die durch ihren ureigenen Klang mehr abbilden können als nur Traditionelles und Modernes.

Mit ihrem abwechslungsreichen Sound, hervorragend harmonierenden Stimmen und der Gabe, komplexeste Melodien beschwingt und einfach klingen zu lassen, spielen sich KILA in einen ansteckenden Rausch, der gleichermaßen begeistert und fasziniert. Als Einzelmusiker und als Kollektiv sind KILA die Referenz in der irischen Musik und speziell live ein einzigartiges Erlebnis.

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