Review Naglfar – Sheol

  • Label: Century Media
  • Veröffentlicht: 2003
  • Spielart: Black Metal

Als Kristoffer Olivius bei NAGLFAR 2005 vom Bass ans Mikrofon wechselte, konnte er nicht alle Fans direkt begeistern – obwohl er als Sänger bei Setherial bereits mehrfach sein Können unter Beweis gestellt hatte. Der Grund dürfte vor allem auf „Sheol“ zu suchen sein: Das 2003 erschienene, letzte Album mit Sänger Jens Rydén ist ein Meisterwerk hasserfüllten Black Metals, wie man selbst aus Schweden nicht unendlich viele zu hören bekommen hat.

Denn tatsächlich verspricht das stimmungsvoll bösartige Artwork nicht zu viel: Direkt der Opener „I Am Vengeance“ lässt bildlich gesprochen kein Fleisch am Knochen. Dafür sorgen der schneidende, weit in den Vordergrund gemixte Gesang und die nicht minder scharf abgemischten Gitarren sägen mit der Energie der auf dem Cover abgebildeten Kreissäge. Und was dann noch übrig ist, prügelt Mattias Grahn zu Staub.

Doch NAGLFAR bleiben nach dem Death-Metal-Ausflug mit „Diabolical“ bei aller Rabiatheit dem melodischen Black Metal treu: Auch in ihren Uptempo-Riffs verstecken die Schweden immer wieder schmissige Leads, eingängige Melodien und virtuose Soli. Vor allem aber zeigen NAGLFAR auf „Sheol“ mehr als auf allen Alben davor ihr Geschick in Sachen Songwriting: Fließend gehen hier rasante in ruhige Passagen über („Abysmal Descent“), stets passt der Gesang vom Rhythmus her perfekt zur Musik („Of Gorgons Psawned Through Witchcraft“), sodass „Sheol“ den Hörer über seine 43 Minuten Spielzeit hinweg nicht nur bestens unterhält, sondern mit seiner Dynamik auch direkt mitreißt.

Akzente setzen NAGLFAR durch subtil und maßvoll eingestreute Synthesizer und Pianospuren – ins Kitschige oder gar Symphonische rutschen die Schweden dabei jedoch zu keiner Sekunde ab. Einzig die wilden Sologirlanden, in die „Unleash Hell“ gewickelt ist, sind hart an der Grenze zum Kitsch – erfüllen jedoch als Kontrast-Effekt im ansonsten schnörkellosen Song klar ihren Zweck.

Und ja, was Jens Rydén hier abliefert, ist – auch ganz ohne hochstilisierten Vergleich mit Kris‘ Gesang auf den späteren Alben – nichts weniger als eine Meisterleistung: Denn seine Vocals sind nicht nur selten gehört fies und aggressiv, sondern dabei (für Black Metal) auch noch überraschend verständlich. Wem da nicht das Herz aufgeht, der ist für dieses Genre wohl (noch) nicht zu begeistern.

Bis heute haben es NAGLFAR nicht zum Bekanntheitsgrad von etwa Dark Funeral, Cradle Of Filth, Marduk oder Gorgoroth gebracht – obwohl all diese Bands quasi zur gleichen Zeit gegründet wurden, und obwohl NAGLFAR mit „Vittra“ ein vielbeachtetes Debüt vorgelegt hatten. Die Ursache dafür lässt sich vielleicht in ihrem Ausflug in Richtung Death Metal („Diabolical“) oder Rydéns Ausstieg suchen – mit Sicherheit jedoch nicht in der Musik: Schließlich vereint „Sheol“ die perfekt Bösartigkeit von Marduk mit der Melodik von Dark Funeral oder (alten) Cradle Of Filth. Ein bis heute unterschätztes Meisterwerk des Zweite-Welle-Black-Metal!

Wertung: 9 / 10

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