Konzertbericht: Mr. Hurley und die Pulveraffen

12.03.2016 München, Spectaculum Mundi

Wenn sich Piraten aus dem karibischen Osnabrück mit ihrer Affenschaukel auf den Weg gen Süden machen, ist die Reise eine weite. Umso lohnenswerter, wenn auf MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN im Rahmen ihrer ersten eigenen Tour eine ausverkaufte Hütte im Spectaculum Mundi wartet. Warum ausgerechnet Aggroshantys direkt im ersten Anlauf und ohne prominenten Anheizer die Republik erobern? Zunächst überrascht dieser Umstand, doch der Abend liefert schließlich alle Antworten, manche vielleicht ungewollt.

81ot6IL8JJL._SL1440_Nach einigen erfolgreichen Gastspielen beim TANZT! und beim Feuertanz Festival verschlägt es die Pulveraffen erneut weit weg von ihrer Heimat. Dass „Schiffe, Schätze, Schlampen, Schnaps“ als grober Rahmen im Süden funktioniert, ist allen Beteiligten durch die ersten Ausflüge ans andere Ende Deutschlands bereits bekannt und an diesem Abend ebenfalls schnell offenkundig. Einen Support vermisst niemand: München feiert von Beginn an mit den drei Nordlichtern, die sich über die aufkommende Euphorie rund um ihr Projekt sichtlich freuen. Immerhin stellen sie mit ihren Besucherzahlen in München die ersten Auftritte von heutigen Szenegrößen wie Saltatio Mortis, Feuerschwanz oder auch Versengold in den Schatten.

Wer neben dem Schnaps und den Schlampen nach mehr als nur Sauf- und Raufmusik sucht, wird zunächst beim Intro fündig, wo sich Mr. Hurley himself mit den Hobbies „Rum trinken, Schiffe kapern und Freunde treffen“ ankündigen lässt. Der Humor in den melodischen Eigenkompositionen leidet hingegen unter der Akustik, die die Texte arg verwässert. Zum Glück zeigt sich die Menge mehrfach textsicher, u.a. direkt zu Beginn bei „Schrumpfkopf im Rumtopf“. An ernsteren Momenten wie „Die Legende von Daisy Jones“ oder dem „Abschiedslied“ am Ende hat der überwiegend feierwütige Teil des Publikums dann weniger Interesse. Bei Ersterem ändert auch die Beteiligung von Miss Ivy Cox als untote Tänzerin nichts. Umso besser funktioniert die Mercherin und Einpeitscherin in Personalunion beim „Plankentanz“, zu dem fleißig die bayerischen Achterdecks und Bugs geschüttelt werden. „Alll!“, der Song über einen chinesischen Piraten, erinnert von der Machart und Inszenierung hingegen schwer an die Erste Allgemeine Verunsicherung. Allgemein wirkt es aber so, als ob nicht zwangsläufig die Texte, der Humor oder gar der vorhandene Anspruch für die gute Stimmung verantwortlich sind, sondern eher die Tatsache, dass Unterhaltungsnummern wie „Komm zur Marine“, „Booty Island“ oder „Nüchtern“ genauso für Ballermanntouristen geeignet sind, die sonst Mickie Krause und seine 10 nackten Friseusen besingen.

mr_hurley_die_pulveraffen_plankrockWie MR. HURLEY UND SEINE PULVERAFFEN allerdings am besten selbst beweisen, gehört zum Grog’n’Roll mehr als sein abgeschmacktes Piratenkostüm vom Fasching 2002 zu reaktivieren und ein paar Refrains mitzugröhlen. Diese Meinung scheint sich im Münchner Publikum allerdings nicht durchzusetzen, so dass die Piraten an sich, aber auch ihre Stücke, am Ende unter Wert verkauft werden. Besonders deutlich wird dies bei den drei neuen Liedern „Mit’n Schwert“, „Der Haifisch“ und „Totgelacht“, die gemäß Kapitän Hurley zum Teil eher textlastig sind. Nach Piratenblues (oder auch dem balladesken „Etwas vom Faden“) ist aber nur einem kleinen Teil der Hut- und Augenklappenträger im Spectaculum Mundi. Dazu konträre Gassenhauer wie „Booty Island“ oder das unvermeidliche „Blau wie das Meer“ reißen das Ruder regelmäßig wieder herum und verwandeln die kleine Halle in einen tosenden Hexenkessel. Am Ende ist es kein Wunder, warum ein zweifelhafter Musiker namens Tobee „Blau wie das Meer“ dreist geklaut und zu seinem Mallorca-Hit gekürt hat.

Gefühlt erinnert das Gastspiel von MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN an frühere Zeiten von Feuerschwanz im Spectaculum Mundi, als das vollgekotzte Foyer und der Zustand der Toiletten nach dem Konzert für sich sprachen. Kotze im Foyer gab es auch dieses Mal, nur dass die norddeutschen Piraten deutlich mehr Zuhörer als Mittrinker verdient haben. Dass es beides geben muss und beides friedlich koexistieren kann, haben ihre Festivalshows bereits mehrfach gezeigt. Im Spectaculum Mundi schlägt das Gleichgewicht, zumindest temporär, arg bzw. zu sehr in Richtung der trinkfesten Gemeinde aus, bei der am Ende kein großer Unterschied zwischen Mallorca, Bierzelt, Fanmeile oder Piratenkonzert besteht.

pulveraffen2016

 

 

 

 

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert