Konzertbericht: Laibach

17.04.2016 München, Muffathalle

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Kommunismus, Faschismus, Europa, Popkultur. Seit 35 Jahren mischt die slowenische Band LAIBACH frisch und frei Symbole und Schlagworte, fügt sie in anderem oder auch ohne Kontext neu zusammen und entzaubert sie durch distanzlose Anbiederung. Die Ideen gehen LAIBACH dabei scheinbar nicht aus.

laibach-the-sound-of-musicWo es früher reichte, Popsongs wie „Live Is Life“ von Opus zu martialischem Industrial ins Deutsche zu übertragen oder den Soundtrack zum Trash-Film „Iron Sky – Nazis On The Moon“ beizusteuern, sind die Projekte heute, in Zeiten von Europa- und Flüchtlingskrisen, politischer denn je. Nach der Vertonung des Milo-Rau-Stücks „The Dark Ages“ über die finsteren Seiten des sich vereinigenden Europas am Münchner Residenztheater im vergangenen Jahr widmen sich LAIBACH nun der Adaptation des Musicals „The Sound Of Music“, das die Geschichte der zur Nazi-Zeit aus Österreich in die USA emigrierten Musiker-Familie Trapp nachzeichnet.

Laibach-Klein-5Dass mit diesem Projekt ausgerechnet LAIBACH als erste westliche Band nach Nordkorea eingeladen wurde, um im August 2015 im Theater der Staatssicherheit in Pjöngjang vor ausgewählten Parteimitgliedern das in Asien beliebte Musical aufzuführen, ist weniger überraschend denn bezeichnend: Bringt doch genau diese scheinbare Unlogik das künstlerische Konzept der auf den ersten Blick wertungsfreien, affirmativen Über-Identifizierung auf den Punkt. Und was immer sich die Nordkoreaner dabei oder im Nachhinein gedacht haben mögen – für LAIBACH, die anschließend nicht nur in Deutschland durch den Feuilleton gereicht wurden, hätte die Aktion nicht werbewirksamer ausfallen können. Wenig überraschend und zur Freude aller Kulturreporter bringen LAIBACH das Showkonzept nun auch in ausgewählten europäischen Städten auf die Bühne.

Laibach-Klein-7Ob es an der zuletzt großen Medien-Präsenz der Band, dem nicht eben geringen Eintrittspreis von 35€ oder der Kombination aus beidem liegt, ist schwer zu sagen – das Publikum, das um 20:30 in der bestuhlten Muffathalle Platz nimmt, ist jedenfalls kein typisches LAIBACH-Publikum. Soweit man das bei LAIBACH überhaupt sagen kann. Entsprechend erstaunt dürfte so mancher Kultursuchende über das sein, was er in den folgenden zwei Stunden geboten bekommt – zumindest, so er tatsächlich so etwas wie ein Musical erwartet hat. Doch auch ihre eingefleischten Fans überraschen LAIBACH heute – mit einer verhältnismäßig gewöhnlichen Show.

Zwar beginnen LAIBACH mit in bester Avantgarde-Manier flachhändig aus dem Keyboard geprügelten Sounds, die sodann fließend in bandtypische Interpretationen nordkoreanischen Liedguts übergehen. Unerwartet bald schwenken LAIBACH jedoch auf die eigenen Hits vom aktuellen Album „Spectre“ um, die dann auch den Hauptanteil des 45-minütigen ersten Sets ausmachen. Von stilvollen Licht-Effekten gekonnt inszeniert, setzt die Band auf Altbewährtes: Das emotionslos-kalte Auftreten von Haubenmann Milan Fras, die bezaubernde Theatralik von Sängerin Mina Špiler und vom Band abgespielte, vor Ironie triefende Ansagen.

Laibach-Klein-4Nach 15-minütigem Intermezzo geht es dann an den „The Sounds Of Music“-Stoff: Perfekt an das bandeigene Material assimiliert, wirken selbst Songs wie „Do-Re-Mi“, „Edelweiss“ und „My Favourite Things“ einzig durch die skurrilen Videoinstallationen absurd, in denen sich zu psychedelischen Farbwechseln nordkoreanische Propaganda-Videos wahlweise mit herabregnenden Edelweißen, Steaks oder Apfelstrudel-Schnitten vermischen. Dazu gesellen sich die restlichen „Spectre“-Songs wie der Über-Hit „The Whisteblowers“, der sich nicht nur durch sein ebenfalls von Propaganda-Ästhetik und Drill geprägtes Video perfekt in den Gesamtkontext einfügt. Nach neuerlich 45 Minuten ist auch das zweite Set beendet – doch wer denkt, LAIBACH wären nicht der Typ Band für Zugaben, irrt: So bietet die Band mit ihrer Cover-Version des Opus-Hits Live is Life, dem Stück B Mashina aus dem Iron Sky-Soundtrack und einer mitreißenden Interpretation des Songs Each Man Kills The Things He Loves (im Original von Gavin Friday and the Man Seezer) als dritten Showteil nochmal ein beeindruckendes Zeugnis ihrer Vielseitigkeit.

Mit einer gelungenen Mischung aus gewöhnlicher LAIBACH-Show und Musical-Interpretation kommen LAIBACH beim Münchner Publikum überaus gut an und dürfen sich am Ende über Standing Ovations freuen. Einen Eindruck davon, wie die Darbietung in Nordkorea aufgenommen wurde, bekommt man zum Abschluss – nach einem Ausschnitt aus John Olivers Late-Night-Sendung zum Thema – in Form einer kurzen Videosequenz vermittelt. Take-Home-Message: Es wird einen Film über die außergewöhnliche Konzertreise geben. Man darf gespannt sein!Laibach-Klein-8

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