Konzertbericht: Naglfar w/ Schammsch, Anomalie

24.11.2018 Prag, Klub Nová Chmelnice

Unter dem Banner „Rise Of The Cosmic Fire II“ zieht die nächste Produktion von Quantheon Touring durch Europa: Neben den drei Bands NAGLFAR, SCHAMMASCH und ANOMALIE beinhaltet das ganzheitliche Konzept der Newcomer im Haifischbecken der Tourveranstalter wechselnde Ausstellungen verschiedener Künstler und ein rundum stimmiges Setting.Von der Bandauswahl bis zur Dekoration des Merch-Stands hier alles mit einer Hingabe organisiert, wie man sie heute sonst nirgendwo mehr findet. Die Mühen zahlen sich aus: Noch bevor der erste Ton gespielt ist, stimmt schon die Atmosphäre beim Tourauftakt im Prager Klub Nová Chmelnice.

Den musialischen Anfang machen um 20:00 Uhr die Österreicher ANOMALIE. Dass das Projekt von Harakiri-For-The-Sky-Gitarrist Marrok der Rolle als Support-Act eigentlich längst entwachsen ist, beweist die heutige, knapp 50-minütige Darbietung eindrucksvoll. Während die dreiköpfige Gitarrenfraktion auf dieser Tour wieder in voller Mannstärke – inklusive Torsten von Agrypnie – vertreten ist, gilt es den kurzfristigen Ausfall von Bassist Thomas Dornig zu kompensieren. So greift Bandkopf Marrok selbst zum Viersaiter. Die Herausforderung der Doppelfunktion als Sänger und Bassist meistert der Fronter souverän ohne dabei Bühnenpräsenz einzubüßen: Ohne Ansagen, aber mit viel Charisma führt er durch die atmosphärische Show, die nur geringfügig darunter leidet, dass im Club offenes Feuer – und damit die sonst so stimmungsvolle Kerzendekoration – verboten ist. Da die Rahmenbedingungen ansonsten passen, schon ordentlich Fans vor der Bühne stehen und die vornehmlich der aktuellen EP „Integra“ entstammenden Songs gleichermaßen druckvoll wie transparent aus den Boxen schallen, können sich die Zuschauer bereits zu früher Stunde über ein richtig gutes Konzert freuen.

Nach einem Bühnenumbau im Eiltempo stehen kaum 20 Minuten später SCHAMMASCH auf der Bühne. Schon rein optisch könnte der Kontrast kaum stärker ausfallen: Während Anomalie vornehmlich die Musik sprechen lassen, legen SCHAMMASCH – angefangen bei der Bühnendeko mit einem kunstvollen Knochenschrein über dichte Nebelschwaden bis hin zu den detailreichen Bühnenoutfits – augenscheinlich viel Wert auf Optik. Dieser Ansatz des ganzheitlichen Bühnenkonzepts ist löblich – die Idee hinter der Kostümierung als die heiligen, nun ja, vier Könige bleibt Uneingeweihten jedoch verborgen. Auch der Reiz der Musik ist nicht selbsterklärend: Obwohl hier ebenfalls drei Gitarristen – sogar mit 7-saitigen Gitarren – am Werk sind, klingt der Black Metal von SCHAMMASCH wenig abwechslungsreich, auf die einstündige Spielzeit betrachtet, ohne markante Stilwechsel im Songwriting oder klare Akzente im Stageacting sogar ziemlich monoton. Dabei haben SCHAMMSCH heute auch noch Pech mit dem Sound: So kraftvoll die Songs von Anomalie aus den Boxen kamen, so dünn fällt der Sound bei SCHAMMASCH aus. So überrascht es nicht, dass auch Publikum gespalten wirkt: Während es nicht mehr ganz so voll ist wie noch bei Anomalie und sich der Bereich vor der Bühne über die Zeit noch etwas leert, haben SCHAMMASCH im Publikum sehr wohl auch so manch begeisterten Fan, sodass sich die Schweizer schlussendlich nicht über schlechte Resonanzen beklagen können.

