Konzertbericht: Mr. Hurley und die Pulveraffen w/ MacCabe & Kanaka

21.10.2017 München, Backstage

Vom blauen Meer über den Voodoo Westafrikas bis nach Tortuga und in die Top-5 der deutschen Albumcharts – die musikalische Reise von MR. HURLEY UND DEN PULVERAFFEN ist besonders in den letzten Jahren eine abenteuerliche. Mit viel neuem Liedgut im Gepäck ziehen die vier Freibeuter aus dem karibischen Osnabrück nun erneut los, um die Bundesrepublik zu erobern. Viele ausverkaufte Häuser sprechen bereits vorab für ausreichend Wasser unter’m Kiel und bestens gesetzte Segel. In München spielen die Szenedurchstarter nur zwei Monate nach ihrer Kajütentour zum Release von „Tortuga“ erneut – und setzen im direkten Vergleich noch einen drauf.

Den Abend eröffnet zunächst das Lübecker Duo MACCABE & KANAKA, die selbsternannten Terence Hill und Bud Spencer des Folks. Im Süden Deutschlands müssen die Konzertbesucher zwar auf die Shanghaied Shanty Crew verzichten, doch der Unterhaltung tut dies keinen Abbruch. Bei ihrer ersten größeren Support-Tour erweisen sich die beiden ungleichen Kumpanen aus Hawaii und Irland als spielfreudig, unterhaltsam und perfekte Einstimmung auf die Pulveraffen. Besonders die Cover-Version von „John Kanaka“ bleibt im Gedächtnis und wird in der bereits sehr gut gefüllten Halle auch teilweise mitgesungen. Zusammen mit „Ye Jacobites By Name“ und vielen Sea Shantys vom Feinsten erspielen sich MACCABE & KANAKA eine völlig verdiente Zugabe und hinterlassen am Ende auch weitab ihrer Heimat einen mehr als gelungenen ersten Eindruck.

Komplett ausverkauft ist die Münchner Backstage Halle, als MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN zu den ersten maritimen Klängen ihres Intros die Bühne entern. Der erste Song heißt wie die das dazugehörige Album und die aktuelle Tour: „Tortuga“. Vom Erreichen einer Betriebstemperatur kann schnell keine Gerede sein, denn die Stimmung kocht von Anfang an in der kleinen Halle. Der Sound und die Bühnendeko mit liebevoll gestaltetem Backdrop und kleinen LED-Kerzen überzeugen ebenso wie das Licht und was sich die Nordlichter sonst so für ihre Show ausgedacht haben: Zum „Plankentanz“ betritt Pegley Peggy wie gewohnt als Animatorin die Bühne, nur um sich wenig später als viertes Bandmitglied bei „Schlechtes Vorbild“ erstmals auch ans Mikro zu wagen. Wieviel Druck die akustische Kaperfraktion auf die Bühne zaubert, ist erstaunlich und zeigt gleichzeitig, wie oft derlei Potential ungenutzt bleibt. Unter dem Strich erfinden die Pulveraffen den akustischen (Party-)Folk nicht neu, sie peppen ihn auf und veredeln ihn an eben jenen Ecken, wo er anderswo bei „Drunken Sailor“ und Konsorten zum Erliegen kommt. Selbst wer vor oder während des Konzerts nicht ordentlich bechert, kommt im handwerklich und spielerisch vorzüglich präsentierten Hochsee-Hitfeuerwerk auf seine Kosten. Lediglich bei den Instrumenten hinterlässt der pirateske Feiermarathon seine Spuren: Insgesamt vierer Gitarren muss sich Mr. Hurley Herr werden, um die Show zu Ende zu bringen. Immer wieder reißen Saiten, während er und seine Mannschaft die Menge auf „Booty Island“ einladen, in „Schrumpfkopf im Rumtopf“ ihrem Smut Fischkopp huldigen oder sich selbst als „Schlechtes Vorbild“ besingen.

Das Scheinwerferlicht verteilt sich während des Auftritts indes überraschend gleichmäßig auf die Protagonisten: So glänzt Buckteeth Bannock bei seinem Pöbel-Solo genauso wie bei „Mit’n Schwert“ und seinem Akkordeon als Stamminstrument, während der Einäugige Morgan an der Percussion u.a. bei „Nüchtern“ ins Blickfeld rückt. Nur die Ansprachen sind bei den Szenedurchstartern meistens Chefsache: Mr. Hurley spricht höchstselbst über Verhandlungen mit Plattenfirmen, denen manche Texte nicht angepasst genug gewesen sind, oder mit einem Augenzwinkern darüber, dass er und seine Geschwister als Piraten eben auch die Bösen seien. Im Vergleich zu anderen Freibeutern erschöpft sich das Konzept der ehemaligen LARP-Formation allerdings nicht in rein oberflächlich unter schwarzer Flagge getarnten Saufhymnen ohne Tiefgang. Hinter dem Konzept und dem Weg bis auf Platz 5 der deutschen Albumcharts verbirgt sich weit mehr: So ist „Ich Kanone dich nicht leben“ nur vordergründig ein gusseisener Liebesschwur und „Wär ich Gouverneur“ gar nicht so weit von der politischen Realität um ewige Kanzlerinnen und verwirrte Fönfrisuren entfernt. Dazu haut Buckteeth Bannock live bei jenem Stück einmalig ordentlich in die Klimpertasten, ehe ein Medley aus verschiedenen Traditionals und manch bekanntem Rock-Hit fließend in den Schlussakkord „Blau wie das Meer“ mündet. Spätestens hier kennt das Backstage keinerlei Halten mehr und ein furioses Finale krönt ein kurzweiliges Konzert, deren Hauptdarsteller zukünftig genreübergreifend dem ein oder anderen etablierten Namen mächtig ins Schwitzen bringen werden.

Trotz aller Erfolge in kurzer Zeit scheinen MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN erst am Anfang ihrer Karriere und besonders die letzten zwei Alben „Voodoo“ und „Tortuga“ belegen eindrucksvoll, wie sich das Songwriting der Norddeutschen in kurzer Zeit immer weiter entwickelt hat und dass auch in maritimen Gefilden längst noch nicht alle Geschichten erdacht und erzählt sind. Mit MACCABE UND KANAKA haben die Pulveraffen auf ihrer aktuellen Tour dazu quasi ihre eigene Vergangenheit mit an Bord und bieten zwei talentierten Musikern erstmals die Chance, sich bundesweit einen eigenen Namen zu machen. Eine bessere Gelegenheit kann man sich derzeit kaum wünschen oder vorstellen.

Publiziert am von und

Fotos von: Sigi Maier

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