Warum die Fans heute eigentlich in den Klub Nová Chmelnice gekommen sind, wird um 22:30 Uhr klar, als schon das Intro von NAGLFAR von lautstarken Jubelrufen begleitet wird. Umso größer die Enttäuschung, als offenbar wird, dass es in Sachen Sound eher schlechter als besser geworden ist: Trotz des von Minute eins an engagierten Stageactings der Schweden läuft der mit „Feeding Moloch“ und „The Mirrors Of My Soul“ vom 2007er-Meisterwerk „Harvest“ an sich starke Einstieg voll ins Leere: Die Gitarren kann man sich selbst als Kenner der Stücke bestenfalls vorstellen. Die schlimmen Befürchtungen für den weiteren Verlauf des Abends zerstreuen sich glücklicherweise rasch: Nach einigen Songs ist das Soundproblem gelöst – und sofort gibt es kein Halten mehr.

Allen voran Fronter Kristoffer Olivius, der die Band mit seinem einnehmenden Charisma, bitterbösen Blicken und hasserfüllten Screams anführt, ist heute in Bestform. Doch auch der Rest der Truppe liefert – wie von NAGLFAR nicht anders gewohnt – eine astreine Leistung auf höchstem Niveau ab: Hier sitzt wirklich jeder Schlag und jede Note. Ob das melodische „The Perpetual Horrors“ („Pariah“), das groovige „The Darkest Road“ („Harvest“), das wütende „Blades“ („Diabolical“) oder das bitterböse „I Am Vengeance“ („Sheol“) – zielsicher und ohne Verschnaufpause bringen NAGLFAR einen Kracher nach dem anderen.

Zu wünschen übrig lässt eher das Prager Publikum: Wohl nicht zuletzt weil in den vorderen Reihen einige Krawallmacher eher vom Alkohol denn von der bloßen Musik getrieben einen völlig unnötigen Moshpit erzwingen, bleibt das restliche Publikum eher zurückhaltend. Daran ändert sich leider auch nichts, als die Querulanten vorzeitig das Feld räumen, sodass NAGLFAR nach dem schlicht grandiosen Konzertausklang mit der epischen Hymne „Harvest“ zwar ordentlich Applaus bekommen – jedoch nur von einigen wenigen so gefeiert werden, wie sie es für diese Darbietung verdient gehabt hätten.

  1. Feeding Moloch
  2. The Mirrors Of My Soul
  3. Black God Aftermath
  4. Odium Generis Humani
  5. The Perpetual Horrors
  6. And The World Shall Be Your Grave
  7. The Darkest Road
  8. Bring Out Your Dead
  9. Blades
  10. A Swarm Of Plagues
  11. As The Twilight Gave Birth To The Night
  12. I Am Vengeance
  13. Harvest

Bereits beim Tourauftakt präsentieren sich alle drei Bands auf Top-Niveau: Dass SCHAMMASCH heute zu ihrem eigenwilligen Stil noch Probleme mit dem Sound haben, ist unglücklich – neben der atmosphärisch packenden Show von ANOMALIE und über die schlichtweg grandiose Darbietung der schwedischen Melodic-Black-Metal-Instanz NAGLFAR bei ihrer ersten Clubtour seit über zehn Jahren ist das jedoch schnell vergessen.

Hier die verbliebenen Termine der Tour:

27.11.18 – Flensburg, Roxy Flensburg
28.11.18 – Copenhagen, Pumpehuset
29.11.18 – Oberhausen, Helvete Pub – Club – Live Stage
30.11.18 – Arnhem, Willemeen
1.12.18 – Aalst, Cinema
2.12.18 – Paris, LE GIBUS
3.12.18 – Colmar, Le Grillen
4.12.18 – Göttingen, Freihafen ***NEU***
5.12.18 – Mannheim, MS Connexion Complex
6.12.18 – Aarburg, Musigburg
7.12.18 – Milan, Slaughter Club
8.12.18 – San Dona Di Piave, Revolver
9.12.18 – Wien, Viper Room Vienna

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